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20.12.08 / Vorhersehbarer Mißerfolg / Am 1. Januar 2009 übernimmt Prag für sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-08 vom 20. Dezember 2008

Vorhersehbarer Mißerfolg
Am 1. Januar 2009 übernimmt Prag für sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft

In der Tschechischen Republik ist die Ablehnung der Europäischen Union (EU) bis in Regierungskreise weit verbreitet. Dennoch soll das Land jetzt turnusmäßig die Führung in der EU übernehmen.

Will man dem französischen Präsidenten und noch EU-Ratspräsidenten Nicolas Sarkozy glauben, ist das lähmendste, was der EU in wirtschaftlichen Krisenzeiten wie den derzeitigen passieren kann, die tschechische EU-Ratspräsidentschaft. Der Franzose traut dem in EU-Fragen gespaltenen Land mit seinem geschwächten Premier Mirek Topolánek und seinem sich offen als EU-Gegner präsentierenden Präsidenten Václav Klaus nicht viel zu.

Sarkozys Bedenken sind keineswegs aus der Luft gegriffen. Die Regierungskoalition aus Bürgerlichen, Christdemokraten und Grünen von Mirek Topolanek verfügt nur über 98 der insgesamt 200 Abgeordneten im tschechischen Parlament. Topoláneks Bürgerpartei ODS wurde bei den Wahlen 2008 bereits abgestraft und sinkt laut aktuellen Umfragen aufgrund unpopulärer Reformen weiter.

Auch in seiner Partei kämpft der Premier um Machterhalt. Zwar wurde er auf dem Parteitag Anfang Dezember in einer Kampfabstimmung wieder zum Parteichef gewählt, doch um welchen Preis: Der tschechische Premier Václav Klaus, der vor 18 Jahren die ODS gegründet hat, gab aus Protest gegen den aus seiner Sicht zu EU-freundlichen Kurs der Partei seinen Ehrenvorsitz ab.

Für die angeschlagene Partei ist es schon schlimm genug, daß ihr Gründer sich aus ihr zurückzieht, doch nun machen auch Gerüchte die Runde, Václav Klaus könne schon in wenigen Tagen eine Konkurrenz-Partei zur ODS gründen.

Trotz seines Präsidentenamtes mischt Václav Klaus auch im außenpolitischen Tagesgeschäft eifrig mit. Vor wenigen Wochen hat er sich am Rande eines Staatsbesuches in Dublin mit dem irischen Unternehmer Declan Ganley getroffen, Dieser hat in Irland massiv gegen den zur Abstimmung stehenden Lissabon-Vertrag, Nachfolgevertrag der 2005 abgelehnten Verfassung für Europa, Stimmung gemacht. Das Nein der Iren als Ergebnis des Referendums im vergangenen Juni hat die EU geschockt, da der Lissabon-Vertrag erst in Kraft treten kann, wenn alle 27 Mitgliedsstaaten zustimmen. Zwar sollen die Iren 2009 erneut abstimmen, aber Ganley gibt sich nicht geschlagen, hat am 11. Dezember in Brüssel die europaweite Partei Libertas gegründet, die in erster Linie gegen eine zu starke EU eintritt. Die EU-feindliche Rhetorik von Václav Klaus in den letzten Wochen verdeutlicht, wie nahe er dem Gedankengut Ganleys steht. Pikant ist, daß der Ire unter Verdacht steht, seine Kampagne gegen den Lissabon-Vertrag mit Geldern der US-Denkfabrik Heritage Foundation zu finanzieren. Dieser konservative, Bush-nahe Think Tank bekennt offen, daß er gegen ein einiges Europa ist, da dies den US-Interessen widersprechen würde.

