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03.01.09 / Auf ein Wort / Schlacht vor 2000 Jahren: Hermann der Befreier?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-09 vom 03. Januar 2009

Auf ein Wort
Schlacht vor 2000 Jahren: Hermann der Befreier?
von Jörg Schönbohm

Deutschland rüstet sich für das Jubiläumsjahr 2009. In diesem Jahr gedenken wir sowohl des Inkrafttretens des Grundgesetzes vor 60 Jahren als auch des Falls der Mauer vor 20 Jahren. Angesichts dieser beiden bedeutenden Jubiläen droht ein anderer Jahrestag in den Hintergrund gedrängt zu werden: Die legendäre Varusschlacht im Teutoburger Wald, die vor 2000 Jahren die Römer dazu zwang, ihre Expansionspläne im fernen Germanien aufzugeben und sich wieder hinter den Rhein zurückzuziehen. Daß es den Germanen gelang, die übermächtige römische Armee zu besiegen, war vor allem einem Mann zu verdanken: Arminius.

Arminius war alles andere als ein „gewöhnlicher“ Germanenkrieger. Als Sohn eines pro-römisch eingestellten Cherus-kerfürsten diente Arminius in der römischen Legion und war daher aufs beste mit dem römischen Militärwesen vertraut. Als Publius Quinctilius Varus, der Statthalter Roms in Germanien, im Sommer des Jahres 9 nach Christus in dem vermeintlich bereits bis zur Elbe unterworfenen Germanien operierte, sah Arminius die Zeit für einen Aufstand gekommen.

Dem Cherusker gelang es, in monatelangen Verhandlungen die rivalisierenden germanischen Stämme zu einen und ein schlagkräftiges Heer aufzustellen. Arminius nutzte das Vertrauen der Römer geschickt aus und lockte die in ihre Winterquartiere am Rhein zurückmarschierenden Legionen des Varus im Herbst des Jahres 9 in einen Hinterhalt. Drei Legionen, sechs Kohorten und drei Hilfstruppen wurden aufgerieben und vernichtet. Varus selber konnte zwar zunächst entkommen, nahm sich jedoch später auf der Flucht das Leben. Der Legende nach soll Kaiser Augustus, als ihm in Rom die Nachricht der schweren Niederlage übermittelt wurde, verzweifelt ausgerufen haben: „Varus, Varus, gib mir meine Legionen zurück!“

Seit 1991 ist der jahrhundertelang vergeblich gesuchte Ort der Schlacht mit hoher Wahrscheinlichkeit gefunden. Bei Kalkriese, zwischen dem Großen Moor im Norden und den Höhen des Wiehengebirges im Süden war offenbar die Falle, in der die Legionen in einem mehrtägigen Kampf untergingen. Schon lange zuvor hatte niemand an der welthistorischen Bedeutung des Ereignisses gezweifelt. Der Historiker Theodor Mommsen spricht gar von einem „Wendepunkt der Völkergeschicke“.

Fest steht: Mit dem Sieg der Germanen wurde der Einfluß Roms in Germanien entscheidend zurückgedrängt. Das Vorhaben, eine römische Provinz rechts des Rheins zu errichten, war endgültig gescheitert. Dennoch vergingen noch anderthalb Jahrtausende bis die Varusschlacht endgültig zum deutschen Gründungsmythos aufstieg.

Erst als der Humanist Ulrich von Hutten im Jahr 1515 bei einem Studienaufenthalt in Rom auf die lange verschollenen Annalen des Tacitus stieß, wurde der Anführer des Germanenaufstandes wieder aus der Vergessenheit gerissen. Tacitus berichtet in seinen Annalen von Arminius’ Heldenhaftigkeit und attestiert dem Cherusker, daß er „unstreitig der Befreier Germaniens“ gewesen sei.

Von Hutten erhebt den Sieger der Varusschlacht schließlich zum „Ersten unter den Vaterlandsbefreiern“. Arminius habe sich als würdig erwiesen, „König der Deutschen“ zu sein. Ein Nationalmythos war begründet. Der „Einiger Germaniens“ wurde zum Sinnbild der deutschen Identität. Hermann, wie sein eingedeutschter Name fortan lautete, stand für die Vorstellung einer kontinuierlichen deutschen Volksgeschichte.

Auch die Reformatoren um Martin Luther bemühten den Hermannsmythos, indem sie den eigenen Kampf gegen Rom mit dem des Germanenführers verglichen. Wann immer es um Einheit, Freiheit und Vaterland ging, beriefen sich die Deutschen auf „ihren“ Hermann. Es verwundert kaum, daß Hermann auch von der deutschen Nationalbewegung vereinnahmt wurde. In Detmold, auf den Höhen des Teutoburger Waldes, wurde dem „Befreier“ und „Einiger“ der deutschen Nation ein eigenes Monument gesetzt, welches 1875, nur wenige Jahre nach der Reichsgründung, eingeweiht wurde.

Auch im Ersten Weltkrieg spielte der Hermannsmythos eine bedeutende Rolle. So erfreute sich während der Kriegsjahre beispielsweise das Theaterstück „Hermannsschlacht“ von Heinrich von Kleist großer Beliebtheit. Nicht selten wurden nach den Aufführungen die Siegesmeldungen von der Front verlesen. Es lag nahe, daß sich auch die Nationalsozialisten des „Vorzeige-Germanen“ bemächtigten. So zitierte Alfred Rosenberg, Chefideologe der Nazis, gerne aus Kleists „Hermannsschlacht“ und forderte: „Die ganze Brut, die in den Leib Germaniens sich eingefilzt, wie ein Insektenschwarm, muß durch das Schwert der Rache jetzo sterben.“ Dennoch spielte der Arminius-Mythos im Dritten Reich nur eine untergeordnete Rolle. Aus Rücksicht auf die guten Beziehungen zum faschistischen Mussolini-Italien verzichtete man darauf, den „Besieger Roms“ zu überschwänglich zu feiern.

Nach 1945 geriet Hermann wieder weitgehend in Vergessenheit. Das nationale Pathos, der mit seiner Figur stets verbunden wurde, war den Deutschen nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs suspekt geworden. Lediglich in der DDR erfuhren Hermann und das Germanentum zeitweise eine Renaissance. Die Machthaber priesen sowohl die angeblich „urkommunistischen Eigentumsverhältnisse“ der Germanen als auch die Rolle der Stammesverbände bei der „revolutionären“ Überwindung der römischen Sklavenhaltergesellschaft. Zudem berief man sich auf Friedrich Engels, der den „großen Staatsmann und bedeutenden Feldherrn“ für seinen mutigen Kampf gegen die römischen Imperialisten lobte.

Es bleibt die Frage: Welche Bedeutung hat Arminius für uns heute? Die Varusschlacht als nationaler Gründungsmythos hat in Deutschland, das erst spät zu nationaler Einheit gefunden hat, immer eine wichtige integrative Funktion übernommen.

Nach wie vor und trotz aller Kritik bleibt Hermann ein Sinnbild für unbedingten Freiheitswillen. Die Ereignisse im Teutoburger Wald haben deutlich gemacht, welche immense Kraft aus der Einigkeit erwächst. Dabei kommt es keineswegs auf eine gesellschaftliche Homogenität an, sondern es sind alleine die gemeinsamen Werte (und im Falle der Germanen auch die gemeinsame Sprache), die zu einer höheren Einheit führen. Es wäre zu wünschen, daß dieser Geist im Arminiusjahr 2009 einmal wieder durch unser wiedervereinigtes Vaterland weht.


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