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22.11.08 / Kommerz oder Pietät

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-08 vom 22. November 2008

Kommerz oder Pietät
von Hinrich E. Bues

Eine menschliche Zivilisation zeichnet sich seit jeher auch dadurch aus, mit welcher Ehrfurcht sie mit ihren Toten umgeht. Schon früh haben sich Christen von ihrer heidnischen Umwelt durch ihren besonders sorgsamen Umgang mit Verstorbenen unterschieden. Sie ließen ihre Toten nicht verbrennen, sondern bestatteten den Leichnam in der Hoffnung auf die Auferstehung des Leibes und der Seele. Wer heute als Ziel seines Lebens die Ewigkeit hat, derer am morgigen „Ewigkeitssonntag“ in den Kirchen gedacht wird, dem kann es kaum „wurscht“ sein, was mit dem Leichnam passiert.

Der Tod gehört einer anderen Ordnung an, formuliert die Sozialwissenschaftlerin Erika Feyerabend. Daher sollten sich der Tod und ein Leichnam möglichst geschäftlichen Kategorien entziehen. Das ist allerdings kaum realisierbar. Für die umfassende „Verwertung“ einer Leiche spricht dabei – so wird natürlich immer argumentiert – der medizinische Nutzen. Grenzen zu einer Lifestyle-Medizin mit rein kosmetischen Anliegen lassen sich dabei kaum ziehen. Zudem drängen Märkte auf Wachstum, und Wissenschaftler neigen nicht zur Selbstbeschränkung. Spätestens wenn menschliche Transplantate mit einer in der Fabrik produzierten Pille gleichgesetzt werden, ist eine Grenze überschritten. Der alte Traum des Menschen von ewiger Jugend wird sich auch mit den neuen Möglichkeiten der Biomedizin nicht erfüllen lassen. Weiterhin wird jeder Mensch an Krankheiten leiden und sterben müssen. Erst in der Ewigkeit wird das aufgehoben sein.

Daher dürfte es auch weiter für viele selbstverständlich sein, daß ein Leichnam kein Ersatzteillager ist. Die Rechtssprechung kennt so genannte postmortale Persönlichkeitsrechte. „Der Schatten eines Menschen ist größer als der Körper“ hat der Philosoph Matthias Kettner einmal gesagt. Daher wird dem Leichnam Respekt bezeugt und die Störung der Totenruhe ist hierzulande strafbar. Dennoch machen sich die wenigsten über ihren eigenen Tod und den ihrer Angehörigen rechtzeitig Gedanken. So entsteht quasi ein Vakuum, in das nun geschäftstüchtige Firmen der Biomedizin mit dem Streben nach „Gewebespende“ hineinstoßen. Die Ahnungslosigkeit und die Trauersituation von Verstorbenen werden dabei schamlos ausgenützt.

Hier gilt es einer Doppelmoral und der mangelnden Information einen Riegel vorzuschieben. Es können nicht die einen zur altruistischen Spende aufgefordert werden, während die anderen hohe Gewinne machen.

Fast unlösbar erscheinen allerdings die Gewissenskonflikte der trauernden Hinterbliebenen zwischen Kommerz und Pietät. Daher sind die Lebenden zu klaren Meinungsäußerungen aufgefordert – sei es als deutlicher Widerspruch oder auch als eine Zustimmung zu einer Entnahme bestimmter Organe oder Gewebe.

Foto: Es sieht harmlos aus, doch der Hintergrund erinnert an Frankenstein. SpezialisierteFirmen verwerten Gewebe von Toten, um anderen Menschen zu helfen. Soweit es nur um Kosmetik geht, ist das ethisch kaum vertretbar.


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