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20.12.08 / Weniger Staat, mehr Freiheit / Friedrich Merz schwimmt mit seinen Forderungen erneut gegen den Strom

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-08 vom 20. Dezember 2008

Weniger Staat, mehr Freiheit
Friedrich Merz schwimmt mit seinen Forderungen erneut gegen den Strom

Was macht ein Mann, der nach Meinung vieler Bürger das Zeug zum Bundeskanzler hätte, sich aber jetzt auf dem politischen Abstellgleis befindet? Friedrich Merz läßt sich von diesen Widernissen des Lebens in seinem neuen Buch „Mehr Kapitalismus wagen“ nichts anmerken. Weder Selbstmitleid noch Enttäuschung sind zwischen den Zeilen zu lesen. Auch keine polemischen Streitereien oder populistischen Anbiederungen findet man im Buch. Stattdessen erörtert Merz tiefgründig, philosophisch und kenntnisreich langfristige Lösungen für die Probleme unseres Landes in der Wirtschafts-, Steuer- und Sozialpolitik.

Dabei geht der Autor durchaus und in gewohnter Manier streitlustig gegen den Zeitgeist und seine politischen Gegner vor. Der provokante Titel „Mehr Kapitalismus wagen“ erinnert dabei an einen alten SPD-Wahlkampf-Slogan „Mehr Demokratie wagen“. So hieß es in den 70er Jahren bei Willy Brandt, womit allerdings der Weg in eine ausufernde Staatsverschuldung, einen ewig hungrigen Sozialstaat mit immer höheren Steuern und Abgaben begann. Heute muß jeder Bürger durchschnittlich von jedem verdienten Euro 53 Cent an den Staat abgeben.

Weil das die Motivation zu Leistung und Arbeit zu sehr einschränkt, will Merz hier eine Alternative für das 21. Jahrhundert erarbeiten. Sein Ruf nach einem schwächeren Staat ist mutig in einer Zeit, wo alle Welt den Staat als Retter der Finanzwelt ruft, wo Manager auf der Anklagebank sitzen. Dabei wird allerdings gerne übersehen, daß es gerade die staatlich gelenkten Banken sind, die die größten Probleme haben, wie Merz aufzeigt.

Gegen die Unterstellung eines „neoliberalen Turbokapitalismus“ wehrt sich der Autor zu Recht. Ihm geht es nicht um eine platte Verteidigung der Auswüchse kapitalistischen Wirtschaftens, wie schon der Untertitel verrät. Merz sucht nach einem „Weg zu einer gerechten Gesellschaft“. Das erste Kapitel seines Buches trägt die Überschrift: „Was ist gerecht?“ Hier wird deutlich, wie oberflächlich und einseitig manche Politiker von „sozialer Gerechtigkeit“ reden und damit in Wirklichkeit Gleichmacherei und Umverteilungspolitik meinen.

Dem „freien Bürger“ soll das wirtschaftliche Handeln und die Verantwortung für sich selbst subsidiär überlassen bleiben, so lautet das Credo von Merz. Damit beruft er sich auf die wirtschaftsliberalen Grundtraditionen unseres Landes, auf die Begründer des deutschen Wirtschaftswunders, Walter Eucken und Ludwig Erhardt.

Merz spricht zusammenfassend von einem „magischen Viereck“ aus der aktiven Bürgergesellschaft, einem Staat als Katalysator für Bürgerengagement, starken Unternehmen und starken Bürgern. Das Reden von diesem Viereck klingt nach der Quadratur des Kreises. Bei so viel Stärke fragt sich jeder, wer da eigentlich schwach und stark sein soll. Redet Merz nicht in Wirklichkeit einem schwächeren Staat das Wort? Und wo bleiben bei so viel Stärke die Schwächsten und wenig Leistungsfähigen?

Merz kennt diese Einwände und streitet daher für die soziale Marktwirtschaft. Der Wohlstand muß jedoch erst erwirtschaftet werden, bevor er auch an die Schwachen verteilt werden kann. Kapitalismus meint hier kapitalstarke Unternehmen, kapitalfundierte Sozialversicherungen und Bildungseinrichtungen. Sie sollen dafür sorgen, daß Deutschland auch mit seinen Sozialleistungen an der Spitze bleibt.

Das Buch von Friedrich Merz ist lesenswert. Hier denkt jemand über den politischen Alltag hinaus und entwirft ein – vielleicht zu theoretisches – Modell. Wer das Buch bis zum Ende gelesen hat, glaubt allerdings kaum, daß der Autor es auf dem Abstellgleis der Politik aushalten wird. Zu engagiert sind seine Beiträge. Ob dieses Buch allerdings seinen Parteifreunden in der CDU gefallen wird, bleibt offen. Und so darf man gespannt sein, in welcher Partei das politische Comeback von Friedrich Merz stattfinden wird.    Hinrich E. Bues

Friedrich Merz: „Mehr Kapitalismus wagen – Wege zu einer gerechten Gesellschaft“, Piper, München 2008, 214 Seiten, 19,50 Euro


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