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06.12.08 / Friede ist keine Selbstverständlichkeit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-08 vom 06. Dezember 2008

»Auf ein Wort«
Friede ist keine Selbstverständlichkeit
von Jörg Schönbohm

Die Situation ist an Absurdität kaum zu überbieten. Am Horn von Afrika patrouillieren deutsche Kriegsschiffe, um im Rahmen der Mission Operation Enduring Freedom den Waffenschmuggel terroristischer Organisationen zu unterbinden und Piratenangriffe zu vereiteln.

Der tatsächliche Einsatzalltag gleicht jedoch bisweilen einer Farce. Das derzeitige Mandat gestattet der Bundesmarine lediglich eine „Nothilfe“ für den Fall, daß ein Schiff akut von Piraten bedroht ist und ausdrücklich um Hilfe bittet. Ist ein Schiff jedoch bereits von Seeräubern gekapert worden, ist man an Bord zur Untätigkeit verdammt. Ebenso verbietet das Mandat ein Eingreifen, sobald die Piraten abdrehen und die Flucht ergreifen. Auch Festnahmen sind unmöglich, da der Bundeswehr keine polizeilichen Befugnisse zugestanden werden.

Warum ist die Bundeswehr dann überhaupt im Einsatz? Diese Frage wird zurzeit nicht nur regelmäßig in den Medien gestellt, diese Frage stellen sich vor allem auch die eingesetzten Soldaten vor Ort. Daß dies für die Motivation der Truppe nicht sonderlich zuträglich ist, kann man sich vorstellen. Immer wieder wird daher der Ruf nach einem sogenannten „robusten“ Mandat laut. Gemeint ist damit die Ausweitung der Befugnisse der Bundeswehr, damit diese tatsächlich effektiv und wirkungsvoll gegen die Piraten vorgehen kann. 

Wozu halbherzige Einsatzbefehle im Ernstfall führen können, wurde uns im Juli 1995 vor Augen geführt. Damals griffen niederländische Blauhelm-Soldaten in der bosnischen Stadt Srebrenica nicht ein, als serbische Truppen 8000 Moslems töteten. Das eng definierte Uno-Mandat verbot den Niederländern nach Auffassung der verantwortlichen Vorgesetzten ein direktes Eingreifen, solange sie nicht selber bedroht wurden. 

Eine vergleichbare Tragödie darf sich nie mehr wiederholen. Wir sind es unseren Soldaten schuldig, daß wir sie mit der bestmöglichen Ausrüstung ausstatten und daß wir dafür sorgen, daß sie ihren Auftrag unter rechtlich klaren Bedingungen angemessen wahrnehmen und wenn nötig entsprechend eingreifen können.

Heute befinden sich über 6000 deutsche Soldaten in Auslandseinsätzen auf der ganzen Welt. Sie verrichten ihren Dienst in Afghanistan, im Kosovo und in Bosnien, vor der Küste des Libanons und am Horn von Afrika; sie sind eingesetzt als Beobachter im Sudan und in Georgien und als Teil der Beratungs- und Unterstützungsmission in Darfur und im Kongo. Gemeinsam mit Kameraden der Nato-Mitgliedstaaten und anderer Länder unserer Welt engagieren sich Bundeswehrsoldaten – und auch viele Polizisten – in diesen Krisenregionen aktiv dafür, daß Menschen, die von Krieg, Gewalt und Verfolgung bedroht sind, zurückfinden zu einem menschenwürdigen Leben.

Für die professionelle und vorbildliche Arbeit, die die Bundeswehr in diesen Ländern leistet, ernten deutsche Soldaten weltweit Lob und Anerkennung. Einzig in der Heimat scheint ihnen die Wertschätzung versagt zu bleiben. Umfragen belegen, daß die Mehrheit der Bundesbürger Auslandseinsätzen ablehnend gegenübersteht und die Akzeptanz eher ab- als zunimmt.

Hier hat die Politik schlichtweg versagt. Über Jahre wurde versäumt, den Bürgern zu erklären, warum die Einsätze notwendig sind und warum es lohnt, dafür auch Opfer zu bringen. Die Politik ist den Menschen eine Antwort schuldig, warum wir Soldaten, warum wir Töchter und Söhne, Mütter und Väter, Ehefrauen und Ehemänner in gefährliche Einsätze fern der Heimat schicken. Wir müssen den Menschen klar machen: Der Friede ist keine Selbstverständlichkeit. Vor 19 Jahren durfte Deutschland ein friedliches Zusammenwachsen erleben. Das war ein Glücksfall der Geschichte. Daraus erwächst uns heute die Verpflichtung, den Terror von Europas Grenzen fernzuhalten und anderen Völkern zu helfen, damit diese zum Frie-den zurückfinden. Deutschland darf sich vor dieser Verantwortung nicht verschließen. Isolationismus ist für unser Land keine Option. Solange Friede und Menschenrechte auf der Welt bedroht sind, darf unser Kampf gegen Terror, Diktatur und menschenfeindliche Ideologien im Bündnis mit anderen Demokratien nicht enden.

Natürlich dürfen wir nicht ausblenden, daß es nicht nur um humanitäre Einsätze geht, sondern daß es sich auch um Kriegseinsätze handelt. Bisher haftete deutschen Soldaten oft das Image des „Aufbauhelfers“ an. Damit tun wir unseren Soldaten unrecht. Im Kampf für den Frieden in den Krisenregionen ris-kieren unsere Soldaten jeden Tag aufs neue ihre Gesundheit und ihr Leben. Insgesamt kamen bisher 76 deutsche Soldaten bei Einsätzen im Ausland ums Leben. Wir sind ihnen ein ehrendes und öffentliches Gedenken ebenso schuldig wie den Mut, von ihnen nicht als „Verstorbene“ oder „tödlich Verunglückte“ zu sprechen, sondern sie als „Gefallene“ zu bezeichnen und zu ehren – als Gefallene im Kampf für die Werte, für die sich unser Land in der Völkergemeinschaft einsetzt.

Ihr Schicksal darf uns nicht abschrecken. Vielmehr müssen wir uns bewußt machen, wie wichtig und unerläßlich der Dienst war, den sie leisteten. Ihre Tapferkeit muß uns ermutigen, nicht nachzulassen, für die Herrschaft des Rechts zu streiten und dem Frieden und den Menschenrechten zu dienen.

Würden wir dies nicht tun, wäre jeder bisherige Einsatz und Erfolg zunichte gemacht und die Werte, die die Verfassung unseres Landes zum höchsten Gut erhebt, in Frage gestellt. Deswegen muß dieser Dienst auch künftig geleistet werden. Das sind wir den Menschen in den Krisenregionen, unseren gefallenen Soldaten und vor allem auch den Soldaten schuldig, die ihren Dienst für den Frieden dort weiter leisten. Ermutigen wir sie, indem wir nicht den Sinn ihres Dienstes in Zweifel ziehen, sondern indem wir unterstützend hinter ihnen und ihrem schwierigen und gefahrvollen Dienst stehen. Die Soldaten der Bundeswehr haben die Solidarität ihrer Mitbürger ebenso verdient wie ihr Dienst für die Sicherung des Friedens ein robustes und effektives Mandat.


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