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13.12.08 / Ehrliches Bekenntnis zur Unehrlichkeit / SPD-Spitzenmann Schäfer-Gümbel hält den Bruch von Versprechen für normal – Hinweise auf Manipulationen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-08 vom 13. Dezember 2008

Ehrliches Bekenntnis zur Unehrlichkeit
SPD-Spitzenmann Schäfer-Gümbel hält den Bruch von Versprechen für normal – Hinweise auf Manipulationen

Gut vier Wochen vor der Neuwahl in Hessen kommt die SPD nicht zur Ruhe. Medien berichteten am letzten Wochenende von neuen Hintergründen über die späte Entscheidung der drei sogenannten „Abweichler“, die eine Wahl Andrea Ypsilantis zur hessischen Ministerpräsidentin verhinderten. Jetzt wurde bekannt, daß in der SPD-Fraktion im November offen darüber diskutiert wurde, mit dem Handy ein Beweisfoto der Stimmabgabe für Ypsilanti zu machen. Damit wären elementare Grundregeln einer demokratischen Wahl, die auf Geheimhaltung und der Gewissensfreiheit des einzelnen beruht, außer Kraft gesetzt worden.

Zwar bestritt die Führung der SPD-Landtagsfraktion umgehend ihre Verwicklung in diese Affäre, doch sind offenbar die Vorwürfe nicht aus der Luft gegriffen oder von der Staatskanzlei lanciert worden, wie der SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümpel behauptete. Zudem tauchten weitere Vorwürfe aus den Reihen der Sozialdemokratie auf, die brisant sind und undemokratische Gepflogenheiten an den Tag bringen. Andrea Ypsilanti, die noch jüngst das Verhalten der drei Abweichler als „Anschlag auf die Partei“ und Verletzung der demokratischen Spielregeln bewertete, sieht sich harten Vorwürfen ausgesetzt. So sei ihre Spitzenkandidatur im Dezember 2006 nur durch „die Hintertür“ durchgesetzt worden. Dies behauptete nicht etwa ein CDU-Wahlkämpfer, sondern ein linker Arbeitskreis der Frankfurter Jungsozialisten. Bei dieser Wahl hätten nach einer Stimmengleichheit von 172 Stimmen im ersten Wahlgang (zwischen Ypsilanti und ihrem Gegenkandidaten Jürgen Walter) plötzlich im zweiten Wahlgang Stimmen gefehlt. Da zudem die Stimmauszählung dieser Stichwahl hinter verschlossenen Türen stattfand, blieb Ypsilantis Sieg mit nur zehn Stimmen mit dem Makel eines Manipulationsverdachts behaftet.

Vor diesem Hintergrund erscheinen auch neuere Vorgänge in der Hessen-SPD und andernorts erklärungsbedürftig. Bei ihrer jüngst erfolgten Wahl auf Platz 2 der Landesliste für die Neuwahl im Januar 2009 erhielt Ypsilanti alle 54 Stimmen, obwohl eine Gegenkandidatin aufgestellt war. Solche 100-Prozent-Ergebnisse sind eigentlich nur aus sozialistischen Wahlgängen wie in der DDR bekannt. Erinnert fühlen sich viele Beobachter auch an die Bestimmung des Spitzenkandidaten der Hamburger SPD Ende 2007. Der damalige Landesvorsitzende Mathias Petersen hatte in einer Urwahl mit etwa zwei Dritteln der Stimmen gegen seine innerparteiliche Konkurrentin Dorothee Stapelfeld gewonnen. Erst das Verschwinden von rund 1000 Stimmzetteln, wieder hinter den verschlossenen Türen der SPD-Zentrale, machte die gesamte Urwahl ungültig. Die Schuldigen für diesen Akt der Wahlfälschung wurden nie gefunden. Petersen trat schließlich unter dem Druck der SPD-Spitzenfunktionäre, die seine Kandidatur nicht unterstützen wollten, zurück. An seiner Stelle wurde dann am 24. März 2007 der „Zeit“-Herausgeber Michael Naumann zum Herausforderer bestimmt. Nach der verlorenen Wahl verabschiedete sich Naumann, entgegen seinen Versprechungen im Wahlkampf, umgehend wieder aus der Politik.

Wie ernst nimmt es also die Sozialdemokratie mit ihren Versprechungen vor der Wahl und den demokratischen Spielregeln? Thorsten Schäfer-Gümbel betreibt jetzt eine holprige Flucht nach vorne. Wenn alle Politiker wegen gebrochener Wahlversprechen zurücktreten müßten, meinte der SPD-Spitzenkandidat, „wäre wahrscheinlich fast keiner mehr da“. Hier besteht die Ehrlichkeit also nur noch im offenen Bekenntnis zur Unehrlichkeit. Schäfer-Gümpel, der die Handy-Vorwürfe im übrigen für „völlig abartig und unter aller Würde“ hält, versucht nun eine Perspektive für die Neuwahl zu finden. Die Umfragewerte sind schlecht. Daher will sich der Spitzenkandidat dieses Mal alle Optionen offen halten – und keine Versprechungen mehr machen. Für den Fall einer Wahlniederlage bietet er sich bereits der CDU als Junior-Partner einer Großen Koalition an, allerdings ohne Roland Koch als Ministerpräsidenten.       H. E. Bues


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