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29.11.08 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-08 vom 29. November 2008

Krisenkram / Was Merkel und Co. im Fernglas gesehen haben, wer alles im Kanzlernebel verschwindet, und wie Friedman den Simpel schredderte
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Wie lange die Krise wohl dauert? Keiner weiß es. Die Große Koalition hat mal in die Ferne gespäht auf der Suche nach dem rettenden Ufer. An ihren Maßnahmen zur Konjunkturbelebung können wir ablesen, was Merkel und Co. im Teleskop gesehen haben: nichts – kein Ufer, keine Rettung in Sicht.

Anders ist etwa die Sache mit den Handwerkerrechnungen nicht zu erklären: Bald sollen wir mehr davon steuerlich absetzen können. Mit dem erstatteten Geld sollen wir dann die Konjunktur ankurbeln. Aber wann? Wer seine Rechnungen für 2009 auf die  Steuer­erklärung setzt, bekommt ja frühestens Mitte 2010 die Erstattung vom Finanzamt.

Ähnlich „langfristig“ sind Steuerentlastungen anberaumt, die sollen erst 2010 kommen. Ergo geht Schwarz-Rot davon aus, daß wir dann immer noch bis zum Hals im Morast stecken, während die Regierung (welche dann auch immer) schwitzend an der Konsummaschine zerrt, die nicht anspringen will.

Der ganze Krisenkram paßt den Koalitionären sowieso nicht ins Konzept. 2009 sind sie mit was Wichtigerem befaßt als mit diesem Wirtschaftszeug. Man wollte sich gegenseitig mit allerlei Wahlkampfspielchen trietzen. Und vor allem: Es sollte was übrigbleiben für Versprechungen. Daher reagiert CDU-Chefin Merkel so genervt auf Steuersenkungsvorschläge, die sie gemäß ihrem eigenen Zeitplan als Präsentkorb für die Zeit nach der Wahl 2009 ins Schaufenster stellen wollte.

Die Regierenden sind aber erfahren genug, um zu wissen, daß man schon irgendetwas tun muß, und zwar schnell. Ihre Strategie war rasch gezimmert: Ein Bündel von lauter Hokuspokusnummern wie dem Aussetzen der Kfz-Steuer oder der Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags um Nullkommafastnichts soll dem Volk beweisen, wie emsig man am Krisenbewältigen und Bürgerentlasten sei.

Daß das (angesichts des Ausmaßes der Krise)  nicht mehr ist als der Versuch, die Spree mit einem Teelöffel zuzuschütten, weiß man selbstverständlich in Berlin. Und wird deswegen auch auf der anderen Seite aktiv. Es geht darum, die Folgen der Rezession wenigstens optisch wegzuzaubern. Der Plan: Arbeitslose, die sich nicht bei staatlichen Agenturen, sondern bei privaten Vermittlern in in Schlange der Verstoßenen gestellt haben, sollen schwuppdiwupp aus der Statistik fliegen, nach dem Motto: Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, legen wir einfach einen Deckel drauf und behaupten keck, wir hätten das Gör wohlbehalten nach Hause gebracht.

Probleme, die man nicht löst, läßt man eben verschwinden. Im Verschwindenlassen von Problemen ist Angela Merkel überhaupt eine Meisterin. Daß Nicolas Sarkozy ein Problem ist, weiß im Kanzleramt jeder. Aber man weiß dort auch, wie man der gallischen Herausforderungen Herr wird: Nicht brüsk abschmettern, nein, sanft im Phrasennebel versenken. Wie oft schon ist der kleine Franzose schwungvoll und elastisch aufs Podest gesprungen mit seinen faszinierenden Ideen. Doch jedesmal kam diese unmögliche Frau aus Berlin und lies alles im diplomatischen Dunst versinken.

So auch dieser Tage, als Sarkozy deutsche Haushaltsmittel für das Wohl „Europas“ abzweigen wollte. Merkel hatte eine böse Ahnung, was der Franzose mit Europa meinte: Frankreich nämlich. Also sagte sie einen ihrer Zaubersprüche zum Verschwindenlassen auf: Sie begrüße die Vorschläge des französischen Präsidenten ausdrücklich. Man sei übereingekommen, übereinzukommen, und darin bestehe völlige Einigkeit. Mehr könne zum gegenwärtigen Zeitpunkt leider nicht gesagt werden, Rhabarber, danke für Ihre Aufmerksamkeit. Und weg war er, der arme Sarko.

