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29.11.08 / Kampagne bis zum Schluß / Gegner des Berliner Stadtschlosses im letzten Gefecht – Entscheidung über Bauentwurf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-08 vom 29. November 2008

Kampagne bis zum Schluß
Gegner des Berliner Stadtschlosses im letzten Gefecht – Entscheidung über Bauentwurf

Das Berliner Stadtschloß soll als „Humboldtforum“ in seiner äußeren Gestalt wiedererstehen. So hat es der Bundestag 2002 beschlossen. Eine 15köpfige Jury hatte den Siegerentwurf zu küren. Bis zum Schluß aber versuchten gerade die Architekten in dem Gremium, den Wiederaufbau-Beschluß zu torpedieren.

Der Abriß des Berliner Stadtschlosses liegt 58 Jahre zurück, wenn an diesem Freitag über die Gestalt des Wiederaufbaus der früheren Hohenzollern-Residenz entschieden wird. 2002 beschloß der Bundestag, daß das Schloß wiederaufgebaut wird. Der Bund übernimmt fast alle Kosten, von insgesamt 552 Millionen Euro kommen 440 Millionen vom Bund. Berlin war seinerzeit mitten in der großen Finanzkrise und konnte nur 32 Millionen zusagen. Die fehlenden 80 Millionen will Wilhelm von Boddiens „Förderverein Berliner Schloß“ auftreiben.

Der  Aufbau an sich ist also längst beschlossene Sache. Doch wie soll das wichtigste Bauprojekt in Berlin seit dem neuen Hauptbahnhof aussehen? Mit Spannung wurde zuletzt die Entscheidung der 15köpfigen Jury erwartet, deren Beschluß zum Redaktionsschluß noch offenstand.

Viel zu entscheiden haben die acht Architekten und sieben Vertreter aus Politik und Gesellschaft allerdings nicht. Ihnen wurden sehr klare Vorgaben gemacht, was die Rekonstruktion wesentlicher Teile des Barock-Gebäudes angeht: Es wird an der Stelle stehen wie das alte Schloß. So ist ein Entwurf bereits vorher rausgeflogen, weil der Architekt einen Bauplan vorgelegt hatte, nach dem das Haus um 180 Grad gedreht und neu ausgerichtet werden sollte.

Äußerlich soll der Bau aussehen wie das alte Schloß. Drei von vier Fassaden werden im historischen Stil wiedererrichtet, so wollen es die Volksvertreter. Daß eine Seite modern gestaltet werden darf, war ein Zugeständnis an diejenigen, die sich eine neuzeitliche Architektur wünschen. Davon gibt es unter Architekten sehr viele. Sie stellen gerade in Berlin in Baulücken zwischen alte und inzwischen sanierte Gebäude mit Vorliebe modernistische „Zweckbauten“. Natürlich nicht aus Stahl und Beton, zum Beispiel aber aus Stein und Glas.

Viele moderne Architekten wollen sich selbst verwirklichen, indem sie etwas Neuartiges schaffen. Wer will schon nachbauen, was schon vor Jahrhunderten entworfen wurde?

Auch die Jury hätte sich sicherlich mehr eigene Gestaltungsmöglichkeiten gewünscht. Die meisten der acht Architekten sind in Wahrheit Gegner des exakten historischen Wiederaufbaus. Deswegen haben sie sich selbst kurz vor der Vorstellung noch einmal mit harter Kritik zu Wort gemeldet.

So schimpfte Gesine Weinmiller: „Wer als Architekt nicht für einen kompletten, modernen Neubau an dieser Stelle eintritt, verrät seinen Beruf.“ Die Berliner Architektin habe ohnehin nur mitgemacht, „um Schlimmeres zu verhindern“, gibt sie selbst zu erkennen Auch ihr Jury-Kollege Hans Günter Merz hält die Vorgaben für „zu eng gefaßt“. Und selbst der Jury-Vorsitzende Vittorio Lampugnani sagte dem „Spiegel“: „Ich bin ein Gegner der Behauptung, das alte Schloß sei das beste, was an dieser Stelle stehen kann.“

Diese Architekten und die anderen Schloßgegner führen eine Schlacht, die sie längst verloren haben. Der Beschluß des Bundestages gilt. Die harsche Kritik am Wiederaufbau des Schlosses war allerdings eingebettet in eine gut orchestrierte Medienkampagne. So druckte der „Tagesspiegel“ noch kurz vor dem Entscheid einen polemischen Bericht über das „Geisterschloß“, aus dem „nichts Gutes werden kann“.

Besonders hämisch hat sich der „Spiegel“ hervorgetan, der sich über die „Palast-Revolte“ der Jury-Architekten freute. Vor allem den Förderverein hat das Hamburger Nachrichtenmagazin auf dem Kieker. Ob Wilhelm von Boddien („seine Reputation ist nicht mehr die beste“, ätzte der „Spiegel“) und seine Freunde das Geld je zusammenkriegen? Sie hätten erst 17 von insgesamt 80 Millionen Euro auftreiben können.

Ein Berliner Schloßgegner hat laut dem Magazin der Anti-Schloß-Kampagne noch eins draufgesetzt und Boddien wegen Untreue angezeigt. Doch der Vorwurf erwies sich schnell als haltlos, die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen gleich wieder eingestellt. Und: Der Förderverein macht darauf aufmerksam, daß 17 Millionen kein so schlechtes Ergebnis seien. Schließlich würden die Bauarbeiten erst 2010 beginnen. Der Förderverein für den Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche hatte beim Baubeginn gerade mal anderthalb Millionen Euro zusammen. Und aus dieser Summe wurden am Ende über 30 Millionen. Die Erwartung: Wenn potentielle Spender nicht mehr nur einen schönen Plan, sondern eine reale Baustelle zu sehen bekommen, dann werden die Spenden erst richtig fließen, wie in Dresden. Der Wiederaufbau der Frauenkirche wurde zu einem Symbol für das vereinigte Deutschland.

So standen, trotz Architektenkritik und Medienkampagne bis in die letzten Tage, kurz vor dem Jury-Entscheid alle Zeichen auf Grün für das Schloß. Das haben auch führende Politiker wie der Berliner Kulturstaatssekretär André Schmitz oder Bauminister Wolfgang Tiefensee kurz vor dem Tag des Beschlusses auch noch einmal bekräftigt: Das Schloß kommt – und zwar mit seiner historischen Fassade.                  

Patrick O’Brian

Am 3. Dezember 2008 um 21 Uhr läuft auf 3sat eine Dokumentation über das Ergebnis des Architektenwettbewerbs Berliner Schloß und auch über die Aktivitäten des Fördervereins um Wilhelm von Boddien. Diese Dokumentation wird am 5. Dezember 2008 im ZDF wiederholt.

Foto: Fast verschwunden: Nur Reste des „Palastes der Republik“ ragen noch in den Himmel – im Hintergrund die Kuppel des Berliner Doms.


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