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13.12.08 / Die Zeichen stehen auf Versöhnung / Die Nato nimmt den Dialog mit Rußland wieder auf – Kiew reicht Moskau die Hand

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-08 vom 13. Dezember 2008

Die Zeichen stehen auf Versöhnung
Die Nato nimmt den Dialog mit Rußland wieder auf – Kiew reicht Moskau die Hand

Die Außenminister der Nato-Länder haben  in Brüssel die Wiederaufnahme des Dialogs mit Rußland beschlossen. Ein beschleunigter Beitritt der Ukraine und Georgiens zur Nato wurde hingegen abgelehnt. Beide Länder sollen zunächst das übliche Vorbeitrittsverfahren durchlaufen. Stattdessen gibt es gute Chancen für einen neuen gesamteuropäischen Sicherheitsvertrag.

Seine Freunde erkenne man in der Not, heißt es im Sprichwort. Daß es besser ist, in Krisenzeiten zusammenzuhalten, scheint nun auch führenden Politikern klar geworden zu sein. Den Folgen der globalen Finanzkrise und islamistischer Terroranschläge wie in Bombay kann man nur gemeinsam  begegnen.

Ein erstes Versöhnungszeichen setzte EU-Ratspräsident Nicolas Sarkozy drei Monate nach dem Kaukasuskonflikt bei einem Treffen mit Rußlands Präsident Dmitrij Medwedew in Nizza. Sarkozy schlug für kommenden Juni einen Gipfel der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) vor, auf dem Themen wie eine Verschiebung der Stationierung des amerikanischen Raketenabwehrschilds in Polen und der Tschechischen Republik sowie eine neue euro-atlantische Sicherheitsstruktur auf der Tagesordnung stehen sollen. Ein überraschendes Zugeständnis an das russische Staatsoberhaupt, das aber sogleich für Verärgerung bei Polen und Tschechen sorgte. Sie sehen darin eine unerwünschte Einmischung in ihre Angelegenheiten. Lech Kaczynski warf Sarkozy sogar vor, ständig Zugeständnisse an Rußland zu machen.

Die Einstellung der Nato zu Rußland beginnt sich dennoch allmählich  zu ändern. Nach Frankreich zeigen auch Deutschland und andere westeuropäische Länder Bereitschaft, wieder mit Rußland zu verhandeln. Uneinigkeit besteht allerdings über die Art des Dialogs. Einige Länder, darunter die baltischen Staaten, hätten gerne mehr Garantien von den Russen, zum Beispiel, was die Einhaltung des Sechs-Punkte-Plans betrifft, der nach dem Kaukasuskonflikt zwischen der EU und Rußland beschlossen wurde.

Die Entscheidung der Nato-Mitglieder, Georgien und die Ukraine nicht vorzeitig, wie von den USA gewünscht, in das Bündnis aufzunehmen, wurde in  Moskau mit Genugtuung aufgenommen. Das Ausbleiben des Dialogs mit Rußland sei als „kontraproduktiv“ erkannt worden und die Nato kehre nun auf eine realistische Position zurück, weil sie „Einsicht in die Risiken“ gezeigt habe, frohlockte die Presse. Ministerpräsident Putin hegt Hoffnungen, daß Barack Obama, wenn er erst das Präsidentenamt übernommen hat,  für weitere Entspannung sorgen wird. In dessen im Wahlkampf gemachten zurückhaltenden Äußerungen zur Nato-Osterweiterung und   zum Raketenabwehrschild sieht Putin positive Signale für die Zukunft, was eine engere Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen anbetrifft.

Der Nato-Beitritt der ehemaligen Sowjetrepubliken Ukraine und Georgien bleibt in Rußland ein heikles Thema. Laut Militärexperte Wladimir Dworkin hält zwar niemand im Land die Nato ernsthaft für eine Bedrohung, aber Rußland arbeite schließlich im Rüstungsbereich eng mit Kiew zusammen. Im Falle eines Nato-Beitritts der Ukraine verlöre Moskau eine wichtige Einflußsphäre. Für eine Neuauflage des Kalten Krieges fehlen Rußland schlicht und einfach die Mittel. Allein die russischen konventionellen Streitkräfte sind den US-amerikanischen weit unterlegen.

Der ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko will das Verhältnis zu Moskau verbessern. Sein Vorstoß fiel zeitlich mit dem Außenministertreffen in Brüssel zusammen. Außer dem geplanten Nato-Beitritt gibt es noch weitere Streitthemen zwischen beiden Ländern, wie etwa die Parteinahme der Ukraine für Georgien im Augustkrieg, die Frist für die Stationierung der Schwarzmeerflotte auf der Krim sowie russische Gaslieferungen. Doch hat der ukrainische Präsident zur Lösung der Probleme bereits eine Arbeitsgruppe gebildet, zu deren Aufgaben ein dauerhafter Dialog mit Rußland gehört.

Mit der Entscheidung aus Brüssel zeigt Kiew sich zufrieden. Außenminister Wolodymyr Ohrysko sieht die Ukraine de facto bereits als Anwärter auf die Mitgliedschaft. Den Aktionsplan aus Brüssel zur Vorbereitung auf den Nato-Beitritt wertet er als ernsthaften Fortschritt. Die Ukraine will nun die notwendigen Reformen umsetzen. Die Klärung der Konflikte mit Rußland gehört dazu.

Georgien tut sich schwerer damit, die vorläufige Zurückweisung des Nordatlantischen Bündnisses anzunehmen.  Außenministerin Eka Tkeschelaschwili spricht von einer deutlichen Annäherung, sieht Rußland allerdings als Schuldigen für die Entscheidung der Nato. Mit dem Georgienkrieg habe Rußland dem Bündnis das Argument geliefert, eine Aufnahme Georgiens berge ein zu hohes Risiko, und so die georgischen Beitritts-chancen zerstören wollen. 

Die Nato hat beide Länder, Georgien und die Ukraine, in ihr offizielles Vorbeitrittsprogramm MAP (Membership Action Plan),  aufgenommen und Unterstützungen für Reformprozesse zugesagt.

Die Nato, noch uneins über die Intensität des Dialogs mit Rußland, wird sich in Zukunft dem Thema nicht entziehen können. Spätestens auf dem angekündigten OSZE-Gipfel im Juni wird über eine neue Sicherheits-Charta verhandelt. Vorgesehen ist ein verbindlicher Text, der den Rahmen für gemeinsame Sicherheit und gemeinsames Handeln liefern soll.  Der russische Präsident Dmitrij Medwedew plädiert seit seinem Amtsantritt für einen gesamteuropäischen Sicherheitsvertrag. Er sollte bei den Verhandlungen nicht fehlen.           M. Rosenthal-Kappi

Foto: Die Ukraine macht aus der Not eine Tugend: Nachdem der Nato-Beitritt in die Ferne gerückt ist, nähert sich das Land Moskau wieder an.       


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