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20.12.08 / Roter Stern über Mitteldeutschland / Wie DDR-Kommunisten das Weihnachtsfest verbogen – Väterchen Frost als »Amtsbruder« des Weihnachtsmanns

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-08 vom 20. Dezember 2008

Roter Stern über Mitteldeutschland
Wie DDR-Kommunisten das Weihnachtsfest verbogen – Väterchen Frost als »Amtsbruder« des Weihnachtsmanns

Die „Rote Fahne“, das Zentralorgan der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), schrieb am 25. Dezember 1930, das Weihnachtsfest, das „in so verlogener Weise und so raffinierter Form die Klassenharmonie“ predige, sei nicht mit der „proletarischen Weltanschauung“ zu vereinbaren. So lehnten die Kommunisten damals den Weihnachtsbaum als ein bürgerliches Requisit ab, verwarfen die alten Weihnachtslieder und bezeichneten das Weihnachtsevangelium als ein Märchen. Allenfalls mit dem Stern von Bethlehem konnten sie etwas anfangen, jedoch nur umgefärbt und umgeformt: Rot, fünfzackig, mit Hammer und Sichel in der Mitte, kurz: das Sowjetemblem als neues, weihnachtlich-proletarisches Sinnzeichen.

Von 1929 bis 1932 veranstalteten die Kommunisten in zahlreichen Städten, die vom Massenelend der Weltwirtschaftskrise gezeichnet waren, zur Weihnachtszeit proletarische Hungermärsche durch die Geschäftsstraßen und gutbürgerlichen Wohnbezirke: „Verderbt den Satten die Weihnachtsfreude … Wie Fanfarenstöße ihres kommenden Sturzes soll es der Bourgeoisie in den Ohren gellen: Brot für die Hungernden, Krieg den Reichen! Sturz des Kapitals! Es lebe die proletarische Revolution!“

Als nach dem Zweiten Weltkrieg die Kommunisten in Mitteldeutschland ihre „volksdemokratische“ Ordnung aufbauten, fürchteten manche, daß sie das Weih­nachtsfest abschaffen würden. Aber dieses Fest mit seinen christlichen und bürgerlichen Zügen und seinen traditionsreichen Bräuchen ließ sich nicht so ohne weiteres aus dem Kalender streichen. Als traditionelles Familienfest war es ganz stark mit positiven Gefühlen besetzt, und als solches wollten die Kommunisten es weiterhin gelten lassen.

Ein kommunistischer Experte für Fest- und Feiergestaltung rechtfertigte dies so: „Die Lebensfreude in unseren Festen beflügelt uns und gibt uns Schwung und Optimismus. Keine bisherige Gesellschaftsordnung konnte diesen Festelementen volle Entfaltung geben. Erst die sozialistische Gesellschaft wird unseren Festen die große Vollendung des Feierns gewähren, zu der nur freie und glückliche Menschen fähig sind.“

Wichtig war allerdings, daß alle christlichen Bezüge zurückgedrängt oder beseitigt wurden. Ideologische Begründung des Experten: „Die religiöse Umkleidung hat bei großen Teilen unserer Bevölkerung ihre Bedeutung verloren, und das ist verständlich, denn die Macht der Arbeiter und Bauern ist das Ergebnis des sich Sich-Besinnens auf die eigenen Kräfte. Wir sehen nicht mehr angstvoll in eine rätselhafte Zukunft. Wir brauchen keine ,gnadenvollen Verheißungen‘, sondern bauen an den Grundlagen des Sozialismus mit wissenschaftlich fundierten Methoden.“

Zur Umdeutung des Weihnachtsfestes bedienten die Kommunisten sich des Rundfunks, des Fernsehens, der Presse, der Weihnachtsmärkte und der Weihnachtsfeiern im Rahmen der Kindergartengruppen, Schulklassen, Betriebsbrigaden, Parteigruppen und so weiter. Weihnachten wurde herausgestellt als Fest des Friedens und der Freude. „Friede“ ist exemplarisch faßbar in einem oft abgedruckten und rezitierten Gedicht des ersten Kulturministers der DDR, Johannes R. Becher: „Es sei gegrüßt die Weihnachtszeit! / Ihr Menschen alle, seid bereit, / die Hände euch zu reichen. / Dann herrscht der Friede unbegrenzt, / und über allen Ländern glänzt / des Friedens Sternenzeichen.“

