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15.11.08 / Noch arbeitet die Große Koalition / Bundestagswahlkampf 2009 wirft Schatten voraus – Union und SPD einig über Erbschaftsteuer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-08 vom 15. November 2008

Noch arbeitet die Große Koalition
Bundestagswahlkampf 2009 wirft Schatten voraus – Union und SPD einig über Erbschaftsteuer

Mit dem Erbschaftsteuer-Kompromiß hat die Große Koalition trotz herannahender Wahltermine Handlungsfähigkeit bewiesen. Weitere Entscheidungen der Bundesregierung, etwa in der Föderalismusreform, sind aber schwierig, denn die SPD steht weiter unter enormem Druck.

Horst Seehofer hat binnen weniger Tage die CDU im Bund hinter sich gebracht und damit etwas für Bayern herausgeholt – immer wichtig für das Renommee an den Stammtischen. Und besonders wichtig, da der neue Ministerpräsident mit seiner Kabinettsbildung manche in der CSU vergrätzt hatte. Die Erbschaftssteuer aber ist für die CSU ein wichtiges Thema, weil sie in Bayern an einem empfindlichen Nerv rührt: Nirgendwo in der Bundesrepublik sind die Immobilienpreise höher als im Süden Bayerns und Baden-Württembergs. In diesen Ländern ist die Wirtschaft zugleich besonders mittelständisch geprägt. Nirgendwo sonst könnte der Fiskus Familien, Mittelstand und Landwirtschaft so massiv schröpfen wie hier – aber damit auch Wirtschaftsleistung und Arbeitsplätze gefährden. Die Erbschaftsteuer wird dabei von vielen als besonders ungerecht und durch ihren hohen Verwaltungsaufwand auch als ungeeignet empfunden.

Doch auch die neue Regelung, die Hausbesitzer und Betriebsinhaber stärker schont, hat ihre Tücken: In Zeiten der globalen Wirtschaftskrise ist die Gefahr groß, daß auch ererbte Firmen Stellen abbauen müssen. Dann schlägt die Steuer genau in jenem Moment zu, in dem die Firma ohnehin um ihre Existenz kämpft. Und bei der Steuerbemessung muß der Firmenbesitz taxiert, vermessen und dokumentiert werden – ein Einfallstor für neue Bürokratie.

Am saubersten wäre es gewesen, hätte man die Entscheidung über diese Steuer, die den Ländern zusteht, auf die Ebene der Länder verlegt. Die Union will das anstreben, wenn sich nach der Bundestagswahl eine Koalition mit der FDP ergibt – das hat CSU-Landesgruppenchef Ramsauer bereits angekündigt. So aber hat wieder mal der Bund eine Ländersteuer geregelt und damit erneut gegen wichtige bundesstaatliche Grundprinzipien verstoßen.

Das öffnet den Blick auf eine weitere Großbaustelle der deutschen Politik, die Reform der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern, meist genannt „Föderalismusreform II“. Genau hier lag eine der großen Hoffnungen mit Blick auf die Große Koalition. Wer, wenn nicht Union und SPD zusammen, kann die nötigen Bündel an grundgesetzändernden Maßnahmen durchsetzen? Doch nun sieht es so aus, als könnte die FDP nach der anstehenden Hessenwahl im Januar eine Sperrminorität im Bundesrat erreichen. Ein dritter Verhandlungspartner säße mit am Tisch, alles würde noch komplizierter.

Die enorm wichtige Föderalismusreform II ist derzeit von den Agenden verschwunden, allenfalls hinter den Kulissen zerbrechen sich die Experten und Verhandler um CDU-Ministerpräsident Gün-ther Oettinger und SPD-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück noch die Köpfe. Doch zu voll ist derzeit die Pipeline vor lauter gigantischer Milliardenhilfen, Konjunktur- und Sicherungspaketen. Fraglich, ob nun ausgerechnet im beginnenden Bundestagswahlkampf etwas auf die Beine kommt.

Bei all den hektisch zusammengeschnürten Rettungspaketen und aufgespannten Schirmen ist das Ziel der Haushaltskonsolidierung in den Hintergrund gerückt. Deutschland wollte doch so wirtschaften, daß die künftigen Generationen nicht mit gewaltigen Schuldenbergen konfrontiert werden. Finanzminister Steinbrück hatte sich 2006, im Aufschwung, das wenig ehrgeizige Ziel gesteckt, bis 2011 den Haushalt auszugleichen. Dazu wollte er vor allem Steuern erhöhen und Steuerbefreiungen abbauen. Beim Senken von Ausgaben war er bei weitem nicht so ehrgeizig, im Gegenteil: Sie wuchsen munter weiter, ein ausgeglichener Haushalt wird nicht mehr vor 2013 erwartet.

Zu neuen Kompromissen – auch wenn sie nicht mit Einschnitten verbunden sind – wird die SPD um so weniger bereit sein, als das prognostizierte Waterloo bei den Neuwahlen am 18. Januar in Hessen sie acht Monate vor den Bundestagswahlen in die Tiefe reißen dürfte. Das abermalige, selbstverschuldete Scheitern Andrea Ypsilantis vor wenigen Tagen fällt auch auf die Bundes-SPD zurück. Beobachter staunen ohnehin, wie Ypsilanti die einst stolze Hessen-SPD zum kollektiven Wortbruch zwang und zu einem Abnickverein für ihre persönlichen Machtgelüste degradiert hat, wie geradezu totalitär Landesverband und Fraktion nun die vier „Abweichler“ verfolgen und aus der Partei mobben – Interviews mit der „Welt“ und der „FAZ“ mußten konspirativ an geheimen Orten stattfinden –, und wie uneinsichtig die Partei nun, nach dem GAU, die fatale Linkspartei-Kehrtwende insofern zum System erhebt, als sie nun sogar ganz offen eine Koalition mit den SED-Nachfolgern anstrebt. Die Hessen-SPD, die zu Jahresanfang 37 Prozent schaffte, kann derzeit mit gerade 27 Prozent der Stimmen rechnen.

Alles andere als glaubwürdig ist dabei die Reaktion der Bundes-SPD: Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier ist innenpolitisch völlig abgetaucht, um sich die Hände nicht dreckig zu machen. Und Franz Müntefering hat eine Kehrtwende vollzogen. Er verurteilt nicht mehr die Zusammenarbeit mit der SED-Nachfolgepartei in Westländern, sondern nur noch Versprechen, dies nicht zu tun, mit anschließendem Wortbruch sowie ungeordnete Tolerierungen statt förmlicher Koalitionen. Die Frage drängt sich auf, wie lange der SPD-Vorsitzende dann noch eine Zusammenarbeit mit der Linken auf Bundesebene ausschließen will.          Anton Heinrich

Foto: Die Union berät ihr Vorgehen: Die Erbschaftsteuer ist „durch“, weitere Aufgaben stehen an.


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