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20.12.08 / Trotz allem Preußin geblieben / Gebürtige Brombergerin über den Verlust ihrer Heimat

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-08 vom 20. Dezember 2008

Trotz allem Preußin geblieben
Gebürtige Brombergerin über den Verlust ihrer Heimat

Charlotte Holz ist Französin. Nein, sie ist Deutsche. Eigentlich beides. Aber vor allem ist sie Preußin von ganzem Herzen geblieben. Im Januar 1945 mußte sie, kaum sechsjährig, mit ihren Eltern und Geschwistern mit der vorletzten Eisenbahn (ihre Mutter erwischte gerade noch die letzte) aus Bromberg in Westpreußen vor der herannahenden Sowjetarmee fliehen. Fünf Jahre dauerte die Odyssee, fünf Jahre, in denen die Familie Unterkünfte fand aber, wie die Mutter sagte, keine „Bleibe“.

Heute kehrt die 69jährige Autorin zumindest mit der Feder zu ihren Wurzeln zurück. Sie ist im Alter, in dem man sich Fragen zur eigenen Identität stellt und auf die verschollenen geliebten Menschen und auf die Heimat, das verlorene Kindheitsparadies, zurückblickt. Vor zwei Jahren zeigte Frau Holz, die der Rezensent in der Eisenbahn zwischen Paris und Berlin kennengelernt hatte, ihm ihr Manuskript mit dem Titel „Die Bleibe“. Er informierte die PAZ-Redaktion und vermittelte dann auf deren Rat zwischen ihr und dem Frieling Verlag in Berlin, der heilfroh ist, diese Kostbarkeit für die künftigen Generationen festgehalten zu haben. Das Buch wurde  auf der letzten Frankfurter Buchmesse mit Erfolg vorgestellt. Frau Holz arbeitet jetzt an einer französischen Übersetzung.

Am besten ließe sich dieser Lebensroman mit den Jugendme-moiren des französischen Schriftstellers Marcel Pagnol „Der Ruhm meines Vaters“, „Das Schloß meiner Mutter“ und „Die Zeit der Geheimnisse“ vergleichen. Denn Charlotte Holz, die seit ihrer Heirat 1962 mit einem französischen Ingenieur eigentlich einen französischen Namen trägt, zelebriert das Andenken an eine frohe, wenn auch nicht von Geld gesegnete kurze Kindheit in einer intakten Familie mit einem gütigen und prinzipientreuen Vater und einer fürsorgenden und liebevollen Mutter, die den Kindern eine heile Welt vormachten, die es nicht mehr gab. Zum Glück war der Vater, der wie Pagnols Vater auch Volksschullehrer war, wegen einer Behinderung kriegsuntauglich. Mit leichter Feder deutet Frau Holz das darauffolgende Leiden nach Flucht und Vertreibung an. Sie beschreibt distanziert und mit unterschwelligem Humor, wie die Deutschen damals den Launen der sowjetischen Sieger ausgeliefert waren.

Charlotte Holz zeigt, daß es sich immer lohnt zu überleben und daß wo ein Wille auch ein Weg ist. Das Kriegs- und Fluchttagebuch ihrer mutigen und frommen Oma, das sie wiedergefunden hat und wiedergibt, ist ein Beweis dafür. Erstaunlich vor allem ist es, wie die Autorin, die sich in der Sprachenschule in Wuppertal zur Fremdsprachenkorrespondentin für Französisch und Englisch qualifiziert hatte, Vokabular und Denkweise ihrer Altvorderen behalten hat. Das Buch wimmelt von Sprüchen, Vokabeln und Weisheiten, die damals landläufig waren.

Die Autorin hat diese verlorene Welt aus der Froschperspektive des Kindes gesehen – um so fester hat sie sich ihr eingeprägt. Kinder sind anders als Erwachsene extrem anpassungsfähig. Die Eltern sorgten für Kontinuität und die Kinder für Opportunität in der chaotisch gewordenen Welt vom Kriegsende und in der Not der frühen Nachkriegszeit.     J.-P. Picaper

Charlotte Holz: „Die Bleibe – Ein Flüchtlingsschicksal“, Frieling Verlag, Berlin 2008, broschiert, 144 Seiten, 8,90 Euro


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