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22.11.08 / Streit um Deportationen / Türkischer Verteidigungsminister heißt Vertreibungen gut

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-08 vom 22. November 2008

Streit um Deportationen
Türkischer Verteidigungsminister heißt Vertreibungen gut

Auf einer Feierstunde zum 70. Todestag von Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk hat der türkische Verteidigungsminister Mehmet Vecdi Gönül die rhetorische Frage gestellt, ob die Türkei heute derselbe Nationalstaat sein könnte, wenn es noch viele Griechen und Armenier im Land gäbe. Die Antwort lieferte das Mitglied der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP von Ministerpräsident Erdogan gleich selbst. Er bezeichnete den „Bevölkerungsaustausch“ zwischen Griechenland und der Türkei in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts als „sehr wichtigen Schritt“ beim Aufbau des türkischen Nationalstaates.

Die internationale Staatengemeinschaft wertet die Vertreibung der 1,5 Millionen Armenier zwischen 1915 und 1917 als Völkermord. Die Umsiedlung der Griechen 1922 ist ebenfalls höchst umstritten.

Das griechische Außenministerium reagierte empört: Gönuls Aussagen gingen auf „inakzeptable und gefährliche“ Geschichtsverfälschungen zurück, „die in der dunklen Vergangenheit hätten bleiben sollen“. Die armenische Gemeinde richtete einen Offenen Brief an Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan. Der Minister habe mit seinen Worten „Verbrechen gutgeheißen“.

Mit ihrem rigiden Umgang mit ethnischen und religiösen Minderheiten manövriert sich die Türkei wiederholt ins Licht der internationalen Öffentlichkeit. Anfang November demonstrieren in Ankara 50000 Aleviten für mehr Selbstbestimmung in religiösen Fragen, etwa für ein Ende des obligatorischen Religionsunterrichts für muslimische Grundschüler, bei dem nach ihrer Meinung lediglich sunnitische Glaubenssätze vermittelt werden. Es war die erste Großkundgebung dieser Religionsgemeinschaft in der Hauptstadt. Die zirka 15 Millionen türkischen Aleviten vertreten eine liberale Form des Islam, der von islamischen türkischen Geistlichen als Sekte abgelehnt wird.

Trotz immer wieder versicherter Reformzusagen gegenüber der EU-Kommission tritt die Türkei beim Thema Minderheiten auf der Stelle. Selbst der einem türkischen EU-Beitritt sonst so freundlich gesonnene EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn klingt verstimmt. Nach der Überwindung der innenpolitischen Krise gebe es für den „Stillstand bei wichtigen Reformen“ keine Entschuldigung mehr. Verärgert zeigte sich Rehn über Klagen türkischer Politiker, man sei mangels einer konkreten Beitrittszusage entmutigt: „Der Weg zu einer Mitgliedschaft führt nicht über Ausreden, sondern über konkrete Reformen in der Türkei.“

Der EU-Fortschrittsbericht mahnt vieles an. So dürfen in der Türkei nach wie vor keine nicht-muslimischen Geistlichen ausgebildet werden. Nach Übergriffen auf religiöse Minderheiten verlaufen Prozesse und Ermittlungen gegen die Täter schleppend. Dagegen läuft der Propagandaapparat Ankaras nach wie vor wie geschmiert, wenn es darum geht, ethnischen wie religiösen Minderheiten spalterische Absichten gegen die türkische Nation vorzuwerfen.

Selbst das neue Stiftungsgesetz, das nichtmuslimischen Religionsgemeinschaften eine Rechtskörperschaft ermöglicht, ist Stück-werk. Zwar existiert dazu seit September ein Durchführungserlaß, aber andere Probleme der Religionsgemeinschaften werden von dem neuen Gesetz gar nicht erst angesprochen. Dabei geht es vor allem um ihren enteigneten Besitz. Die damals vertriebenen Griechen und Armenier durften nur mitnehmen, was sie am Leibe trugen.    Mariano Albrecht


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