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24.01.09 / Neue Macht im Bundesrat / Die FDP ist nach der Hessenwahl in komfortabler Lage – Spitzenergebnis mit blassem Spitzenkandidaten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-09 vom 24. Januar 2009

Neue Macht im Bundesrat
Die FDP ist nach der Hessenwahl in komfortabler Lage – Spitzenergebnis mit blassem Spitzenkandidaten

Nach dem 16-Prozent-Erfolg in Hessen fordert die FDP drei Ministersessel. Die Koalition mit Kochs  CDU verschafft den Liberalen eine Mitsprachemöglichkeit im Bundesrat. Für die CDU ist das Ergebnis zweischneidig: Sie ist froh über die schwarz-gelbe Option nach der Bundestagswahl, muß aber bis dahin neue Konflikte mit der SPD befürchten.

Die FDP ist wieder da. Bei der hessischen Landtagswahl fuhr die Partei mit ihrem eher blassen Spitzenkandidaten Jörg-Uwe Hahn rekordverdächtige 16,2 Prozent Wählerstimmen ein. Viele davon dürften früher CDU und SPD gewählt haben. Die FDP sichert damit Ministerpräsident Roland Koch (CDU) das Weiterregieren. Das glänzende Ergebnis stärkt machtpolitisch der FDP den Rücken und schwächt die Große Koalition im Bund: SPD und Unionsparteien fehlt ab sofort im Bundesrat die Mehrheit. Der Ruf nach Nachbesserungen am Konjunkturpaket ist schon vernehmbar, ein Stichwort heißt Schuldenbremse.

Die Große Koalition zwingt die CDU laufend zu Kompromissen, die viele bürgerliche Wähler in die Arme der FDP treiben. Wollte die CDU vor der letzten Bundestagswahl der FDP noch geradezu das marktliberale Zepter entreißen, arrangierte sich die Union anschließend mit den Sozialdemokraten in vielen Augen bis zur inhaltlichen Selbstaufgabe. Während der Bankenkrise plädierten CDU-Strategen gar für Teilverstaatlichungen von Unternehmen.

Außerdem irritierte die Union ihre Anhänger mit den minimalen Steuerentlastungen, die sie durchsetzte. Guido Westerwelle höhnte, die Entlastung betrage nicht mehr als „eine Currywurst mit Mayo – ohne Pommes“. Tatsächlich haben sich die Unionsparteien mit der Mini-Entlastung womöglich selbst ein Bein gestellt: Entweder sie fordern weiterhin nach der Wahl eine „richtige“ Steuersenkung – dann müssen sie zugeben, daß die jetzige mickrig war. Oder sie nennen die jetzige Entlastung bedeutend – dann weiß jeder, daß es nach der Wahl keine weitere Steuersenkung geben wird. Das aber nützt der SPD und – aus entgegengesetzten Gründen – auch der FDP. Sie kann sich im Wahlkampf dann erst recht als Steuersenkungspartei profilieren und im Gehege von CDU und CSU wildern.

Nach bald elf Jahren Opposition lockt die FDP die Aussicht auf Teilhabe an der Macht in Berlin gewaltig. Die Oppositionsbänke gelten als hart – gerade für die FDP. Jahrzehntelang war sie bundespolitisch das Zünglein an der Waage. Bei diesem Selbstverständnis führt das Oppositionsdasein nahe an die Bedeutungslosigkeit. „18 Prozent“-Kampagnen und andere Kapriolen sollten in vergangenen Wahlkämpfen Besserung bringen, beschädigten aber nur das Image.

Heute hingegen gibt sich die FDP verantwortungsbewußt fern aller Blockadeübungen. Die FDP werde im Bundesrat „sinnvolle Maßnahmen mittragen“, erklärte Westerwelle staatstragend in der Bundestagsdebatte zum Konjunkturpaket.

Den neuen Stil sollten die Großkoalitionäre aber nicht als Machtvergessenheit mißverstehen. Niedersachsens designierter Wirtschaftsminister Philipp Rösler, der neue Star der Liberalen aus Hannover, wich in der Sache keinen Fußbreit zurück: „Die vorgesehenen Steuersenkungen sind doch ein Hohn: drei Milliarden Euro.“ Setze man das in Bezug auf die 80 Millionen Einwohner, „macht das 3,10 Euro pro Monat für jeden“. Eine Blockade des Konjunkturpakets lehnte er ab, verlangte von der Großen Koalition aber – bereits mit Hinweis auf den absehbaren Wechsel in Hessen und damit im Bundesrat – Gesprächsbereitschaft.

Innerhalb der FDP sind die Wogen derzeit glatt. Unspektakulär verlief daher auch ihr sogenannter Europaparteitag in Berlin. Erwartungsgemäß bestimmten 95 Prozent der Delegierten die 38jährige Silvana Koch-Mehrin erneut zur Spitzenkandidatin für die Europawahl. Unter ihrer Führung gelang den Liberalen nach zehnjähriger Abstinenz 2004 der Wiedereinzug in das Europäische Parlament. Koch-Mehrin, ganz bürgernahe Wahlkämpferin, verwahrte sich gegen die Regelungswut der EU-Kommission, die sich um unsinnige Bestimmungen wie das Verbot von Glühbirnen kümmere. Die Liberalen hätten „auch in Europa bei Bürgerrechten eine Wächterfunktion“. Parteichef Westerwelle erinnerte unterdessen an die friedensichernde Funktion der europäischen Integration.

Die Glanzlosigkeit der Großen Koalition ernüchtert viele Unionspolitiker. Sie sehnen sich zurück zu einer Zusammenarbeit mit den Liberalen. Während sich Kanzlerin Merkel zunächst alle Türen offenhalten wollte, preschte CSU-Chef Horst Seehofer mit einer Koalitionszusage für die FDP vor. Namhafte Christdemokraten wie NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers legten nach und brachten die Kanzlerin in Zugzwang. Daß gerade Seehofer und Rüttgers nun die schwarz-gelbe Karte ziehen, ist auf den ersten Blick verblüffend. Denn beide gehören klar zum sozialen Flügel der Union. Wenn es nur nach den Inhalten ginge, müßte gerade Seehofer und Rüttgers die Große Koalition lieber sein als ein Bündnis mit der FDP. Nur Motive im taktischen Bereich machen die Initiative, die der Kanzlerin die Arbeit eher erschwert, verständlich.

Merkel jedenfalls bekannte sich auf der Klausurtagung der CDU-Spitze in Erfurt zum „Wunschpartner“ FDP. Deren Chef Westerwelle wiederum läßt die Union zappeln und will sich erst im Sommer äußern. Genüßlich dürfte die FDP-Spitze beobachten, wie sich führende Unionsrepräsentanten verbal und programmatisch auf die FDP zubewegen, während sie sich gleichzeitig an der schwierigen Koalition mit der SPD abarbeiten. Das verspricht der FDP wieder eine reiche Ernte.        Jost Vielhaber

Foto: Rückenwind aus Hessen: Von der Schwäche der SPD haben die Liberalen am meisten profitiert.


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