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03.01.09 / Wenn die Armen rebellieren / Autorin skizziert mögliche Folgewirkungen einer schlecht ausgebildeten Jugend

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-09 vom 03. Januar 2009

Wenn die Armen rebellieren
Autorin skizziert mögliche Folgewirkungen einer schlecht ausgebildeten Jugend

München 2020: Die armen Unterprivilegierten rotten sich zusammen, es droht der „Aufstand der Unterschicht“. Die Wirtschaftsredakteurin Inge Kloepfer beginnt ihr Buch mit diesem Horrorszenario, um dann in die Gegenwart zurückzuspringen und ausführlich am Beispiel des 20jährigen Jascha zu erklären, wie die rund zehn Prozent benachteiligten Jugendlichen, die ohne Schulabschluß, Ausbildung und somit ohne Perspektive sind, eines Tages zur Gefahr für alle anderen werden können.

Die Mitarbeiterin der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ nimmt ein trauriges Massenphänomen der Gegenwart zum Thema und bricht es auf den Einzelfall Jascha herunter. Am Beispiel des Sohnes einer alleinerziehenden Mutter mit fünf Kindern von zwei Vätern mit wechselnden Liebhabern und sporadischen Jobs, aufgewachsen in einer Berliner Plattenbausiedlung, zeigt die Autorin auf, daß Kinder wie Jascha keine Chance haben. Ohne Vorbilder aufgewachsen, glaubten sie selbst nicht, irgendeine Chance im Leben zu haben, und zerstörten aus Trotz alles, was gut ist. Eigentlich will Inge Kloepfer um Verständnis für Jascha werben, doch das gelingt ihr nur bedingt. Lehrer, zahlreiche Sozialpädagogen und Betreuer in Wohnheimen bemühen sich um den Jungen, der genau wie seine älteren Geschwister den Drang zur Zerstörung hat. Natürlich ist es schwer, sich in einen Menschen hineinzuversetzen, der nur wenig Liebe in seinem Leben erfahren hat, allerdings gehört Jascha nicht zu jenen, deren Eltern total teilnahmslos oder Alkoholiker gewesen waren. Sie bemühten sich, eine heile Familie zu sein, selbst nach der Trennung der Eltern hält der Vater Kontakt. Die Mutter resigniert jedoch irgendwann vor ihren rebellierenden Kindern und zieht sich in ihr eigenes Privatleben zurück. Ein wirklich Schuldiger ist im vorgestellten Fall also nicht zu finden. Was also tun?

Noch mehr Geld in noch mehr staatliche Betreuung? Das schlägt Inge Kloepfer vor. Außerdem kritisiert sie die Mittelschicht, die ihre Kinder von der Unterschicht fernhielten, deren Kindern damit aber die Möglichkeit verlören, am Beispiel der Freunde ein anderes, besseres Leben kennenzulernen.

Diese Kritik hat jedoch einen bitteren Beigeschmack, da die Autorin kurz zuvor selber schildert, wie Jaschas Truppe einen braven Nachbarsjungen aus einer Mittelschichtsfamilie verprügelt, nur weil er anders ist als sie.

„Was wir ahnen: Spätestens dann, wenn eine künftige Bundesregierung gezwungen sein wird, die Sozialleistungen drastisch herunterzufahren, könnten sich die Verteilungskämpfe drastisch zuspitzen“, warnt die Autorin. Zwar beschreibt sie die vorhandenen Probleme mit aus dem deutschen Bildungssystem fallenden Jugendlichen anschaulich und entwirft mögliche Folgen nachvollziehbar, wirkliche Lösungen kann sie jedoch nicht anbieten.

Mitleid mit dem bockigen, sich verweigernden, Leistung verachtenden Jascha kommt zudem nicht auf. Rebecca Bellano

Inge Kloepfer: „Aufstand der Unterschicht – Was auf uns zukommt“, Hoffmann und Campe, Berlin 2008, gebunden, 300 Seiten, 19,95 Euro


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