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29.11.08 / Warum Deflation uns arm macht / Die Spirale aus fallenden Preisen und Kaufzurückhaltung ist der Albtraum der Volkswirtschaftler

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-08 vom 29. November 2008

Warum Deflation uns arm macht
Die Spirale aus fallenden Preisen und Kaufzurückhaltung ist der Albtraum der Volkswirtschaftler

Inflation war gestern, „Deflation“ lautet das neue Schreckenswort der Volkswirte. Aber ist es nicht gut, wenn die Preise sinken? Im Gegenteil, sagen die Experten. Und was aktuell dazukommt: Nach der Deflation droht eine schlimme Inflationswelle, deren Grundlagen in den letzten Jahren gelegt wurden und gegenwärtig massiv verstärkt werden.

Inflation kennt und fürchtet jeder. Besonders den Deutschen sitzen die Zusammenbrüche ihrer Währung 1923 und 1948 noch heute im kollektiven Gedächtnis. Aber was ist eigentlich mit dem Gegenteil, der „Deflation“? Die Preise fallen statt zu steigen, die Kaufkraft des Geldes wächst statt zu schrumpfen. Wenn bei der Inflation die Sparguthaben dahinschwanden, was Millionen Deutsche arm machte, müßten sie dann durch eine Deflation nicht logischerweise reicher werden?

Die Volkswirtschaftler sagen nein, ja sie fürchten die Deflation sogar noch mehr als die Inflation. Ein konstruiertes Beispiel illustriert die verhängnisvolle Deflationsspirale: Der Wolfsburger Bäckermeister Wolfgang M. plant, sich einen neuen Wagen zu kaufen – Lokalpatriot, der er ist, natürlich einen Volkswagen. Seit einiger Zeit aber beobachtet M., daß die Autopreise nachgeben. Also schiebt er den Kauf auf, um später billiger zu kaufen.

Ein Problem ist das dann, wenn ein Großteil der Kaufinteressenten gleichzeitig so handelt, etwa weil sie wegen einer heraufziehende Krise ihre Ersparnisse zusammenhalten. Ergebnis: VW wird seine Wagen nicht los, muß Leute entlassen, Kurzarbeit verhängen. Die Betroffenen haben weniger Geld und kaufen ihre Brötchen nicht mehr im Fachgeschäft von Wolfgang M., sondern beim Discounter gegenüber. Nun gerät M. selbst in Schwierigkeiten und läßt den Autokauf erst einmal ganz sein. Ähnlich reagieren Hunderttausende andere auch, was die Lage bei VW weiter verdüstert. Der Teufelskreis schließt sich, Resultat ist ein allgemeiner Verlust von Einnahmen und Wohlstand. Häufig ist diese Konstellation nicht, doch Japan muß dergleichen seit den achtziger Jahren erleben, und weltweit war in den Jahren 1929 bis 1932 eine Deflation verbunden mit massiver Depression zu verzeichnen.

In eine ähnliche Situation, so die große Sorge der Ökonomen, könnte die globale Wirtschaft derzeit wieder schlittern. Erst verfielen Häuserpreise in den USA und einigen westeuropäischen Ländern, dann gingen Börsenkurse und Rohstoffpreise (Öl, Agrarprodukte, Industriemetalle etc.) in den Keller, und mittlerweile führt eine allgemeine Kaufzurückhaltung zu sinkenden Preisen in fast allen Bereichen.

Dabei müßten die jüngsten Maßnahmen von Notenbanken und Regierungen eigentlich eher zu Inflation führen, denn: Deflation wie Inflation haben ihren Ursprung letztlich in der Geldmenge. Wächst diese schneller als das Güterangebot, dann verfällt früher oder später der Geldwert, die Preise steigen. Bei sinkender Geldmenge im Verhältnis zur Menge der kaufbaren Güter steigt der reale Geldwert dementsprechend.

Auch hier ein konstruiertes Beispiel: Auf einer abgeschiedenen Insel gibt es genau zehn Millionen Inselmark an Geld. Damit kann man alles, was es auf der Insel zu kaufen gibt, erwerben. Nun kommt die Notenbank auf die Idee, alle reicher zu machen, indem sie weitere zehn Millionen druckt. Solange aber keine Waren und Dienstleistungen dazukommen, die man für das zusätzliche Geld kaufen könnte, wird einfach alles doppelt so teuer.

Dieser Effekt tritt jedenfalls langfristig ein; aber auch kurzfristig, wenn alle den langfristigen Effekt richtig vorhersehen und entsprechend vorwegnehmen. Genau das ist derzeit offenbar nicht der Fall: Notenbanken und Regierungen Hand in Hand fluten auf dem gesamten Globus die Märkte mit billionenschweren Hilfsprogrammen, Krediten, Bürgschaften und so weiter. Mittel- und langristig führt das unweigerlich zu höheren Preisen, um so mehr weil die Menge der kaufbaren Güter derzeit sogar schrumpft statt wächst (Rezession, auch „negatives Wachstum“ genannt).

Ergo müßte es zu um so stärkerer Inflation kommen. Daß dies, vorerst, nicht geschieht, liegt daran, daß das neue Geld kaum in Umlauf kommt: Aus Angst vor noch schlechteren Zeiten horten Banken, aber auch Unternehmen und Privatleute die Mittel, statt sie als Kredit, als Investition oder als Konsumausgabe in Umlauf zu bringen. So kommt es trotz gigantischer Geldspritzen zu einem Nachfrageinbruch, der die Preise fürs erste verfallen läßt.

Experten aber sind sich einig: Sobald die genannten Wirtschaftsakteure wieder Geld ausgeben, kann sich der Deflationstrend schnell in eine massive Inflation umkehren – ähnlich einem Tsunami, der damit beginnt, daß sich das Wasser zunächst zurückzieht. Dann nämlich würden all die Billionen, die derzeit zurückgehalten werden, auf dem Markt erscheinen. Und zwar, ohne daß ihnen ein entsprechend drastisch gesteigertes Güterangebot gegenüberstünde, Folge: Viel Geld macht „Jagd“ auf wenig Güter, die Preise steigen, der Geldwert rauscht in die Tiefe.

In einem, zwei aber spätestens drei Jahren sollte es soweit sein, warnen Experten. Dann müßten wir uns mit Inflationsraten herumschlagen, die den Schub von 2007 bei weitem in den Schatten stellen dürften.     Hans Heckel

Foto: Nur auf den ersten Blick paradiesisch: Rabatschlachten selbst vor Weihnachten


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