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10.01.09 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-09 vom 10. Januar 2009

Sie wollen nicht / Wie die Deutschen weder in Panik geraten noch radikal werden, und dabei nicht einmal ein schlechtes Gewissen bekommen
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Noch eine Katastrophenmeldung: Jetzt, wo es besonders kalt ist, geht das Gas aus. Zeit, in den Wald zu gehen und Holz zu sammeln, oder? Quatsch. Das Gas geht gar nicht aus, es sind nur wieder die Ukraine und Rußland, die sich zanken, weil die Ukrainer partout keine Weltmarktpreise fürs Russengas zahlen wollen.

Glücklicherweise drängelt sich die EU bereits mächtig an den Verhandlungstisch. Ein Vermittlungserfolg à la Brüssel wäre in normalen Zeiten in greifbarer Nähe: Die EU schiebt den Ukrainern einfach das Geld für das Gas als Strukturhilfe rüber und fertig. Das Schwarzmeerland braucht dringend niedrige Energiepreise, um Firmen aus west- und mitteleuropäischen Ländern zur Produktionsverlagerung zu verlocken. Und dabei wollen wir doch nicht im Wege stehen, oder? Um solche Verlagerungen zu erleichtern, zahlen deutsche Steuerzahler ja schon seit anderthalb Jahrzehnten Milliarden für den Ausbau der Infrastruktur östlich der Bundesgrenzen. Und was man einmal angefangen hat ...

Allerdings, wir sagten ja: in normalen Zeiten. So normal sind diese Zeiten nicht. Die Staatsfinanzen gleichen einem Pulverfaß mit glimmender Lunte. Oben auf dem Faß sitzt Peer Steinbrück und beißt die Zähne zusammen für ein gequältes Lächeln. Was soll er machen, schließlich sind Kameras anwesend.

Während der Finanzminister erwartungsgemäß handelt, geben die Deutschen jedoch Rätsel auf. Angesichts all der Schreckensnachrichten von der Wirtschaftsfront sind sie eher gespannt als erschrocken über das, was da wohl um die Ecke kommt.

Wo sind eigentlich die geübten Katastrophenausrufer, ob linke, rechte oder ökologische? Wo die Vertreter der Religion?

Da kommt nicht viel, wir hören eigentlich immer nur Politiker, Wirtschaftsführer und diese merkwürdigen Analysten, die alle zusammen genauso viel wissen wie vor einem Jahr. Nur daß sie damals ihr Zukunftswissen noch für sehr wertvoll hielten, während sie heute ihre tatsächliche Ahnungslosigkeit als Ausfluß fortgeschrittener Reife feiern. Die klassischen Untergangssänger, die sonst immer auf den Apfelsinenkisten des „Diskurses“ bereitstehen, um uns so richtig Angst oder wenigstens ein übles Gewissen einzureden, die werden kaum wahrgenommen.

Die rechten Endzeitpropheten brauchen sich allerdings auch gar nicht eigens hervorzutun. Sie haben ein viel zu klassisches, in Jahrhunderten erprobtes Gefühl dafür, daß der Laden sowieso den Bach runtergeht: Es wird schlechter, was soll’s! Es wird schon seit Urzeiten immer schlechter, und das habt ihr jetzt davon. Wer nicht hören will, muß fühlen.

Diese konservative Abgeklärtheit brachten die Linken naturgemäß nie auf, weil sie sich im Besitz der Zukunft wähnten. Die schien schon mal sehr nah. Scheußlich war daher der Rückschlag, als ab 1989 fast alle sozialistischen Regime im Schlamm ihrer Lügen und Verbrechen versanken.

Nach dieser Demütigung wäre es doch ein Festmahl für die radikale Linke, jetzt ihre Chance zum Großangriff zu nutzen! Theoretisch schon, nur macht leider die Praxis mal wieder einen dicken Strich durch die sozialistische Rechnung.

Die Geschichte hat dummerweise ein paar sozialistische Freigehege übriggelassen, wo man sich den Fortgang der Dinge in Rot ansehen kann, bevor man nostalgisch wird: Ausgerechnet Venezuela, dem neuen Hoffnungsträger, geht im Verlaufe dieses Jahres mit ziemlicher Sicherheit  die Puste aus. Die Öleinnahmen dümpeln, die Devisenreserven rauschen in den Keller.

