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08.11.08 / »Kristallnacht« / Wie es im ostpreußischen Mehlsack war

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-08 vom 08. November 2008

»Kristallnacht«
Wie es im ostpreußischen Mehlsack war

Der 9. November gilt zu recht als deutscher Schicksalstag: Das Ende der Monarchie 1918, der Hitler-Putsch 1923, die „Reichskristallnacht“ 1938 und der Fall der Mauer 1989 fielen auf dieses Datum – um nur die wichtigsten Ereignisse zu nennen. Was das Jahr 1938 angeht, so brannten an diesem Datum auch in Ostpreußen die Synagogen, beispielsweise die 1896 eingeweihte Neue Synagoge in Königsberg. Das Pogrom war von oben angeordnet, überwiegend SA-Leute führten es durch, die Bevölkerung stand daneben. Die jüdische Gemeinschaft in Ostpreußen zählte vor der Machtergreifung der Nazis etwa 12000 Mitglieder, davon ein Drittel in Königsberg. Die dortige jüdische Gemeinde nahm von 3200 in 1933 auf 2100 im Oktober 1938 ab, nach dem 9. November verließen weitere 500 Juden die Stadt.

Aber nicht überall gab es an diesem Tag Verfolgungen. In Mehlsack beispielsweise waren die wenigen, einstmals jüdischen Geschäfte längst verkauft und damit nach damaligem Sprachgebrauch „arisiert“ worden. Die ehemalige Synagoge war ein separat stehender turmloser, rechteckiger Bau aus roten Ziegeln. Auch sie ist weder in Flammen aufgegangen noch verwüstet worden, allerdings wohl nicht aus bewußter Rücksichtnahme, sondern weil sie ebenfalls bereits den Besitzer gewechselt hatte und nun der evangelisch-freikirchlichen Baptistengemeinde als Bethaus diente. Erst später wurde der Bau dann dennoch zerstört: Im Frühjahr 1945, als die Rote Armee die Stadt Mehlsack zerstörte, ging auch die ehemalige Synagoge zugrunde. Später haben Polen die ganze Ruinenstadt abgeräumt und das Gebiet planiert. Am westlichen Stadtrand von Mehlsack lag auf einer kleinen Anhöhe, dem sogenannten Judenberg, der israelische Friedhof. Diese Grabstätten wurden nie beschädigt, nicht geschändet und schon gar nicht verwüstet. Zeitzeugen berichten, daß der Friedhof mindestens noch im Sommer 1944 unberührt war und sogar einen gepflegten Eindruck machte. Allerdings waren die jüdischen Gräber in Mehlsack, davon viele aus kostbaren Steinen, 1990 völlig verschwunden. In den Nachkriegsjahren hatte er noch bestanden und also sowohl alle Judenverfolgungen der NS-Zeit als auch die Zerstörung der Stadt 1945 unbeschadet überdauert. – Die jüdische Gemeinde in Königsberg zählt heute übrigens wieder 2000 Seelen – soviel wie vor der „Kristallnacht“.

PAZ/Nach „Heimatbrief für den Kreis Braunsberg“, Nr. 22/2008


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