Durch die dicken Schwaden der Kanzlerin tastet sich auch Vize­merkel Steinmeier. Immer wieder will er ans Licht, was ihm einfach nicht gelingen will. Dabei ist er verzweifelt auf der Suche nach öffentlich sichtbarem „Profil“ für den kommenden Wahlkampf. Seine bisherigen Verrenkungen en­deten indes kläglich. Manchmal versucht er sogar, zu poltern wie der alte Schröder. Dann wirkt er wie eine brave Milchkuh, die mit Plastik­hörnern vom Faschingsverleih auf Stier macht. Jeder merkt die Maskerade und kichert.

Manche der im Kanzlernebel Verlorenen packt angesichts ihrer Unsichtbarkeit regelrechte Panik. Michael Glos wachte letzte Woche schweißgebadet auf bei dem fürchterlichen Gedanken, die Wirtschaftskrise könnte vorbei sein, ehe daß er, der Wirtschaftsminister, auch nur einmal in Erscheinung getreten wäre. Schimpfend wie ein Rohrspatz hüpfte er daraufhin aus dem Nebel der Kanzlerin vor die Mikros und forderte wütend seinen eigenen Platz im ökonomischen Desaster. Glosens „Hallo, ich bin auch noch da! Warum redet keiner mit mir?“ hat ihm bestimmt viel „Profil“ eingebracht, und zwar das eines ... wie soll man sagen? ... muß ja nicht sein.

Andererseits ist die Klage von Glos und den anderen, sie kämen zu wenig ins Licht, auch ein bißchen wohlfeil. Es gibt Leute, die könnten dem Schick­sal dankbar sein, wenn sie nie vom Volk gesehen worden wären.

Vom armen Schäfer Simpel aus Hessen hatten wir ja schon erzählt. Nun hat sich der ahnungslose Ersatz-Ypse ins Stahlbad von TV-Interviewer Michel Friedman gelegt, der ihn grausam geschreddert hat. Unter Friedmans Säbelhieben stammelte sich Schäfer Simpel um die letzten Reste seiner geliehenen Reputation und war am Ende so am Ende, daß der TV-Hai seine ultimative Falle aufstellen konnte. Friedman: „Herr Schäfer-Gümbel: Wieviel ist acht mal vier?“ Schäfer-Gümbel: „Oh, da haben Sie mich jetzt aber kalt erwischt!“ Was hätte der arme Simpel dafür gegeben, in diesem Moment unsichtbar zu sein.

Wir wissen nicht, wer alles bei der Hinrichtung des SPD-Kandidaten zugeschaut hat. Einen Wolfgang Clement könnte die Szene jedoch zum finalen Nachdenken bewogen haben: Leute dieses Schlages richten also über mich in Schiedskommissionen und entscheiden huldvollst, mich mit einer Rüge davonkommen zu lassen? Na, danke auch. Zudem: Wie lange hätte seine Gnadenmitgliedschaft in der SPD wohl gehalten? Im Januar wählen die belogenen Hessen neu. Gerade Clements Widersacher hätten sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen und den armen Ex-Minister mit der Forderung nach einer Loyalitätserklärung für die Ypsilanten durch alle Gremien und Medien gehetzt.

Ach, diese Wahlen, diese Wahlen. Das wird noch eine ganz schön nervöse Tour 2009. Um ein bißchen Krisenkost zum Naschen wird Berlin kaum herumkommen. Eine der zahllosen Ideen, um Aktivität zu simulieren, quoll aus den Ritzen des Finanzministeriums in die Redaktion des „Handelsblattes“. Konsumgutscheine sollten verteilt werden, über 500 Euro pro Nase, damit wir einkaufen gehen.

Das ist viel besser als Steuererleichterungen, von denen ja  nur die verhaßten „Leistungsträger“ profitieren würden. Und auch geschickter als direkte Geldgeschenke, die auf dem Konto landen könnten.

Und haben wir uns nicht immer danach gesehnt, nach dem Leben mit staatlich kontrollierten Bezugsscheinen? Selbstredend müssen die Konsummarken modernsten Regeln von Umwelt- und Klimaschutz und gesunder Ernährung entsprechen. Sonst kaufen die unvernünftigen Bürger noch irgendwelchen Kram, der gar nicht gut für sie ist!

Der Traum sozialistischer Gesellschaftslenker und Volkspädagogen würde wahr: Die Ministerialen und Parteifunktionäre bestimmen nicht bloß, wieviel jeder einkaufen kann. Sie können sogar steuern, was wir uns aus dem Laden holen. Mit den biologisch abbaubaren Tüten in der Hand, vollgestopft mit Nachhaltigkeit, treten wir dann stolz vor die Kameras und freuen uns, daß wir als mündige Bürger unserer Zivilgesellschaft endlich ernstgenommen werden.


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