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24.01.09 / Nur an der Oberfläche beigelegt / Im russisch-ukrainischen Gasstreit ist ein »da capo« zu erwarten – Tarnfirmen und Zwischenhändler

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-09 vom 24. Januar 2009

Nur an der Oberfläche beigelegt
Im russisch-ukrainischen Gasstreit ist ein »da capo« zu erwarten – Tarnfirmen und Zwischenhändler

Der russisch-ukrainische Gasstreit, der in manchen mittel- und südosteuropäischen Staaten zu argen Engpässen geführt hat, ist beigelegt. Doch anders als bei der Stromversorgung reicht beim Gas nicht das Umlegen von Schaltern, um den Normalzustand wiederherzustellen. Das dauert Tage oder sogar Wochen, falls die Kältewelle an Leitungen oder Verdichterstationen Schäden verursacht haben sollte.

Materiell hat sich Rußland durchgesetzt: Für die Ukraine gilt rückwirkend ab dem 1. Januar 2009 der volle, auch für Westeuropa geltende Marktpreis, doch gibt es im laufenden Jahr noch 20 Prozent Rabatt. Die Transitgebühren für russisches Gas bleiben 2009 unverändert und werden erst 2010 auf westliches Niveau angehoben. Rußland steht aber nicht als strahlender Sieger da, denn sein Ruf als verläßlicher Lieferant hat gelitten – weniger aus sachlichen Gründen, sondern weil wieder einmal die Weltmeinung erfolgreich manipuliert wurde.

Auch für Europa ist das Ergebnis wenig erfreulich. Denn die kränkelnde ukrainische Wirtschaft wird die enorme Preiserhöhung schwer verkraften. Das trifft europäische Zulieferer und Investoren und damit die Steuerzahler. Es sollte nicht verwundern, wenn die EU der Ukraine bald weitere massive Unterstützungen gewährt – die wieder primär der Mißwirtschaft und den „Oligarchen“ zugute kommen.

Bedrückend sind aber auch die Hintergründe der jüngsten Krise, die manchen recht gelegen kam, weil sie die europäische Öffentlichkeit vom zeitgleichen Krieg gegen Gaza ablenkte. Die Position Rußlands ist transparent: Der Kollaps der Ölpreise und die Finanzkrise machen Moskau schwer zu schaffen, und da wird man doch nicht ein Land, das sich um Aufnahme in die Nato bewirbt (oder vice versa), mit Energiepreisen subventionieren, die bisher weniger als die Hälfte der Weltmarktpreise ausmachten.

Während in Rußland Präsident Medwedew gewissermaßen als Konferencier von Ministerpräsident Putin fungiert, gibt es in der Ukraine mindestens drei politische Machtzentren – und hinter diesen zum Teil massive „oligarchische“ und ausländische Interessen. Die sichtbaren Hauptfiguren sind Präsident Viktor Juschtschenko, Ministerpräsidentin Julia Timoschenko und Oppositionsführer Viktor Janukowitsch.

Juschtschenko und Timoschenko waren Galionsfiguren der „orangen Revolution“ von 2004. Dahinter stand das Netzwerk des „Philanthropen“ George Soros, der 1992 mit einer Großspekulation gegen das britische Pfund mit „Leerverkäufen“ Milliarden gemacht hatte. Frau Timoschenko, heute eine Barbie mit Gretchen-Frisur, war noch nicht ukrainisch-naturblond, als zur Zeit der Wildost-Privatisierung ihre steile Karriere im Benzin- und Gasgeschäft begann – was sie bald zur „Gasprinzessin“ machte und schließlich in die hohe Politik führte. Die Partei, die heute ihren Namen trägt, kam bei den Wahlen 2007 auf 30 Prozent.

Sieger war allerdings Janukowitsch, dessen „Partei der Regionen“ landesweit 34 Prozent erreichte und in der südöstlichen Hälfte der Ukraine mit vorwiegend russischer Bevölkerung eine breite Mehrheit hat. Der zum Liebling des Westens hochstilisierte Juschtschenko lag mit seiner Partei damals schon weit abgeschlagen und käme laut jüngsten Umfragen auf nur 2,4 Prozent der Stimmen. Die Ukrainer haben nämlich durchschaut, wem er dient – und das hat ebenfalls mit Gas zu tun.

Den Gasimport der Ukraine aus Rußland und Turkmenistan und den Gastransit nach Westen betreibt nämlich nicht die ukrainische Naftogas, sondern RosUkrEnergo, eine im Schweizer Kanton Zug registrierte Firma. Sie gehört zu 50 Prozent der russischen Gazprom, zu 45 einem Mann namens Dmitrij Firtasch und zu fünf Prozent einem weiteren ukrainischen Oligarchen, die beide mehr als bloß eine Staatsbürgerschaft besitzen.

Putin hatte schon als Präsident diese Zwischenhändler auszuschalten versucht, die an der Weiterleitung des Gases prächtig verdienen und die es übrigens auch beim Ölexport nach Deutschland gibt. Aber er konnte sich nicht mit allen Oligarchen gleichzeitig anlegen. Auch hatten sich Timoschenko und Putin bereits im Oktober auf die Ausschaltung von RosUkrEnergo verständigt – ebenfalls erfolglos. Denn das Geflecht von Tarnfirmen im Gashandel hat wichtige Nutznießer, darunter die Achse Juschtschenko-Firtasch, und es hat strategische Verbindungen nach Übersee.

Das ukrainische Gastransportsystem selbst dürfte voraussichtlich bald den Besitzer wechseln. Wie die Tageszeitung „Iswestija“ vorige Woche meldete, liegt ihr eine diesbezügliche „Charta über strategische Partnerschaft“ vor, die im Dezember von den Außenministern der Ukraine und der USA, Wladimir Ogrysko und Condoleezza Rice, unterzeichnet wurde. Außenamtssprecher Sean McCormack hatte vorauseilend jeden Verdacht zurückgewiesen, daß die USA mit dem Gaskonflikt etwas zu tun hätten ...

Richard G. Kerschhofer

Foto: Gegensätzlich: Rußland und die Ukraine einigten sich, weil sie mußten.


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