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03.01.09 / Stolze Brüder einer Ruine / Paläste in Osteuropa: Für einige Bauten der kommunistischen Herrscher wurden neue Nutzungen gefunden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-09 vom 03. Januar 2009

Stolze Brüder einer Ruine
Paläste in Osteuropa: Für einige Bauten der kommunistischen Herrscher wurden neue Nutzungen gefunden

Vor wenigen Tagen wurden die letzten Teile des „Palasts der Republik“, 1973 bis 1976 vom Honecker-Regime erbaut, abgerissen. Anderswo in Ostmitteleuropa ließ man ähnliche Klötze stehen, baute sie um oder dachte sich neue Nutzungen für sie aus.

In Moskau war die Suche relativ einfach: Der russische Präsident residiert heute im selben „Großen Kremlpalast“ aus dem 15. Jahrhundert, der vor dem Obersten Sowjet bereits den Zaren als Amtssitz diente. Schwieriger war es mit dem „Kreml-Kongreßpalast“, in dem die Kommunisten ihre Parteitage abhielten. Das 1960/61 errichtete Gebäude wird heute nur noch gelegentlich bei Rockkonzerten gefüllt.

Die Sowjets wurden auch früh zu Exporteuren ihrer Palast-Manie. So kam Warschau zu seinem „Palast der Kultur und Wissenschaft“, 1952 bis 1955 von sowjetischen Arbeitern gebaut – angeblich als „Geschenk“ Stalins an die polnische Hauptstadt. Chefarchitekt war der Russe Lev Rudnew, der kühn behauptete, er habe sich allein von der polnischen Architektur-Historie leiten lassen. Doch der außergewöhnliche und zugleich gigantische Palast war von Stalin persönlich erdacht worden und ein Musterbeispiel seiner „Zuckerbäcker-Architektur“: 234 Meter hoch, 3288 Räume, 124000 Quadratmeter Fläche.

Den Warschauern war er stets ein Dorn im Auge: „Was ist der schönste Platz in Warschau?“ „Das Aussichtsdach des Kulturpalasts – weil man ihn von dort nicht sieht!“ 1989 hätten die Polen das Monstrum gerne abgerissen, aber die sparsamen Stadtväter waren dagegen, die Baukonservatoren auch. Also blieb der Palast stehen, und ist heute vollgestopft mit Kinos, Läden, Discos und einem Schwimmbad.

Anders war es im bulgarischen Sofia. Sofioter sind geistvolle Leute, die Repräsentativbauten gern mit Spitznamen belegen, zum Beispiel „Tschalma-Saraj“, Turban-Harem. Gemeint war der „Nationale Kulturpalast“, so benannt nach den verrückten Hüten von Ludmila Schiffkowa, der Tochter des Staats- und Parteichefs Todor Schiffkow.

Bulgarische Architekten haben ihr Handwerk fast durchweg an deutschen Hochschulen erlernt, was man ihren Bauten ansieht. Mit dem Sofioter Kulturpalast bauten sie das schönste und größte Multifunktions-Gebäude Südosteuropas, majestätisch vor der Kulisse von Sofias Hausberg, dem Vitoscha, und am Ende eines Parks voller Springbrunnen. 1981 wurde er mit dem ersten „Weltkongreß für Bulgaristik“ eingeweiht, 2005 gar mit einem Ehrenpreis der „Internationalen Vereinigung für Kongreßpaläste“ (AIPC) dekoriert und in den Folgejahren um einen ganzen „Kulturpark“ mit Oper und Philharmonie erweitert.

Seit ein paar Jahren steht in seinem Schatten eine kleine Kirche – Gedenkstätte für „alle bulgarischen Märtyrer des kommunistischen Regimes“. Der Sofioter Palast ist ständiger Schauplatz geschäftiger Messen, quirliger Märkte und würdiger Kongresse.

Dieses Leben unterscheidet ihn von dem kalten „Palatul Poporului“ (Volkspalast) in Bukarest. Der rumänische Diktator Nicolae Ceausescu ließ den Bau 1984 starten und dafür den schönsten Teil der Altstadt sprengen. Laut Guiness-Buch der Rekorde ist der Palast das zweitgrößte Gebäude der Welt, nach dem US-Pentagon: 12 Etagen, 330000 Quadratmeter Fläche, Tausende Zimmer, von rund 20000 Arbeitern bis 1989 fertiggestellt – zumindest äußerlich, denn der Innenausbau war auch 2004 erst zu gut zwei Dritteln abgeschlossen. Das lag an dem unvorstellbaren Luxus, den Ceausescu trieb.

Seit 1997 tagen beide Kammern des rumänischen Parlaments drin. Die füllen jedoch nur einen kleinen Teil dieses Labyrinths, das grau und kalt, riesig und häßlich auf seinem Hügel steht. Im April 2008 fand hier das Nato-Gipfeltreffen statt – im endlich fertigen Palast des roten Dracula. Die Bukarester schämen sich für ihn und verweigern meist die Auskunft, wo der Palatul liegt.

Zu kommunistischen Zeiten waren alle Städte und Regionen mit kleineren „Palästen“ übersät, da sich fast jedes Jugendhaus, jede Kongreß- oder Sportstätte so nannte. Für alle fand man nach 1989 neue Namen und Zwecke, ließ sie aber stehen.

Paläste sind wie Geldsummen: Entweder hat man sie, oder man redet nicht darüber. Das majestätische Petersburg, das goldene Prag, das biedermeierliche Krakau wissen schon, warum sie bei diesem Thema schweigen.

Und der Stadt-Parvenü Tirana schuldet noch eine Erklärung, warum ausgerechnet seine häßlichsten Wohnbocks „pallat“ heißen. Wolf Oschlies


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