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03.01.09 / »Ich bin das Volk« / Der erste Präsident der Fünften Republik wurde Charles de Gaulle

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-09 vom 03. Januar 2009

»Ich bin das Volk«
Der erste Präsident der Fünften Republik wurde Charles de Gaulle

Wir sind das Volk – dieses Wort markierte 1989 das Ende einer sich demokratisch nennenden deutschen Republik. Das Ende der französischen Vierten Republik im Jahr 1958 buchstabierte sich ähnlich: „Ich bin das Volk“ lautete der unausgesprochene Wahlspruch, mit dem Charles André Joseph Marie de Gaulle vor 50 Jahren zum Gründer der Fünften Republik aufstieg. Im September 1958 stimmte das Volk der von ihm vorgelegten neuen Verfassung mit 83 Prozent zu, zwei Monate später wählte das Volk den populären General mit 78 Prozent zum Staatspräsidenten. Am 8. Januar 1959 trat er das Amt an, das er, wiederum gestützt auf Volkes Votum, mit einer in europäischen Demokratien einzigartigen Machtfülle ausstattete. So bedeutet dieses Datum faktisch den Beginn der Fünften Republik.

Die Vierte Republik, gerade mal ein Dutzend Jahre jung, war vor allem an der Unfähigkeit gescheitert, sich mit Anstand von der kolonialen Vergangenheit zu lösen. Erst das Debakel in Indochina – Dien Bien Phu hat für nationalbewußte Franzosen (also für nahezu alle) einen ähnlich schmachvollen Klang wie Hanoi oder Bagdad für die Amerikaner. Dann die Zuspitzung im französisch beherrschten Algerien. Der letzten von der Vierten Republik verschlissenen Regierung unter Premier Pierre Pfimlin lief die Entwicklung vollends aus dem Ruder. Ben Bellas Nationales Befreiungskomitee (FLN) kontrollierte weite Teile des Landes, wogegen die französischen Kolonialisten erbittert Widerstand leisteten. Auf beiden Seiten steigerten sich die Grausamkeiten.

Zugleich sahen beide Seiten in de Gaulle die einzige Persönlichkeit, der man zutraute, die Krise zu bewältigen. Dem General, der sich 1944/45 den nur teilweise berechtigten Ruf des „Befreiers Frankreichs“ erworben hatte, wurden beachtliche Führungsqualitäten und außergewöhnliche persönliche Tapferkeit nachgesagt – vor allem letzteres vollends berechtigt. Der Ruf nach dem „starken Mann“ war für die Franzosen der Ruf nach de Gaulle.

Im Juni 1958 folgte Präsident René Coty der Stimme des Volkes und berief de Gaulle (68) zum Ministerpräsidenten mit auf sechs Monate begrenzten Notstandsvollmachten. Die nutzte der General, um zunächst die eigene Macht zu festigen, dann aber durchaus auch zum Wohle des Landes.

Durch die Umstellung der Währung (1 neuer Franc = 100 alte Francs) verlieh er der dahinsiechenden Wirtschaft neuen Schwung. Mutig trotzte er allen Widerständen von links und rechts und schaffte es, den blutigen Krieg in Nordafrika zu beenden. Um Algerien im April 1962 in die Unabhängigkeit zu entlassen, bediente sich de Gaulle wiederum eines Referendums.

Außenpolitisch setzte er auf ein starkes Kerneuropa, das von den Zentralmächten Frankreich und Deutschland dominiert sein sollte. Daß er mit Konrad Adenauer so gut harmonierte, lag wohl auch daran, daß der deutsche Kanzler ihn niemals ernsthaft bei seinen politischen Alleingängen störte.

Ein großes politisches Verdienst de Gaulles ist darin zu sehen, daß er die Fünfte Republik mit einem hohen Maß an Stabilität ausgestattet hat: 50 Jahre, das hat von den vorangegangenen Republiken lediglich die Dritte geschafft.

Auch am Ende blieb de Gaulle sich selber treu. Anfang 1969 ließ er das Volk über eine erneute Verfassungsreform abstimmen, wie immer siegessicher, denn „das Volk bin ich“. Doch diesmal sagte das Volk „Non“; verbittert trat der General von der politischen Bühne ab. Hans-Jürgen Mahlitz

Charles de Gaulle Bild: Archiv


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