In sechs bis acht Monaten, schätzen Fachleute, hat „Revolutionär“ und Staatschef Hugo Chávez kein Geld mehr. Außer Öl und dem daraus gewonnen Geld kann er nichts mehr vorweisen, nachdem er Mittelstand und Großbetriebe sozialismusgerecht zerhauen und ausländische Investoren davongejagt hat. Sein Vetter im Geiste, Kubas Raul Castro, will ausgerechnet jetzt endlich privaten Wohnungsbau zulassen, wagt also kleine Schritte zu mehr Marktwirtschaft, wohingegen es eben diese laut linker Lehrmeinung doch gerade erwischt hat!

In Deutschland kommt die Linkspartei ebenfalls nicht hoch. Wie 1989 stolpern die Genossen abermals nicht über die „aggressivsten Kräfte des Kapitalismus“ oder wie sie das nannten, sondern über ihren eigenen Misthaufen. In Hessen macht die Linkspartei gerade im Zeitraffer vor, wie Sozialismus in der Praxis sein wahres Wesen entblättert.

Angefangen hatten sie als Rächer der Entrechteten. Jedem, der sich irgendwie zurückgesetzt fühlte, wurden Hände voller süßer Versprechnungen gereicht. Viele griffen zu. Doch Ende Dezember traten wieder etliche Genossen aus und beschwerten sich über „fehlende Basisdemokratie, geheime Zirkel, Mobbing von Parteimitgliedern, Dossiers über Mitglieder, Ausgrenzung von Arbeitslosen, Behinderten und Hartz-IV-Empfängern“ und „elitäre Zirkel“. Mit anderen Worten: Überwachung, Unterdrückung und arrogante Bonzenwirtschaft.

Ja, wir gehen durch eine schnellebige Epoche. In ferner Vergangenheit hatte es noch Generationen gedauert, was in Hessen kaum zwei Jahre brauchte: der Weg der kommunistischen Verheißung vom wunderbaren Versprechen zur schäbig-rabiaten Realität.

Gut, die Linken scheiden also aus als Lichtgestalten im Dunkel der Finanzkrise. Was ist mit den  Vertretern der großen Kirchen, denen jetzt eigentlich das Ohr des Volkes gehören müßte wie immer, wenn’s brennt? Sie haben ihre Deutschen offenbar auf dem falschen Fuß erwischt.

Weg vom Fetisch des Geldes, lautet ihr Ratschlag. Der ist immer richtig. Es gibt aber nur zwei Arten von Situationen, in denen er gern gehört wird: Entweder, wenn die Leute ihr Geld schon verloren haben und Trost in der Wahrheit suchen, daß es Wichtigeres, vor allem Wertvolleres gibt als den Mammon. Oder, wenn ihnen Geld und materielle Sicherheit zu den Ohren rauskommen, so daß es ihnen unangenehm wird. Das nutzen dann vor allem die Linken aus: Nie in der bundesrepublikanischen Geschichte haben Studenten und junge Akademiker Geld und Kapitalismus so innig verabscheut wie anno 68. Und nie zuvor und nie danach lebte eine Generation in so sicheren volkswirtschaftlichen Verhältnissen (als Frucht des verachteten Wiederaufbaus) wie die stolzen 68er.

Die heutigen Deutschen aber, junge wie alte, haben noch etwas zu verlieren, fühlen sich aber keineswegs unanständig sicher und ausbeutergleich gut versorgt. Für sie riecht „Abkehr vom Gelde“ weder nach religiöser Umkehr noch nach „kritischer“ Distanzierung vom Kapitalismus, sondern ganz penetrant nach Pleite.

Blieben also die Öko-Aktivisten, die aus der Finanzkrise genau das schließen, was sie schon ewig wissen: Daß „unsere Art des Wirtschaftens in den Abgrund führt“. Statt aber aufzutrumpfen finden sie sich in einer anstrengenden Konkurrenz wieder zum neu erwachten Kostenbewußtsein. Die masochistische Freude daran, wieder etwas mehr für Energie zu bezahlen, um damit die Taschen von Windenergieanbietern oder Emissionshändlern vollzustopfen, ist in der Krise nicht gerade gewachsen. Auch trifft das reflexartige „Nein“ zu neuen Fabriken oder Straßen nicht mehr unsere breite Zustimmung, wenn die Arbeitsplätze wackeln.

Trotz der „größten Krise seit dem Weltkrieg“: Die Deutschen weigern sich, politisch radikal zu werden oder sich wenigstens Angst machen zu lassen. Stattdessen geschieht etwas Unerhörtes: Die Normalbürger geben den unaufgeregtesten Part in dem ganzen Schauspiel. Wer behauptet hatte, gerade die Deutschen ließen sich von plötzlichen Erschütterungen besonders leicht hinfortreißen (und dann von Rattenfängern verführen), muß bitter enttäuscht sein. Wenn es wirklich ernst ist, perlt die Furcht offenkundig an ihnen ab.


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