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20.12.08 / Das Luftschloß

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-08 vom 20. Dezember 2008

Das Luftschloß von Annapolis
Kein Friede in Nahost – Die riesige Konferenz vom November 2007 forderte Ergebnisse bis Ende 2008

Gegen Ende ihrer Amtszeit machen sich US-Präsidenten jeweils „ernsthaft“ an die Lösung des Nah-ostproblems: Bill Clinton versuchte es im Juli 2000 mit dem Treffen „Camp David II“, George Bush wollte vor gut einem Jahr mit einer riesigen Konferenz eine Friedenregelung schaffen. Ergebnisse sind ausgeblieben.

Bush wollte nicht erst kleckern, sondern gleich klotzen. Er lud Ende November 2007 groß nach Annapolis ein: Über 50 Staaten und Organisationen, kurzum alles, was wichtig ist – mit Ausnahme des Iran. Und ohne die Schweiz, offenbar weil die unter Schweizer Ägide sehr weit gediehene „Genfer Initiative“ – eine von dem Linkspolitiker Yossi Beilin und dem Arafat-Vertrauten Yassir Abed Rabbo ausgehandelte Kompromiß-Lösung – nicht ins Kalkül paßte.

Bush war dann ganze drei Stunden im Konferenzsaal, und geboren wurde der „Annapolis-Prozeß“, der „in ernsthaften Verhandlungen“ bis Ende 2008 einen israelisch-palästinensischen Friedensvertrag zustande bringen sollte. Das Wort „Prozeß“ hat sich ja eingebürgert für alles, was man eigentlich unter den Teppich kehren möchte – wie schon beim 1993 in Oslo eingeleiteten „Friedensprozeß“, von dem nach Ariel Scharons Provokation auf dem Tempelberg im September 2000 und der damit ausgelösten Zweiten Intifada nur noch die Worthülse blieb.

Der Annapolis-Prozeß brachte viele Gespräche. Aber wie sagte US-Außenministerin Condoleezza Rice kürzlich: Es seien „die bisher ernsthaftesten Verhandlungen“ gewesen, und sie hoffe, „die Dynamik des Verhandlungsprozesses“ bleibe erhalten. So umschreiben Politiker und Diplomaten völlige Ergebnislosigkeit. Rice gibt den innenpolitischen Wirren in Israel die Schuld. Doch die Palästinenser sind mindestens so zerstritten – aus eigener Schuld und mehr noch, weil andere an ihrer Spaltung arbeiten. Die Hamas etwa wurde in ihren Anfängen von Israel unterstützt, um Arafat zu schwächen. Die Angehörigen der 11000 in Israel inhaftierten Palästinenser sind erpreßbar, und manche von ihnen lassen sich für Agentendienste einspannen. Aber auch die arabischen Staaten und der Iran tragen durch „selektive“ Unterstützung zur Spaltung der Palästinenser bei.

Das Annapolis-Fiasko war schon allein deswegen absehbar, weil die beteiligten Spitzenpolitiker schwer angeschlagene Auslaufmodelle sind – nicht nur der US-Präsident: Der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert, belastet durch Korruptionsaffären und das Fiasko des Libanon-Feldzugs im Sommer 2006 wurde bereits an der Kadima-Parteispitze von Außenministerin Tzipi Livni verdrängt und wird nach den Wahlen im Februar 2009 ganz verschwinden. Wohl deshalb konnte er es sich erlauben, die jüngsten Ausschreitungen von „Siedlern“ gegen die Araber in Hebron als Pogrom zu bezeichnen.

Palästinenser-Präsident Abbas repräsentiert nicht viel mehr als sich selbst und einen Teil der Fatah. In den zersplitterten Resten des Westjordanlands – rund die Hälfte ist israelisches Sperrgebiet – kann er nur tun, was ihm Israel erlaubt, und muß israelischen „Razzien“ tatenlos zusehen. In Gaza ist er ganz machtlos, und obendrein läuft sein Mandat am 9. Januar aus.

Was aber kommt danach? Im US-Präsidentschaftswahlkampf sympathisierten die Israelis mehrheitlich mit John McCain, die Araber und andere Muslime eher mit Barack Obama. Doch deren Hoffnungen sind verflogen: Der von Obama designierte Stabschef im Weißen Haus, Rahm Emmanuel, hat in der israelischen Armee gedient, und die designierte Außenministerin Hillary Clinton verstieg sich, als sie selber noch im Rennen war, sogar dazu, dem Iran mit der „Auslöschung“ zu drohen. Der israelische Publizist Uri Avneri hatte allerdings schon im Juni erklärt, daß Obamas Rede bei der AIPAC-Konferenz (AIPAC = American Israel Public Affairs Committee) „alle Rekorde der Unterwürfigkeit“ gebrochen habe.

Im israelischen Wahlkampf überwiegen die scharfen Töne. Avigdor Liberman, Gründer der Partei Yisrael Beiteinu, die vor allem unter den „Russen“, den aus der UdSSR Eingewanderten, Zulauf hat, tritt schon seit Jahren für die „Überführung“ aller Palästinenser ein. Der dafür verwendete Begriff „Transfer“ entspricht übrigens dem im Potsdamer Protokoll vom August 1945 verwendeten Terminus für die Vertreibung der Ost- und Sudetendeutschen. Dasselbe will der Likud-Politiker Moshe Feiglin, und sogar Tzipi Livni, die Ministerpräsidentin werden will, machte ähnliche Andeutungen. Ist ja nur Wahlkampf? Doch wie reagiert die Welt, wenn andernorts schärfere Töne fallen? Bedauerlich, daß die Ini-tiativen gemäßigter Israelis – etwa des Dirigenten Daniel Barenboim – untergehen.

Abbas will auch nach dem 9. Januar im Amt bleiben und kann damit rechnen, daß die „westlichen Demokratien“ sein demokratisch nicht legitimiertes Vorhaben ebenso unterstützen werden, wie sie umgekehrt den demokratischen Wahlsieg der Hamas 2006 nicht akzeptierten. Als Folge der durch die Gaza-Blockade entstandenen Misere scheint die Hamas zwar an Sympathien zu verlieren. Aber wer sich darüber freut, sollte bedenken, daß damit nur noch radikalere Kräfte Auftrieb erhalten.             R. G. Kerschhofer

Foto: Spannungen seit Jahrzehnten: Diese jüdischen Siedler im Zentrum von Hebron leben in einer Art Festung.


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