23.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
20.12.08 / Gustav ist 80 Jahre alt geworden / Tilsiter feierten den Geburtstag ihres Elches – Den Weltkrieg überstanden, nun wieder am alten Ort

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-08 vom 20. Dezember 2008

Gustav ist 80 Jahre alt geworden
Tilsiter feierten den Geburtstag ihres Elches – Den Weltkrieg überstanden, nun wieder am alten Ort

Das berühmte Tilsiter Wahrzeichen, die bronzene Elchstatue, wurde in diesem Jahr 80. Die heutigen Bewohner der Memelstadt erwiesen dem Denkmal, dessen wechselvolle Geschichte traurige Episoden durchlief, alle Ehre.

Der Elch ist in Ostpreußen ein sehr beliebtes Tier. So ist es nicht verwunderlich, daß es im Königsberger Gebiet zwei Elchplastiken gibt. Die eine stand nach ihrer Entstehung in Gumbinnen, die andere in Tilsit. Beide hat der bekannte deutsche Bildhauer Ludwig Vordermayer erschaffen. Die Elchplastiken ähneln einander beinahe wie Zwillinge. Unterschiede bestehen darin, daß der Gumbinner Elch nach rechts, der von Tilsit jedoch nach links schaut. Außerdem unterscheiden die beiden sich in Größe und Alter. Der Gumbinner Elch enstand 1912, der Tilsiter erst im Juni 1928. Letzterer wurde auf dem Anger, dem heutigen Theaterplatz, aufgestellt. Die Plastik war ein Geschenk des damaligen preußischen Ministerpräsidenten Otto Braun an die Stadt, verbunden mit dem Wunsch, daß der Elch ein Symbol für die Größe und Standhaftigkeit Tilsits werde. Der Elch erlangte bei den Tilsitern eine ungewöhnliche Popularität und wurde neben der Königin-Luise-Brücke zum Wahrzeichen der Stadt. Sein Abbild zierte Gemälde ebenso wie Postkarten und Briefe der Vorkriegszeit. Die Tilsiter nannten ihn „Gustav“ nach einer nächtlichen Taufe.

Nach dem Krieg entfernten die Sowjets den Elch von seinem Platz vor dem Stadttheater. Später wurde er beim Stadion aufgestellt, wo er bis Anfang der 50er Jahre verblieb. Doch dann befahl die Gebietsleitung ohne Wissen der Tilsiter Stadtverwaltung, den Elch nach Königsberg zu schaffen und ihn dort im Zoo aufzustellen – gleichsam als Konkurrenz zu seinen lebenden Verwandten und zum Gumbinner Elch, der sich gleichfalls dort befand.

Der Vorsitzende der Stadtgemeinschaft verdeutlichte den Bewohnern Tilsits, welche Bedeutung der Elch für die Stadt hatte, und regte an, ihn wieder „nach Hause“ zu bringen. Die Stadtgemeinschaft bemühte sich bei allen Gelegenheiten, auf die Rückkehr des Elches hinzuwirken. Schließlich machten sich auch die jetzigen Bewohner dieses Anliegen mit Freude zu eigen. Den russischen Aktivitäten und dem fortgesetzten Bemühen der Stadtgemeinschaft Tilsit folgte dann die Heimkehr. Zu Gustavs Reisekosten trug die Stadtgemeinschaft nach ihren Möglichkeiten bei.

Heute verschönert das Waldtier wieder Tilsit. Seine Rückkehr durchzusetzen war kein leichtes Unterfangen. Jahrelang forderte die Stadt Tilsit von Königsberg die Rückgabe. Eine Reihe von Unterschriftensammlungen und Petitionen war notwendig, um die Politiker davon zu überzeugen, daß der Tilsiter Elch an seinen ursprünglichen Ort zurückkehren solle. Vor zwei Jahren war es endlich soweit.

Der damalige Königsberger Bürgermeister Jurij Sawenko hatte das Vorhaben unterstützt. Nachdem der Königsberger Stadtrat beschlossen hatte, den Elch an Tilsit zurückzugeben, begann die Restaurierung der Bronzeplastik. Die Wiederherstellung dauerte knapp zwei Monate. Die Restaurateure waren gut im Training, da sie erst kurz vorher eine weitere Statue – das Lenin-Denkmal – restauriert hatten. Die Elchplastik hatte während des Krieges stark gelitten, weshalb unter anderem Einschußlöcher beseitigt werden mußten. Zwei ließ man jedoch „als Mahnung“ übrig.

Heute ist der Tilsiter Elch wieder an seinem angestammten Ort, gegenüber der Stadtverwaltung, zu bewundern. Anläßlich des 80. Geburtstages dieses inoffiziellen Wahrzeichens würdigten die Bewohner gemeinsam mit den Stadtoberhäuptern den Elch. Sie betonten ausdrücklich, daß sie die Tradition und die Geschichte der Stadt pflegen und – wie früher die deutschen Einwohner – den Tilsiter Elch gemeinsam mit der Königin-Luise-Brücke in Ehren halten wollten. Alles war wie bei einem richtigen Geburtstag mit einem Feiertagsgesteck auf dem Kopf und einer Kette um den Hals. Heute ist die „Elchinsel“, wie das Podest, auf dem der Elch steht, genannt wird, einer der populärsten Orte der Stadt.

Jurij Tschernyschew / Horst Mertineit

Foto: Gustav: Die Elchstatue erfreut sich bei jung und alt großer Beliebtheit und ist ein dankbares Fotomotiv.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren