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06.12.08 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-08 vom 06. Dezember 2008

Ein Lächeln / Wieso die Isländer jetzt rein wollen, warum Geld bald färbt, und aus welchem Grund uns Piraten und Kosovaren immer noch mögen
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Seit geraumer Zeit hellen Historiker unser traditionell düsteres Bild von den Wikingern auf. Kunstfertig seien sie gewesen und eigentlich viel mehr Händler als Räuber. Dem Gang der geschichtspolitischen Dinge folgend dürften wir alsbald darüber aufgeklärt werden, daß es eigentlich die Mittel- und Westeuropäer waren, welche die Nordmänner zu deren Beutezügen provoziert haben, vor allen anderen die urbösen Deutschen.

Es ging vor 1000 Jahren wie immer um soziale Gerechtigkeit. Im Norden war es viel kälter und zu beißen hatten sie auch viel weniger als wir. Also mußte umverteilt werden. Und wenn das per friedlichem Handel nicht klappte, dann eben mit Gewalt. Selber schuld, die Beklauten.

Wenn das so war, und so war es, dann sollten wir jetzt wieder Posten schieben an unseren Hafenmolen. Denn ausgerechnet den nordischsten der Nordischen, den Isländern, geht es erneut ziemlich dreckig. Über den Handel mit allerlei Finanznarreteien reich zu werden, hat nämlich nicht geklappt. Also sieht man sich nach Alternativen um.

Einfach das Drachenboot bemannen und lossegeln geht allerdings nicht mehr. Ist auch viel zu anstrengend. In unseren zivilisierten Tagen greift man entfernten Völkern eleganter in Tasche. Unter dem Banner der „EU-Strukturfonds“ ziehen gewaltige Milliardenkarawanen unbehelligt durch Europa, um das Vermögen der einen Nationen in die Säckel der anderen zu transportieren. Geschickterweise sendet man einen Teil der Beute zurück an die Gerupften, so das sich die Bestohlenen wie ebenfalls Beschenkte fühlen können, wenn sie blöde genug dazu sind. Die meisten sind es.

Die Isländer wollten da bislang auf keinen Fall mitmachen, weil sie sich ausgerechnet hatten, daß sie zu denen zählen würden, die zahlen würden. Das hat sich nun abrupt geändert, weshalb den Isländern die EU über Nacht in gänzlich anderem Licht erscheint. Wann die Erscheinung über sie kam, ist nicht so genau zu ermitteln. Vermutlich war es, als sie vor einigen Tagen ihre Zentralbank stürmten und dort auch bloß wertlose Island-Kronen vorfanden. Da war ihnen klar: Geld muß her, und zwar anderes Geld und vor allem: das anderer Leute.

Die sonst so aufnahmefreudige EU gibt sich indes recht zugeknöpft. Barsch gesagt: Die EU will keine öffentliche Kleiderkammer sein, bei der sich abgerannte Spekulanten eindecken, die auf eigene Rechnung mangels Kasse nichts mehr zu bestellen haben. Außerdem sind wir selber klamm und haben nur eine grobe Ahnung davon, wie es mit uns  weitergeht. Irgendwie abwärts, soviel scheint mal sicher. Aber wie schnell, wie tief und wie lange müssen wir da unten ausharren?

Für solche Fragen steht ein ganzer Archipel von Institutionen bereit, die unablässig einen Schwall von Prognosen absondern. Streng wissenschaftlich ermittelt, versteht sich. Allerdings  können einem gelegentlich Zweifel kommen an den wissenschaftlichen Methoden dieser unbestechlichen Forscher. Ihre Prognosen sind uns im Moment so hilfreich wie eine Wettervorhersage, die beim Blick aus dem Fenster entsteht: Angekündigt wird nur, was sowieso schon alle sehen, die längst im Regen stehen.

So korrigierte die Europäische Zentralbank (EZB) erst diese Woche ihre Prognose zum Wirtschaftswachstum im Euro-Raum für 2009 von plus 1,2 Prozent auf minus 0,8. Mit anderen Worten: Die EZB hat festgestellt, daß wir in eine Rezession rauschen. Potztausend! Wir glauben zwar, das irgendwie schon auf andere Weise erfahren zu haben, sind aber recht erleichtert, daß es nun auch die Währungshüter wissen.

Erleichterung ist Balsam in diesen turbulenten Zeiten. Täglich fliegen absurde Milliardensummen durch den Nachrichtenraum. Kein Trickdieb kann Geld so schnell verschwinden lassen, wie die Notenbanken es derzeit herbeizaubern.

