19.04.2024

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15.11.08 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-08 vom 15. November 2008

Vom armen Schäfer Simpel / Wie Ypsilanti trotzdem an der Macht blieb, worüber wir im Januar lachen, und warum  Obama sich schon umgezogen hat
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Die „Frankfurter Allgemeine“ hat einen besonders scharfen Blick geworfen auf die Gorleben-Blockierer und dabei etwas Interessantes herausgefunden. Die Protestierer haben bekanntlich Gleise unterhöhlt und sind auf den Atommülltransportern wie toll herumgehüpft. Daraus schließt das Blatt: Niemand ist in Wahrheit stärker von der Sicherheit solcher Transporte überzeugt als die Krakeeler in den Wäldern des Wendlandes. Denn wer würde schon einen Atommüllzug absichtlich zur Entgleisung bringen wollen, wenn er an dessen Unfallresistenz die geringsten Zweifel hegte? Wer würde auf dem Behälter herumturnen, wenn er wirklich fürchtete, daß von dem Vehikel eine auch nur annähernd gefährliche Strahlendosis ausginge?

Was also wollen Typen von diesem Schlag wirklich erreichen?  Auch da hilft der Blick auf Gorleben: Es waren alte Bekannte, die da die lauten Töne angaben. Die waren schon in Köln im September, als es gegen ein Häuflein Moscheegegner ging, sie sind alljährlich im Mai in Berlin und eigentlich überall, wo es Andersdenkende zu schlagen oder Polizisten zu verprügeln gilt.

Es geht ihnen nicht ums Atom sondern um ganz andere Gefahrenherde. Um die Demokratie etwa, weil dort des öfteren die Falschen die Mehrheit haben. Um die Strahlungen der Freiheit, die ständig unerwünschte Denkfrequenzen aussendet. Um den „Rechtsstaat“, der Falschdenkern die gleichen Grundrechte einräumt und sogar Rechtsstehende zu Menschen erklärt, deren Würde unantastbar sei. All das schützen gemeinhin  staatliche Organe wie die Polizei (mit mehr oder weniger Einsatz, siehe Köln), und dafür soll sie büßen.

Überhaupt Freiheit. Ein unberechenbares Gebräu, das selbst intensiv zurechtgeschüchterte Gefolgsleute über Nacht mit dem Virus des eigenen Gewissens infizieren kann. In Hessen hatten wir das ja gerade, und die Schockwellen der Gewissensinfektion wabern weiter durch die hessische SPD. „Hinterlistiges Schwein“, „Verräter“, „Judas“ sind nur einige der Kosenamen, mit denen Parteifreunde die vier Abweichler belegt haben. Die erste und lange Zeit einzige Linkspartei-Gegnerin, Dagmar Metzger, war bereits als „schmutziger Parasit“ identifiziert worden.

Wer die Flurfunkreportagen aus der hessischen SPD liest, stellt sich vor, daß da eine Atmosphäre herrschen muß wie einst im legendären Moskauer Hotel „Lux“, nur ohne NKWD-Limousinen vor der Tür. Im „Lux“ waren in den 30er Jahren deutsche Kommunisten untergebracht, die sich vor Hitler in die Arme von Stalin geflüchtet hatten, wo auf etliche von ihnen ebenfalls Lager und Tod warteten – allerdings ein klassenbewußter Tod im Lager des Proletariats, immerhin.

Dort im „Lux“ bespitzelten und denunzierten sich die deutschen Genossen gegenseitig nach Kräften und lieferten dem Sowjet-Geheimdienst beständig neues Gulagfutter. Es gibt reichlich Literatur über jene düsteren Tage. „Nur hinter verschlossenen Türen wurde gejammert ... Dann öffneten sie vorsichtig die Tür, überprüften, ob man sie bei diesem verräterischen Gespräch beobachtet hatte, und huschten unauffällig davon.“

Gruselig, nicht wahr? Aber nein, in diesem Textausschnitt ging es nicht ums „Lux“, so beschrieb der „Spiegel“ Anfang der Woche das Treiben in den Fluren der Hessen-SPD kurz vor der verpatzten Ypsilanti-Wahl, bei der  die SPD-Chefin von den Spätfolgen des Kommunismus zur Ministerpräsidentin gekürt werden sollte.

Eigentlich hätten wir ja erwartet, daß die Gescheiterte nun wie die böse Hexe des Ostens mit lautem Knall in einer rot-grünen Wolke verschwindet und nie wieder gesehen ward. Doch die Wirklichkeit ist viel abgefeimter als unsere kindliche Märchenphantasie. In der wahren Geschichte kam just im rechten Moment ein junger Schäfer Simpel des Wegs, der sich von der gerissenen Ypse beschwatzten ließ, an ihrer Statt in den Orkus zu springen.

