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08.11.08 / Ein echter Preuße / Vorträge zum 100. Geburtstag von Joachim Schoeps

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-08 vom 08. November 2008

Ein echter Preuße
Vorträge zum 100. Geburtstag von Joachim Schoeps

Der jüdische Historiker Hans Joachim Schoeps ist eine Ausnahmeerscheinung in der bundesrepublikanischen Geistesgeschichte. Wie wohl nur wenige spaltete er die Gemüter. Als die Gesellschaft für Geistesgeschichte in der vergangenen Woche in Potsdam mit einem Symposium an seinen 100. Geburtstag erinnerte, schienen bereits nach dem ersten Referat für einen Moment die alten Fronten wieder gezogen zu sein: Ihm habe in dem Vortrag das korporatistische Denken von Schoeps gefehlt, empörte sich der Historiker Richard Faber, und überhaupt habe der Referent nicht darauf hingewiesen, daß dieser auch mit einem „Vierten Reich“ geliebäugelt habe. „Es ist sehr ärgerlich, was Sie hier sagen“, entgegnete daraufhin Frank-Lothar Kroll und meinte, daß man die Ideen von Schoeps auch als Ausdruck seiner Zeit verstehen müsse – in der unmittelbaren Nachkriegszeit sei der Gedanke an das „Deutsche Reich“ noch bei vielen konservativen Wissenschaftlern präsent gewesen.

Kurz zuvor hatte Kroll, der in Chemnitz Europäische Geschichte lehrt, in einem fulminanten Vortrag den Lebensweg des nonkonformistischen Intellektuellen Schoeps nachgezeichnet: Als Sohn einer assimilierten jüdischen Familie 1909 in Berlin geboren, studierte er in den 1930er Jahren unter anderem Geschichte, Religionswissenschaft und Philosophie, arbeitete als Lehrer an einem jüdischen Gymnasium und flüchtete dann 1938 nach Schweden. Doch obwohl die Nationalsozialisten seine Eltern ermordeten, kehrte er bereits 1946 nach Deutschland zurück.

Denn Schoeps, der sich schon früh gegen den Zionismus ausgesprochen hatte, ja sogar seine Aufgabe darin sah, Juden und Christen zusammenzuführen, war zeitlebens ein echter Preuße: Die preußischen Tugenden, wie Pflichtbewußtsein, Ordnungssinn, Gerechtigkeit, Aufrichtigkeit und Bescheidenheit, waren ihm stets Maximen, samt der damit verbundenen Idee, welche die persönliche Freiheit als Verpflichtung „zum Dienst für die Gemeinschaft“ verstand. Der moderne Monarchist faßte dieses als Gegenbegriff zur individuellen Freiheit des Liberalismus auf – und als alternative Basis zum „verwestlichten“ deutschen Teilstaat der Nachkriegszeit. Es war auch das geistige Erbe der „Konservativen Revolution“, das Schoeps in den 1950er und 1960er Jahren propagierte und das er in die politische Wirklichkeit zu überführen versuchte: So etwa seine Überlegungen, den Elitegedanken zu erneuern und dies mit einem Mehrwahlstimmenrecht zu unterstreichen; so der Gedanke eines parlamentarischen Zweikammersystems mit Ober- und Unterhaus; und so auch sein Vorschlag, die Demokratie durch eine konstitutionelle Monarchie zu stärken.

Doch all das war unzeitgemäß in der alten Bundesrepublik. Schoeps’ Versuch, seine Vorstellungen eines preußischen und deutschen Weges mit seiner 1969 gegründeten Partei „Konservative Sammlung“ umzusetzen, scheiterte dann aber schon 1970. Zehn Jahre später verstarb der Historiker in Erlangen.

„Es ist wichtig, daß dieses Symposium abgehalten wird“, sagte Kroll zu Beginn seiner Ausführungen, „möglicherweise erinnert sich in 20 Jahren niemand mehr an Schoeps.“ Doch scheint es, daß sich in diesem Fall der ansonsten brillante Gelehrte geirrt hat. Denn die Vorträge im Alten Rathaus von Potsdam verfolgten nicht nur gestandene Experten interessiert. Unter den Zuhörern waren auch viele jüngere Freunde Preußens.  

Michael Böhm


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