Das Land, das nun ab 1. Januar als Ratspräsident die EU nach innen koordinieren und nach außen ihre Interessen vertreten soll, hat deren Herzstück, den Lissabon-Vertrag, als einziges EU-Land neben Irland noch nicht ratifiziert. Zwar gibt es in der Tschechischen Republik kein Referendum, doch im Parlament ist man quer durch alle Parteien gespalten. Selbst Premier Topolánek, ein für tschechische Verhältnisse leidenschaftlicher Europäer, sieht den Lissabon-Vertrag nur als notwendiges Übel an. Doch selbst wenn er es im Frühjahr schafft, die nötige Mehrheit in beiden Parlamentskammern zu mobilisieren, wird noch die Unterschrift des Präsidenten benötigt. Dieser hat sich zwar Anfang 2008 mit Stimmen der ODS erneut für fünf Jahre ins Amt wählen lassen, sieht sich aber nicht zu Dank verpflichtet. Am schlimmsten ist jedoch, daß er nicht mehr handelt, wie man es von einem Staatsoberhaupt erwartet. Schon vor Monaten erklärte Klaus spitz, an seinem Amtssitz, der Prager Burg, auch während der EU-Ratspräsidentschaft nicht die EU-Fahne hissen zu wollen. Als der grüne EU-Politiker Daniel Cohn-Bendit Klaus deswegen vor wenigen Tagen bei einem Gespräch mit einer Delegation des Europäischen Parlaments eine EU-Fahne schenkte, erging sich Klaus in Verbalattacken gegen die EU, die er sogar mit der untergegangenen UdSSR verglich. Drei Minister, die nicht in seinem Sinne agierten, erhielten eine SMS mit den Worten: „Ich habe Sie aus meinem Telefonverzeichnis gelöscht.“        

Rebecca Bellano

Foto: Mehr als nur „EU-skeptisch“: der tschechische Präsident Václav Klaus

 

Zeitzeugen

Hans-Gert Poettering – „Ich habe das noch nicht erlebt bisher in meiner langen politischen Erfahrung im Europäischen Parlament“, war alles, was der Parlaments-Präsident Poettering über das Verhalten des tschechischen Präsidenten sagen wollte. Václav Klaus hatte bei dem Besuch einer EU-Delegation einige ihrer Vertreter beschimpft und den Vorgang offenbar auch noch der Presse zuspielen lassen.

 

Václav Klaus – Der 1941 geborene Prager ist seit 2003 Präsident der Tschechischen Republik. Klaus wird als Wirtschafts-Experte in seinem Land geachtet. Der Verteidiger der Benesch-Dekrete ist ein überzeugter EU-Gegner und bekämpft diese, so intensiv er es von seinem Amt aus kann.

 

Declan Ganley – Der 1968 in London geborene irische Millionär hat mit seiner Kampagne gegen den Lissabon-Vertrag zum Nein der Iren im Referendum im vergangenen Juni beigetragen. Der Geschäftsführer von Rivada Networks, einem US-amerikanischen Unternehmen, das Kommunikationssysteme für die Nationalgarde der Vereinigten Staaten bereitstellt, ist bekennender Gegner einer EU-Verfassung. Bereits 2003 schrieb er einen kritischen Aufsatz über die damals geplante EU-Verfassung für das US-amerikanische Foreign Policy Research Institute (FPRI). Anfang Dezember gründete er in Brüssel die Partei Libertas.

 

Václav Havel – Der 1936 geborene Literat war von 1993 bis 2003 Präsident der Tschechischen Republik. Klaus, der als Ministerpräsident zurücktreten mußte, folgte Havel als Präsident. Zwischen den beiden prominentesten tschechischen Politikern besteht eine alte Feindschaft.

 

Nicolas Sarcozy – Der französische Präsident traut den Tschechen nicht viel zu, wenn es um die EU-Ratspräsidentschaft geht. Der 53jährige soll sogar versucht haben, die EU-Ratspräsidentschaft für sein Land durch die Hintertür zu verlängern, indem er 2009 den Vorsitz in der Gruppe der Staaten übernimmt, die den Euro eingeführt haben, so daß er die Kontrolle über die Finanzpolitik behalten könne. Prag reagierte empört, und auch Brüssel wehrte ab.


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