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20.12.08 / Ein Kopf voll umwälzender Ideen / Der aus Königsberg stammende Architekt Bruno Taut suchte sein Glück auch im Osten – Anerkennung aber fand er im Westen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-08 vom 20. Dezember 2008

Ein Kopf voll umwälzender Ideen
Der aus Königsberg stammende Architekt Bruno Taut suchte sein Glück auch im Osten – Anerkennung aber fand er im Westen

Eine der Umgebung angepaßte Farbigkeit, die geschickte Einbeziehung der Natur, eben menschenwürdiges Wohnen überhaupt – darüber machen sich die Architekten nicht erst seit unseren Tagen Gedanken. Schon in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wollte man diese Forderungen in die Tat umsetzen. Zu den Architekten, die sich erfolgreich für menschenwürdiges Bauen einsetzten, gehörte der Ostpreuße Bruno Taut, der sich wie sein Bruder Max oder sein Allensteiner Landsmann Erich Mendelsohn weit über die Grenzen Deutschlands einen Namen gemacht hat. Taut stellte aber auch Ansprüche an die Bewohner „seiner“ Häuser. So schrieb er 1927: „Wer in Filzpantoffeln und in Hemdsärmeln durch seine Wohnung latscht, dem ist auch mit einem sauberen Bau nicht geholfen.“ Die innere Beziehung zwischen Umfeld und innerer Einstellung hat Bruno Taut beschäftigt  wie wohl keinen anderen Architekten. Im lag es daran, durch humane Wohnarchitektur „gute“ Charaktere zu bilden.

Geboren wurde Bruno Taut am 4. Mai 1880 in Königsberg. Vier Jahre später erblickte dort auch sein Bruder Max das Licht der Welt, der ebenso Architekt werden sollte. Bruno galt allerdings von vornherein als der Begabtere. Er besuchte das Kneiphöfische Gymnasium, das er 1897 mit dem Abitur verließ. In Königsberg ließ er sich an der Baugewerkschule ausbilden und arbeitete in den Sommermonaten als Maurerlehrling auf dem Bau.

Bald aber zog es den jungen Mann in die Ferne; Heimat aber wurde ihm nicht zum Fremdwort. So stellte er einmal fest: „Was will ich schaffen? Ich will meinen Landsleuten zeigen, wie tief die Natur ist und wie sie ihre Häuser so bauen, daß sie die Tiefe der heimatlichen Natur widerspiegeln.“

Bruno Möhring in Berlin und Theodor Fischer in Stuttgart, zwei angesehene Architekten ihrer Zeit, gaben dem jungen Ostpreußen weitere Anstöße zu seinem Schaffen.

1909 dann eröffnete er gemeinsam mit Franz Hoffmann ein Büro in der Berliner Lutherstraße, später in der Potsdamer Straße. In dieses Büro trat dann auch sein Bruder Max ein.

Gemeinsam waren Max und Bruno Taut 1918 Mitglied der Novembergruppe (eine 1918 in Berlin gegründete radikale Künstlervereinigung) geworden und setzten sich für „Neues Bauen“ ein. Ein Vorhaben, das Bruno vor allem in Magdeburg, wo er von 1921 bis 1924 als Stadtbaurat tätig war, und in Berlin durchsetzen konnte.

Dort waren es in erster Linie die Gartenvorstädte und Großsiedlungen wie die Carl-Legien-Siedlung am Prenzlauer Berg, die Hufeisen-Siedlung in Berlin-Britz, die er gemeinsam mit dem Königsberger Martin Wagner schuf, und die Gartenstadt Falkenberg in Treptow-Altglienicke, die wegen ihrer Farbigkeit Tuschkastensiedlung genannt wurde. Der Volksmund lästerte: „Schaut, schaut, was wird denn da gebaut, ist denn keiner, der sich’s traut und dem Taut den Pinsel klaut?“ Heute wird diese Farbigkeit geschätzt; viele Bauten sind restauriert und wurden in die Welterbeliste der Unesco aufgenommen.

