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13.12.08 / Blick in die deutsche Geschichte / Kulturhistorisches Seminar für Frauen im Ostheim in Bad Pyrmont

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-08 vom 13. Dezember 2008

Blick in die deutsche Geschichte
Kulturhistorisches Seminar für Frauen im Ostheim in Bad Pyrmont

Es hat bereits Tradition: Die erste Novemberwoche eines jeden Jahres steht im Ostheim historisch interessierten Frauen zur Verfügung. Wer sein Wissen über die Geschichte Ostpreußens, Preußens und Deutschlands vertiefen möchte, wer klarer erkennen möchte, welche Geschehnisse der Vergangenheit bis in die Gegenwart wirken, der ist bei den kulturhistorischen Seminaren  genau richtig.

Wieder nutzten viele Frauen (auch aus der Republik Polen, Republik Litauen und der Schweiz) die Seminartage, um hinzuzulernen, Fragen zu stellen, Denkanstöße mitzunehmen. Diesmal unter der Themenstellung: „Das Zeitalter Bismarcks und Ostpreußen“.

Uta Lüttich, in deren Händen die Leitung des Seminars lag, gab eine Einführung in das Thema.

Der erste Referent Dr. Hans-Werner Rautenberg war leider erkrankt, und so konnte sein Aufsatz „Grundzüge der Entwicklung Ost- und Westpreußens zwischen 1772 und 1945“ nur verlesen werden. Mit diesem „Vortrag“ wurden vorhandene Kenntnisse aufgefrischt und eine solide Basis für alle Spezialthemen, die dann folgten, gelegt.

Maik Ohnezeit, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Braunschweigischen Landesmuseum, sprach über „Otto von Bismarck – Leben und Werk aus heutiger Sicht“. Er erwähnte, daß 1998 (100. Todestag Bismarcks) 53 Prozent der Befragten nichts mehr mit dem Namen „Bismarck“ anzufangen wußten. Dabei ist die Otto-von-Bismarck-Stiftung eine staatliche Einrichtung, eine der fünf in Deutschland existierenden Bundesstiftungen.

„Das Bismarck-Museum der Getreuen von Jever“ stellte der Leiter dieser Einrichtung, Günter Marklein, vor. Marklein, der auch Zweiter Vorsitzender des Bismarck-Bundes ist, beeindruckte mit seiner Begeisterung und mit seinem Wissen über Bismarcks Leben, Werk und Zeit.

„Preußens Eisenbahngeschichte – verkehrswirtschaftliche Probleme und ihre Lösungen im 19. Jahrhundert“ war das Thema, zu dem Rainer Claaßen viel zu sagen wußte. Seine aufmerksamen Zuhörer merkten rasch, daß manche Entwicklung der damaligen Zeit Parallelen zu der heutigen aufweist (zum Beispiel die Verwendung von Steuermitteln). „Den Geldwert zu erhalten, ist die vornehmste Pflicht einen Finanzministers.“ – so zitierte er den Minister Christian Rother, dem bis 1848 das gesamte preußische Finanzwesen unterstand. Interessantes Detail: Die Preise für Einsenbahnfrachten konnten um 1850 auf zehn Prozent des Preises für Straßenfrachten gesenkt werden. Eine neue Berufsgruppe, die der Spediteure, entstand.

Einen sehr anschaulichen Vortrag hielt Jörg Bielefeld über „Bismarcktürme und Bismarcksäulen als steinerne Zeugen der Bismarckverehrung im 19. und 20. Jahrhundert“. Wem ist bewußt, daß die Bismarcktürme ein weltweit einzigartiges Denkmalsphänomen darstellen? 240 Türme auf vier Kontinenten waren bis 1934 gebaut, etliche mehr geplant. Das erste Bismarck-Denkmal war 1868 in Großpeterwitz, Schlesien, errichtet worden, der erste Bismarckturm 1869 in Ober-Johnsdorf, ebenfalls Schlesien. Weitere 15 Türme sind zu Lebzeiten Bismarcks gebaut worden, die meisten dann nach seinem Tod. 47 Türme wurden nach dem prämierten Entwurf „Götterdämmerung“ von Wilhelm Kreis gebaut. Bismarck sind 394 Ehrenbürgerschaften verliehen worden, über 300 Bismarck-Vereine bestanden in Deutschland. Das höchste Denkmal steht mit 36 Metern in Hamburg, der höchste noch erhaltene Turm (45 Metern) in Glauchau/Sachsen. Es gibt ein „Lexikon der Bismarck-Denkmäler“ und im Internet die Seite www.bismarcktuerme.de. 

Bismarcktürme wurden in der DDR umbenannt, zum Beispiel in Fichte-Turm, Geschwister-Scholl-Turm. 68 Türme von den 240 sind zerstört. Von den in Ostpreußen ursprünglich vorhandenen acht sind heute leider nur noch die in Osterode, Sensburg und Tilsit gut erhalten. Ein Kuriosum: Der in Papua-Neuguinea errichtete Bismarckturm wurde zum Leuchtturm umgebaut und funktioniert heute noch.

Die Fragestellung „Was ist bis heute von Bismarck geblieben? Betrachtungen zur Wirkungsgeschichte des Reichskanzlers“ war Thema des Referats, das zu halten Dr. Frans du Buy eingeladen worden war. Keine der Teilnehmerinnen hatte es zuvor für möglich gehalten, daß es, um die Frage: „Was hatte Bismarck sich zum Ziel gesetzt?“ „Was hat er erreicht?“ zu beantworten, notwendig sein würde, bis in die Geschichte der deutschen Stämme zurück­zugehen, um zu verdeutlichen, eine „deutsche Frage“ hat es seit Jahrhunderten gegeben. Erst seit 1871 wird die deutsche Frage auf das Verhältnis des Deutschen Reiches zu seinen Nachbarstaaten bezogen. Als letzter Referent ging Dr. Enno Eimers auf die Frage: „Wieweit prägte Kaiser Wilhelm II. das Wilhelminische Zeitalter?“ ein. An nachvollziehbaren Beispielen wurde deutlich, daß es sich um gar keine so ferne Zeit, sondern um die der Groß- und Urgroßeltern handelt. Eine Epoche der deutschen Geschichte, in der Großes geleistet wurde.

Dieses Seminar zeigte wieder, daß es sich lohnt, immer wieder Fragen an die Geschichte zu stellen, Vergleiche zu ziehen, Kenntnisse zu erweitern und zu vertiefen. Wer ein fundiertes Wissen zur deutschen Geschichte besitzt, hat in der Gegenwart die bessere Orientierung.          Ute Eichler

Foto: Kaiser Wilhelm II. und das Wilhelminische Zeitalter: Dr. Enno Eimers (links) beantwortet nach seinem Vortrag Fragen von Teilnehmerinnen.


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