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08.11.08 / Moskaus neuer Partner China / Putin und Wen Jiabao unterzeichneten in Moskau umfangreiche Verträge

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-08 vom 08. November 2008

Moskaus neuer Partner China
Putin und Wen Jiabao unterzeichneten in Moskau umfangreiche Verträge

Wladimir Putins chinesischer Amtskollege Wen Jiabao weilte Ende Oktober für drei Tage in Moskau. Es war ein Gegenbesuch, nachdem Putin zuletzt 2006 zum Staatsbesuch in China war. Damals wurde der Ausbau der bilateralen Beziehungen vereinbart. Bei der diesjährigen Visite Wen Jiabaos ging es in erster Linie um den Ausbau der Handelsbeziehungen.

Im kommenden Jahr können Rußland und China das Jubiläum 60 Jahre diplomatische Beziehungen begehen. Gleichsam zum Auftakt der Jubiläumsfeierlichkeiten betonten die beiden Regierungschefs in Moskau, die russisch-chinesischen Beziehungen seien auf einem neuen Niveau der strategischen Partnerschaft und des gegenseitigen Vertrauens angelangt.

Daß es in den vergangenen Jahren zu einer Annährerung der beiden Staaten gekommen ist, findet im florierenden Handel Ausdruck. In diesem Jahr wird der Warenaustausch die Rekordhöhe von 50 Milliarden US-Dollar erreichen, in Zukunft soll er auf bis zu 80 Milliarden Dollar steigen.

Wladimir Putin hat genaue Vorstellungen, wie die künftige Kooperation mit China aussehen soll. Es komme nicht nur darauf an, den Handel zu intensivieren, sondern ihn zudem zu diversifizieren, sagte er. Als Hauptfelder der Zusammenarbeit schweben ihm die Energiewirtschaft, der Transport, das Bauwesen sowie Umweltschutz und Landwirtschaft vor. Die Planungen für erste Projekte sind bereits weit fortgeschritten: Rußland wird im größten chinesischen Atomkraftwerk Tianwan zwei weitere Reaktoren bauen, von der Sibirien-Pazifik-Pipeline wird eine Abzweigung nach China eingerichtet und auch im Hochtechnologiesektor ist ein Joint-Venture angedacht. So ist in China der Bau eines Werks für Gaszentrifugen geplant. Ein weiteres Programm betrifft die gemeinsame Entwicklung eines zivilen Flugzeugs. Darüber hinaus appellierte Putin an chinesische Firmen, sich an Ausschreibungen zu den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi zu beteiligen. Seiner Meinung nach könnten die frischen Olympiaerfahrungen Pekings hier von Vorteil sein.

Zur Zementierung ihrer neuentdeckten Partnerschaft unterzeichneten die Regierungschefs in Moskau einen Liefervertrag für russisches Öl mit einer Laufzeit von 20 Jahren. Rußland verpflichtet sich, China in dieser Zeit 300 Millionen Tonnen Öl zu liefern. Das sind nach heutigem Stand vier Prozent des chinesischen Bedarfs. Im Gegenzug erhalten die hochverschuldeten Energiekonzerne Rosneft und Transneft Milliardenkredite der chinesischen Staatsbank. Es geht um langfristige Kredite in Höhe von 25 Milliarden Dollar, die bis zum Jahr 2030 vereinbart wurden.

Die Pipeline, schon seit sieben Jahren in Planung, soll 600000 Barrel Öl pro Tag bewältigen können. Für die Abzweigung nach China, für die Transneft bereits im vergangenen Jahr einen Vertrag unterschrieben hatte, wird China die Finanzierung übernehmen. Mit dem Bau der ersten 2400 Kilometer langen Etappe von Mittelsibirien Richtung Osten könnte noch in diesem Jahr begonnen werden. Die zweite Etappe wird bis zur Pazifikküste reichen. Die Gesamtkosten der Pipeline werden auf 14 Milliarden Dollar beziffert.

Die nun begonnenen Vertragsverhandlungen, die eine langfristige Zusammenarbeit mit China vorsehen, werden in Moskau mit Wohlwollen betrachtet. In einer Zeit, in der die Preise für Energie fallen, kann sich Rußland nicht ausschließlich auf den europäischen Markt konzentrieren. Russische Industrielle und Wirtschaftsexperten äußerten dennoch scharfe Kritik. Sie befürchten, daß die Annahme chinesischer Kredite die russischen Unternehmen benachteiligen könne, weil in Zukunft Peking die Handelsbedingungen diktieren werde.

Ähnliche Kritik übten auch russische Produzenten von Ölfördermaschinen. Sie fürchten die Abhängigkeit von chinesischem Geld und die Konkurrenz chinesischer Nachproduktionen. In der Folge könnten russische Hersteller vom gesamten ostasiatischen Markt verdrängt werden. Sie wären dann gezwungen, Arbeitsplätze abzubauen und eigene Entwicklungen einzustellen.

Ein weiterer Grund für die Ablehnung der Wirtschaftsexperten ist die Verbundenheit mit dem Westen: Mit europäischen Krediten erhielt die russische Wirtschaft moderne Technologie, Ausrüstung und das Wichtigste, ein besseres Management. Von China könne man weder das eine noch das andere erwarten. Die Entscheidung, sich China anzunähern, sei eine in höchstem Maße politische, heißt es in Expertenkreisen.

Manuela Rosenthal-Kappi

Foto: Regierungschefs Rußlands und Chinas: Wladimir Putin und Wen Jiabao weisen den Weg in die Zukunft.


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