Bruno Taut hat sich jedoch nicht nur als ein bedeutender Baumeister und Gestalter von Fassaden erwiesen, sondern auch als bedeutender Innenarchitekt.

Sein erster nachweisbarer Entwurf eines Raumes stammt aus dem Jahr 1904; auch hinterließ er zahlreiche Schriften zu diesem Thema und beschäftigte sich bis zuletzt mit der Innenraumgestaltung. Er entwarf Möbel, Lampen, Türgriffe und Zimmeruhren und malte zauberhafte Pastelle. Stets war er bemüht, die Wohnumwelt von Kitsch zu befreien und auch die Bewohner, vor allem die Hausfrau, in die Gestaltung der Räume mit einzubeziehen. In seinem theoretischen Œuvre beschäftigte er sich auch mit utopischer Architektur. Sein Hauptwerk „Alpine Architektur“ erschien 1919 und entwarf die Utopie eines Weltumbaus, wie etwa die architektonische Bearbeitung der Alpen. In künstlerisch bekenntnishafter Übersteigerung und aus einer durch die Greuel des Weltkriegs hervorgerufenen Abscheu ersann Taut einen völligen Neubau der Welt.

Weitere Stationen in der Laufbahn des Architekten Bruno Taut waren: Künstlerischer Leiter der Gehag-Entwurfsabteilung in Berlin (ab 1924), Professor an der Technischen Hochschule Berlin (1930), Mitglied der Preußischen Akademie der Künste (1931), Übersiedlung nach Moskau (1932), Rück-kehr nach Berlin und Flucht in die Schweiz, später nach Japan (1933), Ruf als Professor an die Akademie der Künste in Istanbul und Leiter des Architekturbüros des türkischen Unterrichtsministeriums (1936). Als Taut am 24. Dezember 1938 in der Türkei starb, hinterließ er auch dort eine Reihe von Bauten, so Schulen und Universitätsgebäude in Ankara und Izmir.

„Der Orient ist die wahre Mutter Europas“, hat Taut 1916 begeistert ausgerufen. „Unsere schlummernde Sehnsucht geht immer dorthin.“ In dem Band „Ex oriente lux“ aus dem Gebr. Mann Verlag, Berlin, sind seine Schriften zum architektonischen Kunstwerk von 1914 bis 1938 unter dem Aspekt seiner Begeisterung für den Orient gesammelt (264 Seiten, Klappbroschur, zahlreiche Schwarzweißaufnahmen, 49 Euro). Sie zeigen Tauts Hoffnung auf eine bessere Welt und seinen Glauben an den Menschen.

In Moskau hoffte er, eine solche Welt zu finden, und 1932 folgte er einer Einladung des Moskauer Stadtrats. Briefe, die er an sein Berliner Büro schickte und die Barbara Kreis für den Gebr. Mann Verlag kommentiert herausgegeben hat (416 Seiten mit 168 Abbildungen, gebunden mit Schutzumschlag, 69 Euro), bieten einen authentischen Einblick in die Entwicklung Moskaus Anfang der 30er Jahre.

Bald schon mußte Taut erkennen, daß er einer Illusion zum Opfer gefallen war. Sein linksbürgerliches Sendungsbewußtsein ließ sich mit der Wirklichkeit in Stalins Machtbereich nicht vereinbaren.

Der Architekturkritiker Julius Posener wertete die Bedeutung des Tautschen Werks einmal kurz und umfassend: „Er wollte die Gleichheit, und er wollte sie in Freiheit. Gleichheit als Monotonie ist degradierend: Der Mensch wird zur Ziffer. Das Formale ist ebenfalls degradierend: Der Mensch wird zum Teil eines Musters. Taut wollte beides zugleich. Gleichheit und Individualismus ...“        os

Foto: Tuschkastensiedlung: Die bunten Häuser der Gartensiedlung Falkenberg von Bruno Taut wurden in die Welterbeliste der Unesco übernommen.


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