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06.12.08 / Einigung durch Kontroverse / Barack Obama setzt bei seiner Regierungsmannschaft auf das

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-08 vom 06. Dezember 2008

Einigung durch Kontroverse
Barack Obama setzt bei seiner Regierungsmannschaft auf das von ihm stets kritisierte Establishment

Ein Republikaner, mehrere Bush-Berater und seine einstige Konkurrentin – der demokratische US-Präsident wählt sein Personal vor allem nach ihren Fähigkeiten aus. Während die Welt von einer Panik in die andere gleitet – neben der globalen Wirtschaftskrise nun mit den Ereignissen in Bombay auch noch eine neue Eskalation des Terrorismus –, behält der Mann, von dem alle eine Lösung der Probleme erwarten, einen kühlen Kopf. Barack Obama arbeitet derzeit intensiv an der Zusammenstellung seiner Regierungsmannschaft fürs Weiße Haus, für das Kabinett und seinen Beraterstab. Selbstbewußt begann er, die absolut besten Spezialisten für jeden Bereich seiner Regierungstätigkeit zu suchen. Eine Crew, der er trauen und die ihm helfen kann, als Kapitän sein Schiff durch die gefährlichen Wasser zu steuern, die die heutige Politik ausmachen. Die Tatsache, daß er dabei keine Vetternwirtschaft betreibt, keine Pöstchen vergibt aus Dankbarkeit und daß er weder auf Rasse, Geschlecht, Alter noch Partei blickt, sondern stur auf Kompetenz, hat bereits jetzt zu einem interessanten, völlig bunten Team geführt und für großes Vertrauen in der amerikanischen Bevölkerung gesorgt. Die meisten kommen wie Obama von den US-Elite-Universitäten des Landes. („Oh, daß wieder Intelligenz einzieht ins Weiße Haus“, jubelte Fernseh-Satiriker Bill Maher.)

Seit Montag ist es offiziell: Hillary Rodham Clinton wird US-Außenministerin. Damit hat Oba-ma das Kriegsbeil der erbitterten Wahlschlacht begraben. Unkenrufe, die Clintons könnten zu mächtig für ihn werden, hat er souverän beiseite gefegt, die Ex-Konkurrentin mit ihrer Niederlage versöhnt und mit ihrer fähigen und vertrauten Persönlichkeit sowohl in Amerika wie im Ausland einen Coup gelandet. Ebenso wohlerwogen war die Entscheidung, den bisherigen, allseits geschätzten republikanischen Verteidigungsminister Robert Gates zunächst im Pentagon zu behalten. Gates, Nachfolger des Falken Rumsfeld (seit 2006), hat sich durch unabhängige Ansichten wie die Kritik an der Handhabung des Irakkriegs den Respekt auch der Demokraten erworben. Er befürwortet wie Obama eine Konzentration auf Afghanistan. In puncto Raketenabwehrsystem in Polen und der Tschechischen Republik differiert er von seinem zukünftigen Chef. Man erwartet, daß Oba-ma diese Pläne eher abschwächt, um die Beziehungen zu den Russen zu kitten.

Dritter im Triumvirat von Amerikas zukünftiger Außen- und Verteidigungspolitik ist der neue Sicherheitsberater General der Marines im Ruhestand James Jones (64). Früher einer der oberen Befehlshaber der Nato und sehr beliebt bei seinen Truppen, ist er ebenfalls eine international respektierte Persönlichkeit und scharfer Kritiker des Irakkrieges. General Jones wurde 2006 von Präsident Bush beauftragt, die chaotischen Sicherheitskräfte der Palästinenser zu ordnen und zu stärken. Sein Bericht über das Verhalten der Israelis als Besatzungsmacht, der nie an die breite Öffentlichkeit gelangte, war so kritisch, daß er einen Sturm der Entrüstung in Tel Aviv auslöste.

Indirekt verbunden mit diesen Dreien ist Janet Napolitano als Chefin des von Bush nach dem 11. September 2001 geschaffenen „Department for Homeland Security“. Sie ist verantwortlich für Immigration, Katastrophen-Einsätze, Terrorismus und innere Sicherheit. Die noch amtierende Gouverneurin von Arizona, deren Staat die längste Grenze mit Mexiko hat, gilt als energisch, was die Sicherung der Grenzen gegen illegale Einwanderung betrifft, doch als offen hinsichtlich der – oftmals ebenfalls illegalen – dringend benötigten Gastarbeiter, vor allem in Landwirtschaft und Gastgewerbe.

Ein Zentralthema seiner Wahlstrategie, die mehr als dringende Krankenversicherungsreform für 46 Millionen nicht versicherte US-Amerikaner, will Obama mit Hilfe des früheren Mehrheits-Sprechers der Demokraten im Senat und Experten Tom Daschle lösen. Daschle gilt als Meister der Legislative. 

Ein weiterer Gouverneur, New Mexikos Bill Richardson, soll das Handelsministerium übernehmen. Richardson, mexikanischer Herkunft, wäre der erste Latino-Minister in Obamas Kabinett. 

Vorrang vor allem anderem hat für Obama jedoch die Wirtschaft. Dort machte sein krisenbewußtes Handeln sich sofort bemerkbar. Die schnelle Ernennung von Timothy F. Geithner zum Finanzminister ließ den in den Keller gestürzten Dow Jones wie andere Aktienbarometer an der Wallstreet in ein paar Stunden um über 500 Punkte hochschnellen. Geithner (47) ist der Präsident der Federal Reserve Bank in New York und Mitglied der „Group of Thirty“ (Gruppe der 30), eines internationalen finanziellen Berater-Teams mit Sitz in Washington, das das tiefere Verständnis der Zusammenhänge internationaler ökonomischer und finanzieller Entwicklungen verfolgt. Er hat unter drei Präsidenten im Finanzministerium gearbeitet und war unter Clinton führend an der Lösung verschiedener globaler Finanzkrisen beteiligt.

Klugerweise hatte Obama seine allererste Entscheidung mit der Wahl seines Stabschefs im Weißen Haus, Rahm Emanuel, getroffen. Damit vermied er einen Fehler von Clinton, der zuerst chaotisch sein Kabinett zusammensuchte und dann in Bedrängnis mit der Wahl des Personals im Weißen Haus geriet. Emmanuel gilt als dynamischer und charismatischer Mann mit besten Beziehungen in Wa-shington zu beiden Parteien. Er ist Mitglied des Repräsentantenhauses seit 2003.

Auf die Frage, warum er bisher nicht mehr unbekannte Gesichter statt altbekannter Washington-Figuren gewählt hat, nachdem er das Washington Establishment so scharf angegriffen hatte, sagt Obama: „Begabte, noch unerprobte Menschen müssen hineinwachsen in so verantwortungsvolle Posten wie die Führung des Landes. Wir haben umzugehen mit extremen aktuellen Krisen in der Welt. Da wird man doch nicht von mir erwarten, daß ich talentierte, doch unerprobte Menschen mit entscheidenden Aufgaben betraue. Ich habe nach meiner persönlichen Ansicht die Besten gewählt, die ich finden konnte. Auf ihrem Gebiet erprobte Leute, die mich auch mit kontroversen Ansichten herausfordern können. Die Vision meiner Politik habe ich selbst, und die Richtung bestimme ich. Aber ich will die fähigsten Berater anhören, ehe ich mich entscheide.“             Liselotte Millauer       

Foto: Kriegsbeil begraben: Barack Obama mit seiner Außenministerin Hilary  Clinton


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