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24.01.09 / Nicht nur der Torte wegen / Als Europäische Kulturhauptstadt kämpft Linz gegen Vorurteile – erfolgreich?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-09 vom 24. Januar 2009

Nicht nur der Torte wegen
Als Europäische Kulturhauptstadt kämpft Linz gegen Vorurteile – erfolgreich?

Ein ganzes Jahr lang darf eine Stadt den Titel „Europäische Kulturhauptstadt“ (bis 1999: „Kulturstadt Europas“, dann bis 2004: „Kulturhauptstadt Europas“) tragen. Manchmal wird dieser Titel auch zwei Städten zugebilligt. 2009 sind es Wilna in Litauen und Linz in Österreich.

Mit Beschluß des Rates der Europäischen Union wurde am 13. Juni 1985 der Vorschlag der damaligen griechischen Kulturministerin Melina Mercouri umgesetzt, jährlich eine europäische Kultur(haupt)stadt zu benennen, um die europäische Integration zu stärken. Als erste Stadt war Athen auserkoren. Als deutsche Städte folgten 1988 Berlin und 1999 Weimar. 2010 soll eine ganze Region ausgezeichnet werden: Essen wird stellvertretend für das Ruhrgebiet stehen.

Zwei Kriterien der Europäischen Union, um Kulturhauptstadt zu werden, sind der Beitrag der Stadt zur europäischen Kunst- und Geistesgeschichte und das historische Erbe sowie die Lebensqualität der Stadt. Das historische Erbe aber ist gerade bei dem oberösterreichischen Linz mit dunklen Schatten behaftet, war die Stadt zwischen Mühlviertel und Voralpenland doch eine von fünf sogenannten „Führerstädten“, neben Berlin, München, Hamburg und Nürnberg. Adolf Hitler, der in Linz zur Schule gegangen war und es sich als Alterssitz erkoren hatte, wollte aus der Stadt mit 112000 Einwohnern eine Metropole für 400000 Menschen machen. Seine entsprechend bombastischen architektonischen und musealen Pläne stehen, neben dem oberösterreichischen Kunstschaffen während der NS-Zeit, im Mittelpunkt der Ausstellung „Kulturhauptstadt des Führers – Kunst und Nationalsozialismus in Linz und Oberösterreich“ im Schloß (bis 22. März). Kritiker befürchten allerdings, daß diese Schau „zum Mekka der Ewiggestrigen“ („Der Spiegel“) werden könnte.

Die wirkliche und wesentliche Hinterlassenschaft der Nationalsozialisten in Linz waren nicht die Pläne Hitlers, sondern die 1938 als Rüstungsbetrieb errichteten „Reichswerke Hermann Göring“ und die ostmärkischen Stickstoffwerke. Aus ihnen wurden nach dem Krieg die Eisen- und Stahlwerke Vöest, heute Vöestalpine AG, und die Chemie Linz. Aus der belächelten Provinzstadt wurde die Stahlstadt, die bis heute die Identität von Linz bestimmt.

Doch Linz ist auf dem Weg, sich aus einer Arbeiterstadt zu einem modernen Lebensraum mit vielen Qualitäten zu entwickeln. Das Programm für „Linz09“ umfaßt 220 Projekte, darunter  die Ausstellung „Best of Austria“, in der knapp 100 exzellente Kunstwerke aus etwa 30 österreichischen Sammlungen und Museen präsentiert werden (Lentos-Kunstmuseum, bis 10. Mai).

Modern gibt sich Linz mit der Eröffnung des neuen Ars Electronica Centers mit dem Museum der Zukunft: 30 Millionen Euro teuer und spektakulär in seiner Architektur aus Glas und Beton.

Kultur und Leben gehören in Linz einfach zusammen, nicht nur in diesem für die drittgrößte Stadt Österreichs bedeutungsvollen Jahr. Zugegeben, das kulturelle Fundament ist ein wenig dünn. Neben der „Linzer Sinfonie“ von Wolfgang Amadeus Mozart hat Linz allerdings auch Persönlichkeiten wie den Komponisten Anton Bruckner (1824–1896) und den Dichter Adalbert Stifter (1805–1868) zu bieten. Bruckner gehörte zu den wichtigsten und innovativsten Tonschöpfern seiner Zeit. Von 1855 bis 1868 wirkte er als Domorganist in Linz.

Das größte Konzerthaus Oberösterreichs ist das Brucknerhaus. Im Herbst, anläßlich des Geburtstages des Komponisten, findet alljährlich das Brucknerfest in Linz statt.

Der im böhmischen Oberplan geborene Adalbert Stifter lebte ab 1848 in Linz und starb dort 1868. Sein ehemaliges Wohnhaus beherbergt heute das Adalbert-Stifter-Institut (eine Forschungsstätte für Literatur- und Sprachwissenschaft) sowie das Oberösterreichische Literaturhaus.

Auch der Name Johannes Kepler (1571–1630) ist mit Linz verbunden. Der Mathematiker und Astrologe des Feldherrn Albrecht von Wallenstein lebte von 1612 bis 1627 in Linz, wo er als Hofmathematiker wirkte. In den 1620er Jahren bekam Kepler Schwierigkeiten, seine Geldforderungen einzutreiben. Seine Bibliothek wurde zeitweise beschlagnahmt, seine Kinder zur Teilnahme an der katholischen Messe gezwungen. Die Familie flüchtete nach Ulm.

„Nur durchgereist“, so der Titel einer Ausstellung im Stifterhaus (29. April bis November), sind auch andere historische Persönlichkeiten. Sie hinterließen Erinnerungsstücke, Briefe oder Reiseberichte, die nicht immer freundlich von der Stadt an der Donau sprechen.

Der Schriftsteller Thomas Bernhard (1931–1989) lästerte: „In Linz geboren, allein das ist ein fürchterlicher Gedanke“, und Alfred Polgar (1873–1955) notierte: „Von Linz kenne ich nur den Bahnhof und die Linzer Torte.“ Das Urteil von Stefan Zweig (1881–1942) war auch nicht viel schmeichelhafter: „Linz – man lächelt immer in Österreich, wenn jemand diesen Stadtnamen nennt, er reimt sich so unwillkürlich auf Provinz.“

Von diesem Vorurteil wird sich Linz spätestens Ende des Jahres 2009 befreit haben. Dann, wenn „Kultouristen“ aus aller Welt nicht mehr nur von der Linzer Torte schwärmen, auch wenn diese die älteste Torte der Welt ist. S. Osman         

Foto: Linz: Die romantische Altstadt verlockt zum Bummel.


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