Man hat ihn jetzt mehrfach im Fernsehen gesehen. Der 39jährige  kann sein Glück kaum glauben. So jung und schon Spitzenkandidat! Ob er die mitleidigen Blicke der anderen bemerkt? Egal, zu sagen hat er sowieso nichts, Ypsilanti bleibt Partei- und Fraktionschefin und schiebt ihm bei Bedarf die Zettel zu.

Im Januar wird er die Niederlage einräumen und seinen Parteifreunden danken, die ihn „in diesem schwierigen Wahlkampf so intensiv unterstützt“ hätten. Bestimmt wird er auch von der „Solidarität innerhalb der hessischen SPD“ schwärmen. Schon aus Taktgefühl werden wir unser Zwerchfell dann artig unter Kontrolle halten, abgemacht? Danach bestatten die Genossen den Schäfer Simpel auf der Deponie für abgelaufene Zählkandidaten, wo Frau Ypsi­lanti eine ergreifende Grabrede hält auf den tapferen kleinen Trompeter, der so mutig seine politische Karriere hingab, weshalb ihm der Dank der Partei für immer gewiß sei – an der Stelle wird uns unser Zwerchfell umbringen.

Die Niederlage der Hessen-SPD im Januar ist unausweichlich. Erstens hört sich Wortbruch auf hessisch auch nicht schöner an als in anderen Mundarten, und zweitens hat Ypsilanti  für einen richtigen Wahlkampf keine Zeit. Für sie heißt es Reinemachen in der Partei und die Guillotine ölen für die Dissidentenköpfe.

Alles und alle wird sie in den zwei Monaten gar nicht schaffen. Politische Aufräumarbeiten können sich hinziehen, manchmal über vier Jahre. Barack Obama weiß das und will am liebsten schon vor seinem offiziellen Amtsantritt am 20. Januar was wegschaffen. Dafür hat er so schnell es ging das Messiasgewand gegen den Realistenkittel getauscht. Er muß dringend los und die Versprechen wieder einsammeln, die er überall im Land verstreut hat.

Doch Obama hat viele Freunde, die ihm helfen. So lesen wir jetzt überall von dem gewaltigen Schuldenberg von zehn Billionen Dollar, die der böse Bush dem gelobten Nachfolger hinterlassen hat. Das wären derzeit 7,8 Billionen Euro. Bezogen auf die kleinere deutsche Einwohnerzahl entsprächen die rund zwei Billionen Euro Staatsschuld in Deutschland. Wo der epochemachende Unterschied liegt zwischen diesen zwei Billionen und den 1,5 Billionen Euro, welche Rot-Grün 2005 der derzeitigen Bundesregierung vererbte, das verschwindet im Schatten der riesigen Zahl.

Doch hier geht es ja nicht um Mathematik. Die zehn Billionen Dollar werden im Rhythmus der berstenden Wahlkampversprechen aus der Ecke geholt, um die Schuld politisch korrekt zuzuordnen.

Ohnehin kommen weitere Milliarden wegen der Wirtschaftskrise dazu, da sind sich alle einig. Schon hat Obama den Noch-Präsidenten Bush aufgefordert, der Autoindustrie unter die Arme zu greifen. Auch deutsche Kfz-Schmieden hätten jetzt gern Geld vom Steuerzahler. Wirtschaftsminister Michael Glos unterstützt die Fabrikanten wegen der enormen Bedeutung der Autobranche für die deutsche Wirtschaft.

Das ist gut zu wissen. Wer sich einen neuen Job sucht, sollte künftig darauf achten, daß die Branche auch enorme Bedeutung für die Gesamtwirtschaft besitzt. Dann kann er im Falle einer Krise damit rechnen, daß Leute in der Nachbarschaft seinen Arbeitsplatz mit ihren Steuergroschen zwangssichern müssen.

Besonders scharf auf deutsche Steuergelder ist übrigens Opel, die hiesige Tochter des amerikanischen GM-Konzerns. Selbstverständlich wird ausgeschlossen, daß auch nur ein einziger Cent, den der deutsche Fiskus Opel verschafft, anschließend eher der US-Muttergesellschaft zugute kommt. Selbstverständlich, selbstverständlich.

Andererseits könnte man den Eindruck gewinnen, daß manch ein Firmenlenker neben den Risiken längst auch die Chancen der bedrohlichen Krise entdeckt hat: So elegant wie heute kam man schon lange nicht mehr an das Geld anderer Leute.


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