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08.11.08 / Schaden fürs ganze Volk

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-08 vom 08. November 2008

Schaden fürs ganze Volk
von Hans-Jürgen Mahlitz

Alle Genossen sind Lügner, sagt ein Genosse. Die aktuelle Neuauflage des zweieinhalb Jahrtausende alten Paradoxons, mutmaßlich von dem Vorsokratiker Epimenides aus Kreta in die Welt gesetzt („Alle Kreter lügen“) bringt das ganze Dilemma der deutschen Sozialdemokratie mit ihren gegenwärtigen Schuldzuweisungen auf den Punkt. Was ist wahr? Was ist Lüge? Wer ist Lügner? Wer ist Ehrenmann oder -frau? Der Kreter, der alle Kreter zu Lügnern abstempelt, ist ja selber Kreter, also Lügner. Demnach ist der Satz falsch, die Kreter sind keine Lügner. Dann aber ist der Satz richtig, die Kreter sind doch Lügner, und der Satz ist wieder falsch.

Daran ändert sich natürlich auch nichts, wenn man „Kreter“ durch „Genossen“ ersetzt. Zu verdanken haben Deutschlands Sozialdemokraten das Lügner-Image in erster Linie ihrer hessischen Obergenossin Andrea Ypsilanti. Sie ist im Frühjahr mit dem Versprechen angetreten, sich auf gar keinen Fall mit den Stimmen der Linkspartei zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen. Diese klare Ansage, ohne Wenn und Aber, galt aber nur vor der Wahl. Danach versuchte sie gleich zweimal, mit eben diesen Stimmen an die Macht zu kommen. So machte sie Lug und Trug zum politischen Instrument.

Das war der Kardinalfehler der Kandidatin. Hinzu kamen weitere schwerwiegende Versäumnisse. Gegenüber kritischen Genossen führte sie sich auf wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen, gegenüber Parteifreunden außerhalb Hessens zeigte sie sich völlig beratungsresistent, monatelang agierte sie wie im Juso-Politkindergarten. Nun wurde sie jäh vom wirklichen politischen Leben eingeholt – und fand sich wieder in einem Tollhaus.

Freilich ist Ypsilanti kein Einzelfall, der Glaubwürdigkeitsverlust ist der SPD insgesamt anzulasten. Andrea Ypsilanti hatte ja auch rot-rote Vorbilder: Erst Reinhard Höppner mit seinem „Magdeburger Modell“, dann Harald Ringstorff in Schwerin, schließlich Klaus Wowereit in Berlin.

Die Parteilinke auf Bundesebene unterstützte den Volksfrontkurs, der zeitweilige Parteichef Kurt Beck positionierte sich mit wildentschlossenem Sowohl-als-auch. Erst hieß es: im Osten ja, im Westen nein, dann: in den Ländern ja, im Bund nein. Beck glaubten am Ende nicht einmal mehr die eigenen Genossen, er mußte gehen. Aber das neue Duo Müntefering/Steinmeier machte es nicht besser. Die beiden vermeintlichen Hoffnungsträger waren nicht in der Lage, Ypsilanti auf ihrem verhängnisvollen Weg zu bremsen. Sie agierten schwach, als Führungsstärke gefragt war. So kann inzwischen Oskar Lafontaine seine frühere Partei vor sich hertreiben wie das lebende Inventar eines Hühnerhofes, dem längst der letzte Hahn abhandengekommen ist.

Die Chancen, durch Wahlen zu klaren Mehrheiten und stabilen Regierungen für die volle Legislaturperiode zu kommen, sind durch das Glaubwürdigkeitsdefizit der SPD erheblich beschädigt – zum Schaden nicht nur dieser ehemals großen Volkspartei, sondern des ganzen Volkes.


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