Millionen rühren schon niemanden mehr. Der Industrielle Adolf Merckle habe bei der Spekulation auf einen fallenden VW-Aktienkurs einen „niedrigen dreistelligen Millionenbetrag“ verloren, wird eher beiläufig gemeldet. Was für eine Formulierung: Niedriger dreistelliger Millionenbetrag. Klingt wie „zierlicher Supertanker“ oder „niedlicher Piranha“. Aber Millionen sind halt gar nichts mehr und so werden wir uns auch nicht wundern, wenn bald Farbe von den Euroscheinen an unseren Fingern kleben bleibt, weil keine Zeit mehr war, die knackfrischen Scheine lange genug zu trocknen.

Wer hätte in den langen Jahren, als unser politisches Morgengebet „Haushaltskonsolidierung“  hieß, gedacht, daß Geldausgeben mal wieder so in Mode kommen würde? Nun ja, nicht bei allen, Kanzlerin Merkel hat die Furcht gepackt, daß alle Magazine leer sein könnten, wenn demnächst ein weiteres Kapitalvernichtungsmonster aufkreuzt, von dem wir heute noch nichts ahnen.

Deshalb hat sie sich sogar mit ihrem Intimfeind Sarkozy angelegt, der gern ein paar zusätzliche EU-Geldkarawanen losgeschickt hätte. Das hat dem Ansehen Deutschlands möglicherweise nicht gutgetan. Früher war das Scheckbuch unser treuer Reisebegleiter, weshalb die deutsche Politik international stets für ihr „Engagement“ und ihr „Verantwortungsgefühl“ gelobt wurde. Alle haben uns zugelächelt, auch wenn es bei näherem Hinsehen eher schon wie höhnisches Grinsen aussah.

Aber keine Angst, es gibt immer noch Leute draußen in der Welt, die uns ganz bestimmt mögen, auf ihre spezielle Art. Die somalischen Freibeuter etwa verdanken der deutschen Debatte, ob unsere Marine nun Piraten jagen darf oder nicht, gewiß zahllose heitere Abende.

Auch bei Entführern hat Berlin immer noch einen sagenhaften Ruf. Die Deutschen zahlen großzügig und zuverlässig für ihre verschleppten Landsleute, weiß man in Entführerkreisen. Und sie stellen einem hinterher nicht einmal nach. Reizende Trottel.

Wir dürfen es mit der Nettigkeit aber nicht übertreiben. Wenn sich jemand ohne jeden Grund vor Freundlichkeit ausschüttet, kann das Mißtrauen erwecken.

Wir sollten demnach nicht erstaunt sein, wenn uns im Kosovo demnächst Eiseskälte entgegengebracht wird angesichts dieser Geschichte: Ein Land schickt seine Soldaten, um die Mehrheitsbevölkerung eines kleinen Gebietes zu befreien. Dann leistet es jahrelang Wiederaufbauhilfe, sorgt für Recht und Ordnung, bringt eine stabile Währung mit und erkennt die Gegend am Schluß links und rechts am Völkerrecht vorbei als Staat an.

Was machen die Befreiten, Geförderten und Anerkannten? Sie treten ihrem Helfer so fest gegens Schienbein, wie sie nur können, und drücken ihm gleich noch ein Kaugummi ins Gesicht. Und wie reagiert der Kujonierte? Er zahlt, er hilft und er baut weiter, still und bescheiden, oder treffender: stumm und bescheuert.

Die Verhaftung der drei BND-Agenten war schon eine tolle Sache. Da möchten deutsche Agenten gern herausfinden, wer die EU-Mission in Prischtina hochjagen wollte, und werden bei der Gelegenheit gleich von den Kosovaren abgeführt als mutmaßliche Terroristen bezeichnet. Und Berlin? Treibt „stille Diplomatie“, auf deutsch: schleicht sich in geduck­ter Haltung an und tuschelt seine Wünsche.

Es heißt, wer immer schreit, dem hört keiner mehr zu. Das ist richtig. Wer seine Stimme aber nie erhebt, auch wenn ihm übel mitgespielt wird, der ist bald der Depp auf dem Pausenhof. Beim nächsten Besuch eines deutschen Offiziellen im Kosovo wird dieser bestimmt nicht versäumen, seiner Befriedigung darüber Ausdruck zu verleihen, daß die „jüngsten Irritationen im freundschaftlichen kosovarischen-deutschen Verhältnis so zügig ausgeräumt werden konnten“. Seinem kosovarischen Gesprächspartner huscht dann ein leichtes Lächeln über die Wangen. Danach wird es um das nächste Hilfsprogramm gehen.


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