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29.11.08 / Ein Sender spielt Kalter Krieg / Rudolf Friedrich: »System gegen Heimatvertriebene« im Hessischen Rundfunk

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-08 vom 29. November 2008

Ein Sender spielt Kalter Krieg
Rudolf Friedrich: »System gegen Heimatvertriebene« im Hessischen Rundfunk

Zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik ist vieles noch nicht im Lot. Das wird auch an der wissenschaftlich verbrämten Polemik deutlich, mit der der Hessische Rundfunk die Sudetendeutschen nun wieder überzog.

Vom Hessischen Rundfunk haben die Vertriebenen seit Jahren nichts Gutes mehr zu erwarten. Trotz einer seit neun Jahren amtierenden CDU-Regierung, die den Vertriebenen in vielen Formen hilft, erweckt die Fernsehredaktion des HR den Eindruck, daß die 3,2 Millionen Sudetendeutschen in den Jahren 1945/46 letztlich zu Recht aus ihrer Heimat vertrieben wurden.

Diese Tendenz der Berichterstattung, die noch im Zeichen des Kalten Krieges steht und vielseitige Versöhungsanstrengungen junger Tschechen ignoriert, hat zuletzt sogar noch zugenommen. Die Ende September von der ARD bundesweit ausgestrahlte HR-Produktion „Die Sudetendeutschen und Hitler“ zeichnete nicht nur durch tendenziöse Weglassungen und schiefe Tatsachenbehauptungen ein völlig falsches Bild. Auch direkte Verfälschungen trugen zu der Schlußfolgerung bei, den Sudetendeutschen sei es in der Tschechoslowakei insgesamt gut gegangen und sie seien letztlich grundlos als begeisterte Nazis Hitler in die Arme gelaufen.

Bei den direkten Fälschungen verblüffte sachkundige Beobachter beispielsweise die These, bei den am 4. März 1919 mit Waffengewalt niedergeschlagenen Demonstrationen von Hunderttausenden Sudetendeutschen gegen die Annexion ihrer Heimat durch die Tschechoslowakei habe ein Deutscher zuerst geschossen, und im übrigen seien die Toten auf deutscher Seite (übrigens 54 an der Zahl, davon zwei sudetendeutsche Juden) auf „Querschläger“ zurückzuführen. Weder für das eine noch für das andere gibt es Hinweise, ja: Nicht einmal die kommunistische tschechoslowakische Propaganda hat so etwas behauptet. Die Theorie vom „Querschläger“ kann schon deswegen nicht stimmen, weil an diesem denkwürdigen Tag in sieben Städten gleichzeitig friedliche deutsche Demonstranten über den Haufen geschossen wurden. In Kaaden, wo es am schlimmsten war, wurden allein 22 Deutsche tot oder tödlich verwundet vom Platz getragen – mit Querschlägern ist das nicht zu „schaffen“.

„Es ist schon bemerkenswert, daß die Polemik des öffentlich finanzierten Hessischen Rundfunks gegen die Sudetendeutschen im Jahre 2008 in diesem Punkt inzwischen sogar die Propaganda des Husak-Regimes übertrifft“, staunt der US-amerikanische Historiker und Völkerrechtler Alfred de Za-yas über die intellektuellen und moralischen Probleme dieses Senders. Da die Vertreibung in den neuen Produktionen in der Tendenz gerechtfertigt würde, sei zu prüfen, ob der Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt sei. „Das deutsche Recht ist in diesem Punkt ziemlich streng, gerade im internationalen Vergleich“, erläutert de Zayas. „Es ist keine Lappalie, ein genozidisches Verbrechen wie die Vertreibung der Sudetendeutschen so abzuhandeln. In letztlich ähnlich gelagerten Fällen sind deutsche Gerichte mit Geld- und auch Haftstrafen nicht zimperlich“, empfiehlt der US-Jurist die Prüfung juristischer Schritte.

