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17.01.09 / Im Land des Opiums / Bestseller über Indien 1838

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-09 vom 17. Januar 2009

Im Land des Opiums
Bestseller über Indien 1838

Ungläubig blickt der Leser auf die weißen Seiten, nein, das kann es doch nicht gewesen sein? Was wird mit Diti und was ist mit ihrem geheimnisvollen Schrein? Was wird aus Paulette, Zachary, Kalua, Jodu und Nil? Nur wer im Internet nach Antworten sucht, erfährt, daß der indische Bestseller-Autor Amitav Ghosh seinen Roman „Das mohnrote Meer“ als ersten Teil einer Trilogie vorgesehen hat, die allerdings noch nicht über den ersten Band herausgekommen ist. Trotz aller Enttäuschung lohnt sich die Lektüre, da der Autor einmalig die gesellschaftlichen Spannungen im Indien der 30er Jahre des 19. Jahrhunderts schildert.

Das indische Kastensystem, die heimischen Religionen, die bestimmenden Briten, die sozialen Gefälle und über allem steht die Opiumindustrie; Amitav Ghosh vereint Historie mit spannenden Einzelschicksalen. Menschen, die auf den ersten Blick nichts miteinander verbindet, werden vom Schicksal auf das einstige Sklavenschiff „Ibis“ Richtung Mauritius verschlagen. Zwar enden ihre Geschichten vorerst mitten auf dem Meer, doch der bisher vorhandene Weg, den der Leser die Charaktere begleiten kann, ist prall angefüllt mit Farben, Gerüchen, einer fremdartigen, wilden Natur und einer Gesellschaft, die ihr natürliches Umfeld an Vielseitigkeit noch übertrifft.

So entscheidet sich die junge Mutter Diti, nach dem Tod ihres opiumsüchtigen Mannes, für die in Indien übliche Witwenverbrennung, da ihr die Alternative, die Geliebte ihres Schwagers zu werden, zutiefst widerstrebt. Doch der dunkle Riese Kalua reißt die junge Witwe vom Scheiterhaufen und flüchtet mit ihr vor ihrer sich entehrt fühlenden Familie gen Kalkutta. Dort treffen sie auf andere aus ihrem Lebensalltag Gerissene, wie den von dem reichen Opium-Händler Burnham aus seiner Position gedrängten Raja Nil, das vor den Sado-Maso-Spielen ihres Vormundes Burnham fliehende Mündel Paulette und den aus den USA stammenden zweiten Steuermann der „Ibis“ Zachary Reid, der in Asien versucht, seine Sklavenherkunft abzustreifen.

Ghosh läßt alle seine Figuren in ihrem alten Leben scheitern, um sie danach zu der Erkenntnis kommen zu lassen, daß dieses Scheitern auch eine Chance in sich birgt. Doch aller Neuanfang ist schwer: „Sein Alltag war für ihn ein Schauspiel gewesen ... Nichts davon war Wirklichkeit, es war nur Illusion … Dennoch hatte die Übelkeit, die ihn nun überkommen hatte, nichts Irreales; es war keine Illusion, daß sein Körper sich gekrümmt, sein Magen sich zusammengekrampft hatte vor Ekel ...“   Rebecca Bellano

Amitav Ghosh: „Das mohnrote Meer“, Blessing, München 2008, gebunden, 619 Seiten, 21,95 Euro


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