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13.12.08 / Zentrum kultureller Blüte / Die Geschichte des alten Königsbergs voller Wärme und Trauer erzählt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-08 vom 13. Dezember 2008

Zentrum kultureller Blüte
Die Geschichte des alten Königsbergs voller Wärme und Trauer erzählt

Darf man derart hoch greifen?  Mit Blick auf die kulturelle Blüte Königsbergs im 18. Jahrhundert schreibt Klaus Garber: „Durfte fortan von einem zweiten kulturellen Zentrum um 1800 auf deutschem Boden neben Weimar und Jena die Rede sein, so stand der Name Königsberg dafür ein. Berlin sollte sich alsbald hinzugesellen.“ Ja, man darf! Hat man Garbers neues Buch gelesen, dann kann man der herausgehobenen Stellung, die er der Stadt attestiert, kaum widersprechen. Die Stadt am Pregel, in der nordöstlichsten Ecke des deutschen Sprachraums gelegen, war in Wissenschaft, Kunst und Bildung eines der geistigen Zentren für Preußen wie überhaupt für den ganzen Ostseeraum.

Der Autor ist Literaturwissenschaftler an der Universität Osna-brück. In den vergangenen Jahren hat er mehrere Arbeiten zur Erinnerungskultur mit Blick auf den deutschen Osten vorgelegt. Sein neuestes Buch „Das alte Königsberg“ hat den Untertitel „Erinnerungsbuch einer untergegangenen Stadt“. Vermutlich kann man diese einst so blühende Stadt gar nicht anders beschreiben als im Wissen um ihren Untergang und in der Hoffnung, die Erinnerung an sie lebendig zu halten. Garber hat das mit aller nur denkbaren Hingabe und mit größtem Fleiß bei der Zusammenschau aller nur verfügbaren Quellen getan; herausgekommen ist die wohl schönste Hommage auf das kulturelle Königsberg seit langem.

Garber betrachtet die Zeit zwischen 1500 und 1800 und sieht sie geprägt von der Trias Humanismus, Reformation und reformierte Glaubensrichtung innerhalb des Protestantismus. Die Anfänge der Stadt sind eng mit dem Deutschen Orden verbunden; 1255 wurde sie gegründet (danach entstand die Altstadt, 1327 folgte als Stadt der Kneiphof, 1338 der Lö-benicht; alle drei wurden erst 1724 administrativ zu einer Stadt zusammengefaßt) und nach schweren Niederlagen des Deutschen Ordens dessen Hauptsitz. Kein geringerer als Martin Luther hatte dann dem Ordensmeister Albrecht geraten, den Ordensstaat zu säkularisieren. Anfangs war es ein Fürstentum von polnischen Gnaden, mit dem Erstarken von Brandenburg löste sich mit der Zeit die (formelle, stets überaus tolerante) polnische Oberhoheit.

Garbers Buch, und darin liegt sein besonderer Wert, ruft viele fast vergessene Namen in Erinnerung,  die zu den Großen ihrer Zeit gehörten und Königsberg zu einem bedeutenden geistigen Zentrum in Nordeuropa gemacht haben. Ebenso großen Wert hat Garber aber auch auf die Entwicklung der Königsberger Institutionen, also der Schulen, Archive, Bibliotheken und Museen gelegt. Interessanterweise führte die Trias Altstadt, Kneiphof und Löbenicht nicht zu einer gegenseitigen Abschottung, sondern – vielleicht durch die räumliche Nähe – zu einem fruchtbaren Wettstreit. Jede Einzelstadt war bemüht, die besten Schulen, die besten Lehrer, Beamte und Verwalter an sich zu ziehen, und so finden wir vor allem in der Altstadt und im Kneiphof hervorragende Pädagogen, die sowohl die Gymnasien leiteten, Bibliotheken führten und als Professoren an der Universität unterrichteten.

Im Siebenjährigen Krieg (1756–1763) war Königsberg fünf Jahre von den Russen besetzt. Diese „Russenzeit“ ist den Königsbergern, glaubt man Garbers zitierten Zeugnissen, in guter Erinnerung geblieben. Zwar mußte der Zarin gehuldigt werden, aber das liberale Regiment des baltendeutschen Kommandanten Nikolai von Korff  brachte zahlreiche Reformen und gesellschaftliche Erneuerungen. Wie anders war alles zwei Jahrhunderte später!

Die wissenschaftlichen Anmerkungen und das (leider etwas knappe) Register sollten nicht abschrecken; das Buch ist leicht verständlich, anschaulich und voller Liebe zum Thema geschrieben. Garber will es nicht bei bloßer Erinnerung belassen; er sieht Königsberg, das „nachhaltiger“ als jede andere deutsche Stadt für die deutschen Verbrechen gebüßt habe, als Aufgabe zu Brückenschlag und Verständigung. Als hoffnungsvolles Zeichen sieht er dabei auch das „elementare Begehren“ der heutigen Kaliningrader nach geschichtlicher Vergewisserung.

Die Trauer über das Ende 1945 schwingt auf vielen Seiten mit. Aber dabei dürfe es nicht sein Bewenden haben. Die Stadt und ihr Erbe ist Auftrag für die Zukunft: „Königsberg als unveräußerliches, als unverlierbares Quartier von Menschen und Ideen im Kontext Mitteleuropas für Europa zurück-zugewinnen, ist Bestimmung einer jeden auf das alte untergegangene Königsberg gerichteten Bemühung.“ Man wünscht dem Verfasser, daß es ihm vergönnt sei, seine geistige Chronik über 1800 hinaus fortzuführen.     Dirk Klose

Klaus Garber: „Das alte Königsberg – Erinnerungsbuch einer untergegangenen Stadt“, Böhlau, Köln 2008, geb., 344 Seiten, 24,90 Euro


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