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29.11.08 / Wirtschaft ohne Zukunft / Russische Zeitung zeichnet kritisches Bild vom Stand der Reformen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-08 vom 29. November 2008

Wirtschaft ohne Zukunft
Russische Zeitung zeichnet kritisches Bild vom Stand der Reformen

Drei I“ – Institutionen, Innovationen, Investitionen – sollen seine Politik leiten, versprach Rußlands neuer Präsident Dmitrij Medwedew. Seither will er Nägel mit Köpfen machen. Er hat die Amtszeiten von Präsident und Parlament verlängert und ihre Kontrolle über die Exekutive verstärkt. Er will mit einer „Reservebank von Fachleuten“ Wirtschaft und Verwaltung einen Innovationsschub verpassen. Und er sucht Milliarden Rubel, um Rußland mit Investitionen aus seiner ökonomischen Dauerkrise zu erlösen. Doch spätestens daran wird der Reformer Medwedew scheitern.

„Rußland in der Globalpolitik“ (RGP) nennt sich die 2002 entstandene Fachzeitschrift, die Chefre-dakteur Fjodor Lukjanow zu einem hochkarätigen internationalen Forum für Außenpolitik gemacht hat. Russische und ausländische Autoren haben immer wieder den russischen Selbstbetrug analysiert, den Putin startete und Medwedew lustlos fortsetzt: Rußland muß wieder eine Großmacht werden, der „nostalgische Nationalismus“ der Russen nährt sich aus „Siegen“ der Vergangenheit – das internationale Prestige Rußlands ist in russischen Augen mit dem Prestige der eigenen Armee verbunden. Wenn Rußland erneut „Siege“ erringt, etwa im August im Kaukasus, und mit seinen Waffen weltweite Furcht schürt, beispielsweise mit dem angekündigten Raketensystem „Iskander“ im Königsberger Gebiet, dann ist die Welt für die meisten Russen in Ordnung.

Wie hohl dieses Waffengeklirr in Wahrheit ist, listete Ende November die „Nesawisimaja gazeta“ (Unabhängige Zeitung) in einem dramatischen Report auf: Rußlands Wirtschaft habe „keine Zukunft“, sein Maschinenpark sei „zu 50 bis 70 Prozent veraltet“ und die Finanzkrise habe „russischen Banken größere Verluste als westlichen“ gebracht. Die Führung sei ohne Konzept, Rußlands Finanzbedarf übersteige seine Möglichkeiten, seine Armee sei kaum mehr als ein Museum veralteter Wehrtechnik aus Sowjetzeiten.

Die Zeitung nennt schwindelerregende Zahlen zu akuten Wirtschaftsnöten: „Rund die Hälfte der russischen Ökonomie ist Schattenwirtschaft, was das Gesamtsteueraufkommen halbiert“; „die Korruption verschlingt alljährlich 400 Milliarden Dollar“.

Das spürt vor allem die Armee, deren miserablen Zustand Solschenizyn bereits 1998 in seinem Buch „Einstürzendes Rußland“ dokumentierte. Details nennt nun die „Unabhängige“: Die Armee, in den letzten Jahren auf gut eine Million Soldaten halbiert, verfügt über 15000 alte Panzer, von denen aber „9000 eine Generalüberholung brauchen“, und 1800 Kampfflugzeuge, davon „1200 flugunfähig“. Moderne Lenkwaffentechnik, Standard in der Nato, fehlt in Rußland völlig, wie überhaupt die Nato den Russen in allen Belangen „um das Dreifache überlegen“ sei.

Eine tickende Zeitbombe seien die Geschoß-, Bomben- und Minenbestände, „fast alle noch in der UdSSR produziert, mit längst abgelaufenem Verfallsdatum und nur mit größtem Risiko für Geschütze und Bedienung zu verwenden“. Neues Material könne man nicht produzieren, da die Fabriken „veraltet“, ihre Facharbeiter „auf Umschulung“ seien.         Wolf Oschlies


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