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06.12.08 / Schinkel-Fassade kommt / Humboldt-Forum: Jury entschied sich für klassischen Entwurf – Schloßgegner proben Aufstand

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-08 vom 06. Dezember 2008

Schinkel-Fassade kommt
Humboldt-Forum: Jury entschied sich für klassischen Entwurf – Schloßgegner proben Aufstand

Der Italiener Franco Stella hat sich mit seinem Entwurf gegen renommierte Architektenbüros durchgesetzt. Kritiker werfen ihm vor, daß sein Entwurf zu mutlos und konservativ sei.

Franco Stella wird wohl genauso überrascht gewesen sein wie die deutsche Fachwelt: Der Architekt aus dem italienischen Vicenza wird das Berliner Stadtschloß wieder aufbauen und damit nicht nur sein bisher größtes Bauprojekt verwirklichen, sondern zugleich in die Annalen der Hauptstadt eingehen. Gegen 29 Mitbewerber hat er sich durchgesetzt, was wohl nur deshalb möglich war, weil der Architektenwettbewerb anonym ablief. Bekannte Namen wie die der Architektenbüros Kleihues oder Kollhoff hatten das Nachsehen. In einer kurzen Bauzeit sollen nun die Formen des früheren Stadtschlosses wieder entstehen und bereits 2013 – dann als Humboldt-Forum – Blickfang im Herzen Berlins sein. Museum, Bibliothek und Veranstaltungsort wird das Forum in direkter Nachbarschaft zum Dom und zur Museumsinsel, die die Unesco zum Weltkulturerbe erklärt hat.  

562 Millionen Euro hat der Bundestag für das Projekt genehmigt, das die Berliner Gemüter in den vergangenen Jahren wie kaum ein anderes bewegt hat. Als die Entscheidung für Franco Stella fiel, mußten noch die letzten Reste eines Treppenhauses abgerissen werden, das zum „Palast der Republik“ gehörte, den die DDR-Regierung von 1975 bis 1976 hatte bauen lassen. Den Platz für den „Palazzo Protzo“, wie er im Volksmund genannt wurde, hatten die Kommunisten der SED nicht von ungefähr gewählt. Schließlich hatte hier das Stadtschloß der preußischen Könige und dann der deutschen Kaiser gestanden – und wird es auch wieder stehen.

Natürlich gibt es auch Kritik, namentlich von denen, die dem Palast der Republik auf alle Zeiten nachtrauern werden. Und auch der frühere Präsident der Bundesarchitektenkammer, Peter Conradi, kritisiert den Entwurf. Er hätte sich mehr zeitgenössische Formen gewünscht. Conradi unterstellt jedoch nicht dem Architekten Ideenlosigkeit, sondern dem Bund als Auftraggeber. „Wer ein Spiegelei bestellt, kriegt ein Spiegelei, also – das ist in Ordnung.“ Der ehemalige SPD-Abgeordnete ist ein bekennender Schloßgegner. „Ich frage mich einfach, ob in unserer Zeit der Nachbau eines Preußen-Schlosses nun wirklich Teil der Berliner Identität ist“, sagte er Anfang der Woche in einem Interview. „Wenn die Berliner das wollen, ist das in Ordnung, dann sollen die das auch bezahlen. Aber daß der Bund das bezahlen soll, das wundert mich nun sehr, denn für Deutschland ist Preußen halten zu Gnaden, also – Preußen ist zugrunde gegangen, Gott sei Dank, und wir in Süddeutschland und die Rheinländer und viele andere, wir sind froh, daß es Preußen nicht mehr gibt.“

Und noch weitere Kritiker melden sich zu Wort. Der Berliner Architekt Philipp Oswalt unterstellt dem Siegerentwurf, daß er die „Geschichtlichkeit des Ortes“ nicht genügend widerspiegle. „Der Baukörper wird zum Solitär, der sich autistisch gegenüber seinem Kontext verhält.“

Andere klagen, daß der Baubeginn nicht eingehalten werden könne und eine Riesenhalle für die Boote und Häuser der ethnologischen Sammlungen fehle. 

Wilhelm von Boddien, der Gründer des „Fördervereins Berliner Stadtschloß“, setzte sich vehement für die Rekonstruktion der barocken Schloßfassaden ein. Er ist von dem Entwurf begeistert. Die Forderungen nach historischer Fassade und Kuppel sowie dem originalen Schlüterhof seien erfüllt und ergänzt worden durch eine italienisch leichte, zurückhaltend gestaltete Ostfassade. Ihm ist es wohl in erster Linie zu verdanken, daß diese historischen Vorgaben aufgegriffen wurden – und nun weitgehend umgesetzt werden. Sehr zum Leidwesen der immer noch vielen ehemaligen SED-Kader in der Stadt, die der Bevölkerung im Ostteil Berlins weismachen wollte, nun habe man ihr mit dem DDR-Palast auch noch das letzte Stückchen Identität geraubt. Schließlich sei der Palast ja auch Treffpunkt der Bevölkerung gewesen. Da erstaunt es auch wenig, daß der rot-rote Senat sich bei der künftigen Nutzung des Humboldt-Forums nun zurückhielt. Gerade einmal die Bibliothek des Landes will er dort unterbringen.  

Stellas Entwurf, der neben der Rekonstruktion des einstigen „Schlüterhofes“ neue markante Raumbildungen vorsieht, dazu Säulenhalle, Säulengang, viel Glas  und eine offene Loggia als Ostfassade, findet nicht nur in den Kreisen der alles entscheidenden, weil Geld gebenden Bundespolitik ungeteilten Beifall. Das Humboldt-Forum wird nicht nur bloßer Wiederaufbau des Schlosses, sondern erhält eine eigene Identität, die die Historie dieses Ortes fortsetzt.

In dieser Woche fallen nun die letzten Reste des einstigen SED-Renommier-Objektes. Die riesige Fläche an der Spree wird dann erst einmal begrünt, bevor dort Neues entsteht. Die Berliner werden das Humboldt-Forum annehmen und die Millionen Touristen, die die Stadt jedes Jahr besuchen, ohnehin. Denjenigen, die sich über „Erichs Lampenladen“, wie der Palast der Republik auch bezeichnet wurde, definieren, bleibt dann nur die Möglichkeit, dies über Geschirr aus dem Palast zu tun. Und das wird auf den Berliner Flohmärkten angeboten.       Volker Koop / Bel

Foto: Der Gewinnerentwurf: Franco Stella (l.) darf mit dem Wiederaufbau des Stadtschlosses sein bisher größtes Projekt verwirklichen.


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