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20.12.08 / Bereits im März droht Haushaltssperre / Der US-Bundesstaat Kalifornien muß massive Steuerausfälle verkraften – Einsparungen im Sozialbereich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-08 vom 20. Dezember 2008

Bereits im März droht Haushaltssperre
Der US-Bundesstaat Kalifornien muß massive Steuerausfälle verkraften – Einsparungen im Sozialbereich

Erst entließen Unternehmen Zehntausende Mitarbeiter, jetzt schicken auch die Behörden ihre Mitarbeiter in unbezahlten Urlaub; in der achtgrößten Volkswirtschaft ist nichts mehr sicher.

Über einen Mangel an „Santa Claus” kann man hier nicht klagen. Amerikanischer Tradition folgend überschwemmen ganze Heere von Männern in roten Kapuzenmänteln mit weißem Pelzbesatz Straßenecken und Einkaufszentren. Doch das ist in dieser Zeit der globalen Finanzkrise der einzige Überfluß im sonst so weihnachtsfreudigen Kalifornien. Die achtgrößte Volkswirtschaft der Welt ist trotz ewiger Sonne und wütender Feuer geradezu zu Eis erstarrt. Gouverneur Arnold Schwarzenegger verkündete am 10. Dezember in einer überraschend einberufenen Pressekonferenz, daß die Finanzkrise des Sonnenstaates sich in den letzten Wochen derart verschlimmert habe, daß zu dem ohnehin gigantischen Budget-Minus von elf Milliarden US-Dollar noch weitere 3,6 Milliarden hinzukämen und daß es im kommenden Februar zu ernsthaften Zahlungsschwierigkeiten kommen dürfte. Grund vor allem: Die um 36 Prozent gesunkene Kauflust der Leute auf allen Gebieten und damit verminderte Steuereinnahmen sowie die in den Keller gerutschten Grundstückswerte.

Kalifornien muß also sparen. Doch wo? Der Teufelskreis trifft wieder einmal die Ärmsten. Orange County, die größte Gemeinde in Süd-Kalifornien, ist zum Beispiel dabei, 210 Stellen in ihrem Sozialdienst zu kündigen sowie 4000 ihrer im Sozial-Department Angestellten zu zwingen, zwei Wochen unbezahlten „Zwangsurlaub“ zu machen. Das bedeutet nicht nur einen Job- oder Verdienst-Verlust für die Betroffenen (wogegen die Gewerkschaft klagen will), sondern auch gigantische Verzögerungen bei sozialen Dienstleistungen wie Anträgen auf Sozialhilfe und die Entscheidungen über dieselben. Das Problem, das für ganz Kalifornien gilt, besteht darin, daß die Sozialhilfe größtenteils aus Einkünften von Verkaufssteuer und Autofahrer-Lizenz-Gebühren finanziert wird. Bereiche, in denen der Staat die meisten Einbußen erlitten hat.

In Los Angeles, das 2008 ein Haushaltsdefizit von 86,6 Millionen Dollar zu verkraften hat, versucht Bürgermeister Villaraigosa Massenentlassungen unter den 22000 Angestellten der Stadt zu verhindern, indem er ein Frühpensionierungs-Programm erarbeitet hat. Gespart werden soll beim Straßenbau, bei Schulen, öffentlichen Bücherhallen und anderen sozialen Einrichtungen wie dem Programm „Homeboy“. In diesem werden zur Zeit 8000 junge Menschen, zumeist Latinos, Schwarze und Asiaten, aus über 700 Gangs mit Jobs von der Straße geholt.

Das Wort „Lay-off“, Entlassung, fällt derzeit an allen Ecken und Enden. 40000 Lay-offs bei Ford, 20000 bei der Bank of America. In Fernsehstationen und Filmstudios, Fitnesstudios und Friseurläden, im großen wie im kleinen – keiner ist mehr sicher. Und die Leute richten sich darauf ein, versuchen, sich nicht unterkriegen zu lassen und trotz allem etwas von dem gewohnten festlichen Weihnachtsgefühl zu erhalten. So die Redakteure der ehrwürdigen „L.A. Times“, die ihre Zeitung mutig weitermachen, obwohl ihre Eigentümerin, die Chicago Tribune Co. mit dem dubiosen Milliardär Sam Zell, gerade Bankrott angemeldet hat.

Trotz aller negativen Entwick-lungen wird überall versucht, den Weihnachtszauber so gut es geht aufrechtzuerhalten. Hilfsorganisationen sorgen mit Musik und Weihnachtsmann dafür, daß die Ärmsten und ihre Kinder Geschenke und Lebensmittel erhalten. So beim jährlichen „Miracle on First Street“. Dort standen an die 10000 Menschen die ganze Nacht an, um am Morgen etwas zu ergattern. Wie die Familie Ixcoy, die um 5 Uhr früh eintraf. Acht Brüder mit Ehefrauen und Kindern. Alle hatten in diesem Jahr ihren Job verloren. Sie warteten freudig bis 12 Uhr mittags und zogen glücklich mit ihren Geschenken ab. „Wenigstens ein Geschenk sollten die Kinder bekommen“, sagte Lydia, 23 Jahre alt. „Dieses Jahr hätten wir ihnen nichts kaufen können.”

Und während die Ärmsten sich über die kleinste Gabe freuen und „daß man sie nicht vergessen hat“, „leiden“ die Reichen von Beverly Hills in der weihnachtlichen Finanzkrise auf hohem Niveau. Vor allem, was die Partys betrifft, die zwischen Thanksgiving und Neujahr Tradition sind.

Die „L.A. Times“ nennt das ironisch „Rezessionismus“ und zitiert eine Beverly-Hills-Dame namens Julie Passo, die in diesem Jahr nur ein Viertel der sonstigen Partyeinladungen bekommen hat. (Auch weil Ende Januar überall Obama-Partys zur Amtseinführung geplant sind.) „In diesem Jahr gibt es nur Wein, Bier und Champagner. Keiner macht mehr ,Open Bar‘ und teuren Kaviar. Und die Kleidung wird bequem gewünscht, nicht mehr festlich.” Preiswertere Cocktail-Partys haben die langen Dinner ersetzt. Und das gelieferte Essen wird plötzlich „homey” verlangt, also wie bei Muttern. So ist der neueste Hit, wie der „Senior Director for Special Events“ in Beverly Hills, Bonnie Glassco, verrät, „Kartoffelbrei! Das kostet nicht viel. Dazu liefern wir aus Italien importierte Pancetta, Käse und Zwiebeln. Und natürlich ein wenig Hummer. So haben die Leute eine schöne Mischung aus Bodenständigem und Luxus.“     

Liselotte Millauer

Foto: Doppelt abgebrannt: Kaliforniens Gouverneur Schwarzenegger vor Waldbrand-Schäden im Herbst.


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