20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
20.12.08 / Die Frauen liebten nur seine Musik / Berühmte Liebespaare: Franz Schubert, Therese Grob und Caroline von Esterhazy

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-08 vom 20. Dezember 2008

Die Frauen liebten nur seine Musik
Berühmte Liebespaare: Franz Schubert, Therese Grob und Caroline von Esterhazy

Frauen lieben nur meine Musik, aber keine liebt mich“, soll er geäußert haben. Diese niederdrückende Vermutung fühlte Franz Schubert bestätigt, wenn er in den Spiegel schaute. Er empfand sich als häßlich, litt unter seinem kleinen Wuchs. Da er gutes Essen und süffige Weine schätzte, neigte er zur Fülligkeit. Schön waren sein dichter, brauner Lockenschopf und seine abwägend blickenden, wachsamen Augen, deren Eindringlichkeit die starken Brillengläser nicht schmälerten.

Schubert war sich der Ausstrahlung vieler kleiner Menschen nicht bewußt. Trotz seiner vermeintlichen „Häßlichkeit“ haben ihn zwei Frauen geliebt. Die erste Heirat scheiterte an Schuberts unzulänglichen Geldmitteln, die zweite am Standesunterschied.

Franz Schubert (1797–1828) kam in Wien-Lichtenthal zur Welt. Der Vater stammte aus Böhmen, die Mutter aus Schlesien. Franz sollte in die Fußstapfen seines Vaters treten und Lehrer werden. Er folgte dem Rat; Anstellung zu finden gelang ihm nicht, wohl weil er nur ein Ziel kannte: Komponieren. Er reihte sich in den Kranz „unsterblicher Meister“ ein. Messen, Symphonien, Sonaten, Tänze mehrten den erst zaghaften, dann sich stabilisierenden Ruhm. Die Krönung seines Schaffens ballte sich in der H-Moll-Symphonie („Die Unvollendete“) und den Liederzyklen „Die schöne Müllerin“ sowie „Die Winterreise“. Ihm blieb es vorbehalten, das vertonte Gedicht zum Musikkunstwerk zu erheben.

Mit der schmalgesichtigen, damenhaften Therese Grob verband ihn erste Liebe. Die reiche Seidenweberstochter war zur Sängerin ausgebildet und sang 1814 die Solopartie in seiner frühen Messe F-Dur. Beide waren sich über eine Heirat einig und beide wußten, daß sie niemals stattfinden würde. Ein erstaunlich nüchternes Urteil für den 17 Jahre alten Schubert und die 16jährige Therese. Schubert konstatierte realistisch, daß sein Einkommen zur Eheschließung nicht reichte und Therese erahnte bald, daß Schubert in ihr vor allem die Sängerin liebte. Ein Leben lang singen, schwebte ihr aber nicht als Daseinsziel vor. So trennten sie sich 1819. Therese heiratete einen gutsituierten Bäckermeister, konnte respektgebietende Ehefrau werden, Schubert weiter sein Lebensziel anstreben.

Er wurde in einen Freundeskreis Wiener Intellektueller aufgenommen, dem Gelehrte und Künstler aller Sparten angehörten. Schubert war der einzige Musiker und schon deshalb willkommen. Man richtete die „Schubertiaden“ ein, Abendtreffen, bei denen er seine neuesten Kompositionen hören ließ. Die Treffen fanden in Privatwohnungen oder Stammlokalen statt. Sie waren Entree in die maßgebende Wiener Gesellschaft. Die Freunde setzten sich auch gezielt für höhere Honorare bei Schuberts Verlegern ein. Er selbst hätte es nie gekonnt: Bettelei war ihm zuwider. Nun reichten die Einkünfte für seine ohnehin bescheidenen Bedürfnisse.

In ein wahres „Goldland“ geraten zu sein, dünkten Schubert die ab 1818 wiederholten Einladungen des Grafen Johann Karl Esterházy ins ungarische Landschloß Zselíz. Er wurde als Musikmeister engagiert und galt faktisch als Familienangehöriger. Die beiden kleinen Töchter unterrichtete er im Klavierspiel.

Töchter werden junge Damen. Bei seiner Ankunft 1824 schlenderte Schubert durch den Garten, pflückte einen Apfel. Eine anmutige Gestalt kam ihm entgegen, blieb bei ihm stehen. Sein Herz holperte. Augenblicklich wußte er, daß die Liebe seines Lebens vor ihm stand. „Ist der Apfel für mich?“ fragte Caroline Esterházy. Tolpatschig reichte er ihr den Apfel: „Ich bin der Franz Schubert“. Sie lachte: „Sieh mal an!“ Sie ermunterte ihn, mit ihr zu musizieren. Das taten sie ausgiebig, unternahmen Wanderungen, fischten Forellen. Ihre Gemeinsamkeit ließ Graf Esterházy schmunzeln. Ernst zu nehmen war es nicht. Darin irrte der Graf ...

Am Abschiedstag von Zselíz brachte Caroline „ihren Franz“ zum Wagen. Sie reichte ihm ein Porträt-Aquarell. „Zur Erinnerung an mich. Aber ich habe nichts von Ihnen.“ Er schreckte auf: „Nichts von mir? Es ist Ihnen doch alles gewidmet, mein ganzes Werk, jeder Ton!“ Noch ein langer Händedruck. Die Kutsche fuhr an ...

Caroline und Schubert lebten ihre Liebe fortan in Gedanken weiter, getrennt und doch verbunden. 20 Jahre später heiratete Caroline den Grafen Crenneville. Die Esterházys waren zufrieden; auf eine unglückliche Ehe mehr kam es beim Adel nicht an.

Unvergängliche Liebe! Carolines Porträt hing in Schuberts Arbeitszimmer. Beim Komponieren blick-te er es zeitweilig an. Dann fühlte er Caroline neben sich. Ihrerseits spielte sie oft das Lied „Die Forelle“. Zärtlicher Gedanke: „Für uns!“

Am 18./19. November 1828 erlag Schubert einer Typhusinfektion durch verseuchtes Trinkwasser. Die Freunde Franz Lachner und Eduard von Bauernfeld sollen die letzten gewesen sein, die den im Delirium Ringenden lebend antrafen. Auf der Bettdecke deuteten die Finger ein Lied aus der „Winterreise“ an: „Eine Straße muß ich gehen, die noch keiner ging zurück.“ Dann lag die Hand ruhig. Lachner strich Schubert die schweißnassen Locken von der Stirn, drückte die Lider zu. Fragend blickte Bauernfeld. Lachner nickte. Esther Knorr-Anders


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren