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03.01.09 / Ostpreußen bleibt Erbe und Auftrag / Die Heimatvertriebenen: Bilanz und Prognose – Es wird Zeit für ein Büro der LO in Allenstein

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-09 vom 03. Januar 2009

Ostpreußen bleibt Erbe und Auftrag
Die Heimatvertriebenen: Bilanz und Prognose – Es wird Zeit für ein Büro der LO in Allenstein

Im Herbst dieses Jahres jähren sich der Beginn von Flucht und Vertreibung der Deutschen aus den Ostprovinzen des früheren Deutschen Reiches zum 65. Mal.

Im vorigen oder in diesem Jahr vor 60 Jahren wurden die großen ostdeutschen Landsmannschaften gegründet. Erst 1958 gelang es, den „Bund der Vertriebenen“ (BdV) als gemeinsamen Dachverband aller deutschen Vertriebenenverbände zu gründen.

Die vertriebenen beziehungsweise geflüchteten Bewohner der früheren preußischen Provinzen Ost- und Westpreußen, Pommern und Schlesien waren durch ihr Schicksal und ihre Mentalität dazu ausersehen, in der Altbundesrepublik als politischer Stabilitätsfaktor zu wirken. Ihre Herkunft aus den preußischen Provinzen garantierte ihre Loyalität zum Staat. Das

Schicksal der Vertreibung – direkte Folge totalitärer Machtpolitik – prägte sie zu innerlich entschiedenen Verfechtern der Freiheit. Der Anteil der ostdeutschen Vertriebenen, die es schicksalsbedingt in die spätere DDR verschlagen hatte und die es dort offiziell nicht geben durfte, an den Freiheitsbestrebungen in Mitteldeutschland war überproportional groß.

Zieht man heute – 60 Jahre nach Gründung der Landsmannschaften – Bilanz, so ergibt sich unter dem Strich ein äußert bescheidenes Ergebnis. Die innen- und außenpolitische Wirksamkeit der Vertriebenen steht in keinem Verhältnis zu ihrer ursprünglichen zahlenmäßigen Stärke. Dafür gibt es Gründe. Die Masse der Vertriebenen und Flüchtlinge übte politische Abstinenz, was sich einerseits aus ihrer Staatsloyalität ergab und andererseits durch ihre besondere Beanspruchung für die Sicherung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage zu erklären ist.

Die Kenntnis dieser Umstände darf aber nicht das Einverständnis verhindern, daß die langfristige Sicherung der Vertriebenenverbände sträflich vernachlässigt wurde. Spätestens nach Abschluß der brandtschen Ostverträge wurde klar, daß die Heimatvertriebenen – parteiübergreifend – bei einem Großteil der politischen Klasse als ein zu eliminierender Störfaktor angesehen wurden. Der Weitblick zur umfassenden Sicherung einer zukunftsfähigen Existenz mit entsprechender Einwirkungsmöglichkeit auf die Politik war den Verantwortlichen der Verbände sowie den Vertriebenenpolitikern in Bund und Ländern nicht gegeben. Einzelne Ausnahmen gab es, doch sie waren für die Gesamtentwick-lung unbedeutend. Als die CDU/CSU 1972 mit ihrer Stimmenthaltung die Ostverträge der sozialliberalen Koalition durchgewunken hatte, wurde klar, daß von der Politik keine Realisierung der Vertriebenenanliegen zu erwarten war. Die Entwicklung nach der Wende 1989/1990 hat diese Einschätzung bestätigt.

Warum haben es damals die Verantwortlichen versäumt, eine Organisation zu schaffen, die in alle Bereiche des staatlichen und öffentlichen Lebens Einfluß nehmen konnte? Die 70er und 80er Jahre des 20. Jahrhunderts waren noch gute Jahre für die Vertriebenenverbände der Altbundesrepublik. Ihre zahlenmäßige Stärke war noch beachtlich. Es hätte Vorsorge getroffen werden können, daß sich die Verbände nicht – wie geschehen – mit Leichtigkeit politisch ausmanövrieren ließen.

Für die Unzulänglichkeiten der Vertriebenenpolitik waren in erster Linie die Repräsentanten der Verbände verantwortlich. Ein beträchtlicher Teil von ihnen ging 1972 in die innere Emigration, will heißen in den „Schmollwinkel“. Andere forderten massive materielle Alimentierung durch die öffentliche Hand, die auch unterschiedlich stark von Bund und Ländern gewährt wurde. Dabei wurde nicht bedacht, daß dies ein vergiftetes Geschenk war. Es machte die Zuwendungsnehmer abhängig von der jeweiligen Regierung bzw. von den Regierungsparteien. Auch nahm die staatlich gewährte Zuwendung an die Verbände diesen die Fähigkeit, sich durch Eigenvorsorge eine unabhängige Zukunftsperspektive zu erarbeiten.

So wichtig und richtig die Schaffung des Dachverbandes BdV 1958 für die Vertriebenenverbände aus damaliger Sicht war, so konnten doch wichtige Struktur- und Beitragsfragen zwischen den örtlichen Gruppen des BdV und der Landsmannschaften nicht pragmatisch geregelt werden. Dieser Dissens besteht unterschwellig bis heute und beschleunigt das Absterben der örtlichen Gruppen zusätzlich zum zeitbedingten biologischen Ende der die Gruppen tragenden Erlebnisgeneration.

Die guten Jahre für die Vertriebenenorganisationen mit beachtlichen Mitgliederzahlen sind unwiderruflich vorbei. In wenigen Jahren werden die meisten Verbände zahlenmäßig so geschrumpft sein, daß sie politisch keine Bedeutung mehr haben. Schon seit einigen Jahren verschwinden jährlich mehr als ein Dutzend örtliche Gruppen wegen Selbstauflösung von der Bildfläche. Nur in seltenen Fällen gehen die Gruppen ein, weil die Mitglieder weggestorben sind, sondern sie lösen sich auf, weil niemand mehr bereit ist, ein Vorstandsamt zu übernehmen.

Der Schrumpfungsprozeß der Verbände verläuft unterschiedlich schnell. Bei den örtlichen Gruppen der Landesverbände (BdV) und der Landesgruppen (Landsmannschaften) ist er bereits deutlich sichtbar. Eine längere Lebenserwartung haben die Kreisgemeinschaften, besonders wenn sie gut geführt werden. Es gibt eine Reihe von Kreisgemeinschaften, die Vorsorge für die materielle Zukunftssicherung getroffen haben. Gut dran sind die Kreisgemeinschaften – bei der Landsmannschaft Ostpreußen (LO) gilt das für die masurischen Kreise – die in den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts durch die Aussiedler neue Mitglieder dazu gewonnen haben. Hier handelt es sich häufig um Jahrgänge, die nach 1945 geboren wurden. Diese Kreisgemeinschaften sind personell noch sehr stark und nicht überaltert.

Aus heutiger Sicht sind in erster Linie die Sudetendeutsche Landsmannschaft (SL) und die Landsmannschaft Ostpreußen zu nennen, die hinsichtlich ihrer materiellen Zukunftssicherung auch noch mittelfristig Bestand und Einfluß haben werden. Bei der SL wird das durch die öffentliche Sudetendeutsche Stiftung gewährleistet, die Bayern mit Gesetzesbeschluß ins Leben gerufen hat. Die sudetendeutsche Volksgruppe ist relativ heterogen, was sich bisher nicht nachteilig ausgewirkt hat.

Die Landsmannschaft Ostpreußen hat – wie keine andere Landsmannschaft bisher – aus eigener Kraft große Anstrengungen unternommen, um für die Zukunft Daseinsvorsorge und Unabhängigkeit zu bewahren. Die ostpreußische Volksgruppe in der Bundesrepublik ist relativ homogen, was ganz gewiß kein Nachteil im Überlebenskampf ist. Die Ostpreußen haben es zeitgerecht verstanden, ihre Strukturen zu verschlanken und in der Führungsmannschaft schon vor 20 Jahren einen radikalen Generationswechsel vorzunehmen. Die Zukunftsperspektiven der Landsmannschaft Schlesien und der Pommerschen Landsmannschaft können an dieser Stelle nicht sachgerecht erörtert werden. Möge es beiden Organisationen gelingen, die Zukunft zu gewinnen. Der Zeitpunkt wird nicht mehr fern sein, daß es Gespräche zwischen den großen Landsmannschaften hinsichtlich Kooperationen und gemeinsamen Deutschlandtreffen geben wird.

Diese Zeitung wird von Ostpreußen getragen und verantwortet. Deshalb sollen abschließend die Aufgaben der LO in der Zukunft skizziert werden. Es wird Zeit, daß die LO ein eigenes Verbindungsbüro für das Ermland und den masurischen Teil Ostpreußens in Allenstein einrichtet. Damit kann eine wirkliche Betreuungsfunktion für die deutschen Vereine im polnischen Teil Ostpreußens ermöglicht werden. Die Sudetendeutsche Landsmannschaft hat schon lange ein Verbindungsbüro in Prag. Dieses LO-Büro kann auch als Relaistation für einen fortwährenden Meinungsaustausch zwischen den Selbstverwaltungsorganen der heutigen Kommunen und den landsmannschaftlichen Vertretern dienen.

Die im vorigen Jahr aufgenommenen Gespräche der LO-Kreisvertreter mit Behördenvertretern des Königsberger Gebietes sollten institutionalisiert werden. Im litauischen Teil Ostpreußens ist dies seit langem ein Alltagsgeschäft.

Es sollte erneut und nun mit aller Kraft und Konzentration der Versuch unternommen werden, in Allenstein eine deutsche Internatsschule einzurichten. Ob dies als polnische Schule für die deutsche Minderheit oder als deutsche Auslandsschule geschieht, ist zweitrangig. Es ist mit Händen zu greifen, daß der deutschen Minderheit im südlichen Ostpreußen durch mangelnde Sprachkompetenz die Assimilierung droht.

Das Anmahnen einer Regelung für die offenen Vermögensfragen bleibt eine verpflichtende Daueraufgabe der Landsmannschaft Ostpreußen. Eigentumsrechte verjähren nicht. Die Bundesregierung ist im Obligo, weil sie bei diesem Problem bisher absolut passiv geblieben ist. Der mit Hilfe der LO gegründete Europäische Vertriebenenverband (EUFV) wird hoffentlich in dieser Frage die Initiative ergreifen.

Eine ganz wichtige fortdauernde Aufgabe der LO ist die Forderung nach unverfälschter Darstellung der deutschen Geschichte und das klare Bekenntnis zu dieser Geschichte. Das schließt die historische Wahrheit über Ostpreußen sowie Flucht und Vertreibung ein. Um auf diesem Feld bestehen zu können, sind die Charaktereigenschaften Bekennermut und Standfestigkeit, aber auch die genaue Kenntnis der Geschichte unverzichtbare Elemente.

Allen, die sich zur großen Ostpreußenfamilie zugehörig fühlen, sollte das Wohlergehen unserer Zeitung Preußische Allgemeine Zeitung mit dem Ostpreußenblatt ein Herzensanliegen sein. Die PAZ ist unser Sprachrohr für die weltweit zerstreute ostpreußische Volksgruppe. Mit ihr nehmen wir Einfluß auch auf Belange, die über die typischen Vertriebeneninteressen hinaus gehen. Mit ihr leisten wir einen Beitrag zur demokratisch verfaßten, pluralistischen Ordnung unseres Vaterlandes. Mit ihr werben wir für die Werte des Grundgesetzes. Für das verfassungsmäßig garantierte Recht der Meinungsfreiheit ist die PAZ unverzichtbar. Ein PAZ-Abo sollte auch für den einzelnen der nachwachsenden Bekenntnisgeneration eine Selbstverständlichkeit sein.

Ostpreußen bleibt Erbe und Auftrag.

Wilhelm v. Gottberg,

Sprecher der LO

Bald gemeinsame Deutschlandtreffen?        Bild: Pawlik


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