„Freude“ – wie das gemeint war, zeigen exemplarisch einige Hinweise, wie Weihnachtsveranstaltungen für Kinder ausgestaltet werden sollten: „Die Betriebe des Volkes bereiten gemeinsam mit den Massenorganisationen unseren Kindern ein schönes, erlebnisreiches Weihnachtsfest. Sie werden beschenkt, und das wichtigste dabei sind Theateraufführungen, Darbietungen der Tanz- und Musikgruppen und die Spiele der Kinder selbst, wobei ihnen lustige Verkleidungen viel Spaß machen.“

In den frühen Jahren der DDR wurde auch noch der Wie­der­ver­einigungsgedanke in die Weih­nachtsthematik einbezogen: „Deshalb strengen wir alle Kräfte an, um im nächsten Jahr das Weih­nachtsfest in einem geeinten, demokratischen und friedliebenden Deutschland zu feiern.“

In der Sprache des Kalten Krieges konnte das auch so lauten: „Wir in der DDR werden unter dem Weihnachtsbaum an unsere Brüder und Schwestern im Westen unserer Heimat denken, die noch nicht immer ein frohes Fest feiern können, weil der Vater vielleicht schon drei Jahre arbeitslos ist und der Sohn in die Fremdenlegion gepreßt wurde.“

Zu Weihnachten wurde gar die deutsche Kultur verteidigt: „Wir werden nicht zulassen, daß die alten deutschen Weihnachtsbräuche von den amerikanischen Kulturbarbaren durch genormte Weih­nachtspakete mit Coca-Cola-Flaschen ersetzt, daß die deutschen Weihnachtslieder zu amerikanischen Schlagern entwürdigt werden.“

Einige sowjetrussische Bräuche wirkten zwar in die Weihnachtszeit der DDR hinein, berührten aber die Vorstellungen der Deutschen in der DDR nur in geringerem Maße. In Sowjetrußland war der Weihnachtsbaum 1919 abgeschafft worden, Stalin aber ließ die Tanne (Jolkali) für ein Jahres­endfest (Jolka-Fest) wieder zu. Bei diesem Fest treten rund um eine reich geschmückte Tanne Figuren aus der russischen Märchenwelt auf: Väterchen Frost, begleitet von Mädchenfiguren („Schneeflöckchen“), die ihm bei der Gabenausteilung helfen. Jolka-Feiern wurden in der DDR in der Weihnachtszeit vor allem zur Bekundung der deutsch-sowjetischen Freundschaft angesetzt. Den aller christlichen Bezüge entkleideten deutschen Weihnachtsmann konnte Väterchen Frost nicht verdrängen, er war allenfalls eine Art Amtsbruder des Weih­nachtsmannes – etwa bei gemeinsamen Auftritten auf dem Weihnachtsmarkt.

Ganz stark bestimmt wurde das Bild der DDR-Weihnacht durch handwerkliche Produkte aus dem Erzgebirge: Pyramide, Schwibbogen, Räuchermännchen, Nußknacker. Auch hier betätigten sich Eiferer bei der Ausmerzung selbst kleinster christlicher Reminis­zenzen. Engel in der erzgebirgischen Volkskunst sollten als „geflügelte Jahresendfiguren“ ihre korrekte Bezeichnung finden.

Das ging der satirischen DDR-Wochenzeitschrift „Eulenspiegel“ zu weit. Bissig spottete man: „Im traditionellen Land des Festes der Freude und des Friedens schmücken volkstümliche Schnitzereien – Jahresendlichthalter mit Flügeln, Jahresendfachmann für Bergbautechnik sowie der dekorativ gestaltete Lichthalbkreis – die Fenster. In den Stuben trifft man allüberall auf Jahresend­rauchspender und Jahresendhartschalenfruchtzertrümmerer, drehen sich majestätisch Figurenkarusselle. Unter der Zimmerdecke leuchtet der sternförmige Jahres­endlichtgeber ... Es ist schon ein Erlebnis im Erzgebirge – das Fest des Friedens und der Freude, des Lichtes und der Kinder, der Geschenke und der Familie.“            Manfred Müller


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