Dabei sei insbesondere zu klären, inwieweit sich der Sender mit der am Schluß des ersten Teils unkommentiert wiedergegebenen Aussage eines Tschechen, die Sudetendeutschen seien „Landesverräter“ gewesen, identifiziert habe. „Diese Aussage blamiert zunächst einmal denjenigen, der sie macht. Eine Gruppe von über drei Millionen Menschen kann gar nicht als Kollektiv eine so genau qualifizierte Straftat begehen.“ Es wäre von daher eine Pflicht der HR-Redaktion gewesen, diese „peinliche Bloßstellung“ des tschechischen Zeitzeugen zu unterlassen. „Aber so sorgfältige Erwägungen wurden dort wohl gar nicht angestellt, und auf den Gedanken, daß dieser Ausschnitt das tschechische Volk mehr beleidigen könnte als die sudetendeutsche Volksgruppe, ist offenbar niemand gekommen“, staunt de Zayas, der in seinem Buch „Die Nemesis von Potsdam“ ausführlich die Hintergründe des Münchner Abkommens beleuchtet, über die Zustände beim HR. Er hält es für möglich, daß manche von dessen Redakteuren tatsächlich der Meinung seien, Hunderttausende Sudetendeutsche hätten gemeinschaftlich etwas getan, was dem Landesverrat nahekommt.

Der Beauftragte des Landes Hessen für Heimatvertriebene und Spätaussiedler, Rudolf Fried-rich, hat wegen der drei Sendungen dem Intendanten des HR geschrieben: „Auch die dritte Sendung unter dem Titel ,Die Wahrheit über das Münchner Abkommen‘ zeigte deutlich, daß es dem Hessischen Rundfunk nicht wirklich um die geschichtliche Wahrheit geht.“ Wesentliche Darstellungen seien „einseitig, falsch und irreführend“, die Sudetendeutschen würden mit diesen Produktionen „pauschal verleumdet“. Friedrich glaubt angesichts der Wiederholungen nicht an einen Zufall: „Nach dieser erneuten Verunglimpfung kann man mit Sicherheit von einem ,System gegen Heimatvertriebene‘ im HR sprechen.“        Konrad Badenheuer

Foto: Ungesühntes Verbrechen: Vertreibung von Sudetendeutschen aus Falkenau, Herbst 1945

 

Zeitzeugen

Bernd Posselt – Der Europaabgeordnete und Sprecher der sudetendeutschen Volksgruppe reagiert mit Unverständnis auf die massive EU-Kritik des tschechischen Präsidenten Václav Klaus (siehe Kasten rechts). „Die Tschechen sind ein Volk in der Mitte Europas wie die Deutschen. Beiden geht es dann gut, wenn es Europa gutgeht“, so der 52jährige deutsche Präsident der bereits 1922 gegründeten Paneuropa-Union.

 

Rudolf Friedrich – Der gelernte Eisenbahner gehört zum „Urgestein“ der hessischen Politik. Fast 30 Jahre, von 1974 bis 2003, gehörte er dem hessischen Landtag an, seit 1999 ist er Landesbeauftrager für die Vertriebenen. Der 1936 im Egerland Geborene kritisiert die neuesten Beiträge des Hessischen Rundfunks über die Sudetendeutschen entschieden: „Die Vertreibung wird nur am Rande gestreift und nicht deutlich als Unrecht bezeichnet“, hält er HR-Intendant Helmut Reitze vor, dem er den Besuch der Ausstellung „Die Sudetendeutschen – eine Volksgruppe in Europa“ und die Lektüre des zugehörigen Kataloges empfiehlt.

 

Helmut Reitze – Der promovierte Volkswirt arbeitete schon während seines Studiums beim Hessischen Rundfunk. Bei ARD und ZDF war er ab 1981 in verschiedenen Positionen tätig, im Jahre 2002 wurde der heute 56jährige zum HR-Intendanten gewählt, wo er mit einem strikten Sparkurs den Sender umbaut. Die neuen Sendungen verteidigt Reitze bisher. Traurig für die Vertriebenen: Reitze gilt als eher CDU-nah, im Jahre 2001 unterlag er bei der Wahl des ZDF-Intendanten knapp gegen eine von der SPD unterstützte Kandidatin.

 

Reinhard Führer – „Es war ein schwieriger Weg. Doch heute können wir offen über die Geschichte sprechen und gemeinsam über die Zukunft nachdenken.“ Diese Überzeugung äußerte der Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK) beim Beginn der Einbettung von rund 5500 Kriegs- und Nachkriegstoten vor gut zwei Wochen in Eger. Reinhard Führer saß von 1975 bis 2001 für die CDU im Berliner Abgeordnetenhaus, dessen Präsident er zeitweise war. Heute ist der 1945 Geborene Geschäftsführer in einem Seniorenstift.


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