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24.01.09 / Gegenseitige Bewunderung, aber auch Kritik / Eine Ausstellung in Bremen zeigt Arbeiten der kongenialen Bildhauer Gerhard Marcks und Waldemar Grzimek

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-09 vom 24. Januar 2009

Gegenseitige Bewunderung, aber auch Kritik
Eine Ausstellung in Bremen zeigt Arbeiten der kongenialen Bildhauer Gerhard Marcks und Waldemar Grzimek

Eine Ausstellung im Bremer Gerhard-Marcks-Haus ehrt  Waldemar Grzimek (1918–1984) zu seinem 90. Geburtstag am 18. Dezember 2008 und Gerhard Marcks (1889–1981) zum 120. Geburtstag am 18. Februar 2009. Ausgewählte Paare der Plastiken sollen auf die Gemeinsamkeiten, aber auch die Unterschiede im Werk der beiden Bildhauer hinweisen.

„Da ist nun wieder so einer, der’s nicht lassen kann, dem Abenteuer der menschlichen Gestalt nachzujagen“, schrieb Marcks einmal über den Bildhauerkollegen. Schon früh hatte sich Waldemar Grzimek, der am 5. Dezember 1918 im ostpreußischen Rastenburg geboren wurde, seine Kindheit jedoch in Königsberg und Berlin verbrachte, mit der Darstellung von lebenden Wesen beschäftigt. Gips war sein bevorzugtes Material gewesen, Tiere seine Motive. Später wagte er sich an die menschliche Gestalt. 1937 nahm Grzimek ein Studium bei Wilhelm Gerstel an der Berliner Hochschule für bildende Künste auf. In diese Zeit fiel auch die Begegnung mit Gerhard Marcks, Gustav Seitz und Fritz Cremer, die sein späteres Schaffen entscheidend beeinflussen sollten.

Aus einer respektvollen Bekanntschaft, die einer Beziehung zwischen Schüler und Lehrer glich, entwickelte sich über die Jahre eine enge Freundschaft. Marcks unterstützte den Jüngeren. So empfahl er ihn 1946 für einen Lehrstuhl in Halle an der Burg Giebichenstein, was Grzimek mit 28 Jahren zum Professor machte.

In seinen Briefen und Äußerungen sparte Marcks nie mit konstruktiver Kritik. Diese – manchmal etwas schulmeisterliche – Ehrlichkeit nahm er sich heraus, weil er die Arbeiten des anderen wirklich schätzte. Und auch erkannte, daß der Jüngere, der sich lange von den bildhauerischen Grundsätzen des Älteren hatte leiten lassen, an einem bestimmten Punkt über diese hinauswuchs und sehr eigene Wege einschlug. So hatte der Münchner Bildhauer Hans Wimmer seine Vorbehalte gegenüber Waldemar Grzimek, er fand ihn – zumal später – formlos. Aber Marcks wurde nicht müde, ihn immer wieder in glühenden Worten auf Grzimek hinzuweisen. Als ein Beispiel möge die folgende Briefpassage von 1973 genügen, die Gerhard Marcks nach einem Besuch bei Grzimek schrieb: „Dann holte uns der gute Waldemar Grzimek in sein Atelier. Ganz dieselbe Urkraft wie Corinth (und Schlüter) unbändig über alle Geschmackshürden weg, unbeirrt einen Schluck nach dem andern aus der immer vollen Pulle! Dicke Weiber, grausig dicke, ... Proleten, Akte von Riesen und Titanen, alles möglichst überlebensgroß. Dazwischen ein herrlicher Apollo zwischen Wolken (...). Ich verzeihe ihm alles, er ist ein Walt Whitman. Unvergleichlich und eigentlich gar nicht aus unsrer erschöpften Epoche. Das Maß wird mit den Jahren kommen.“ Später betont Eberhard Roters in der 1979 erschienenen Monographie über Grzimek: „Mit seinen Menschenbildwerken hat Grzimek eine unserer Zeitepoche entsprechende Ausformung am gegenwärtigen Ende einer zentralen bildnerischen Überlieferung gefunden“, so Roters. „Seine Skulpturen erschließen sich jedem, der zu sehen versteht, von selbst.“ Vieles im Werk der beiden Bildhauer ist ähnlich, anderes wiederum zeigt die wesentlichen Unterschiede. In dem Ausgleich zwischen Natur und Form, der die figürlichen Bildhauer in Deutschland während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beschäftigte, suchte Gerhard Marcks den betont ruhigen, architektonischen und strukturellen Aufbau einer Figur, der sein gesamtes Schaffen prägte. Grzimek folgte dieser Auffassung zunächst, verlagerte sein Interesse um 1960 aber verstärkt in Richtung Naturvorbild und einer ausgeprägten Bewegung.

Als Marcks 1966 die Grzimek-Ausstellung in der Baukunst Köln besuchte, schrieb er ihm zum „Geblendeten Michael“: „Kann mit Rodin antreten. Groß in der Silhouette, kraftvoll im Modelé.“ In diesem kurzen Kommentar verbirgt sich mehr als nur der Adel, mit Auguste Rodin (1840–1917) auf eine Stufe gestellt zu werden. „Modelé“ war ein zentraler Begriff in den Bildhauerateliers. Er meinte nicht (nur) die Behandlung der Oberfläche, sondern bezeichnete für Rodin und vor allem auch die deutschen Künstler in seiner Nachfolge die Einheit des Kunstwerks. Kurz: seine vollständige, bis in die Details gehende Beherrschung als plastisches Ganzes. Darüber hinaus zeugt der Vergleich mit Rodin von der Bewunderung, die Marcks für die Fähigkeit Grzimeks hegte, unbefangen mit den plastischen Möglichkeiten umzugehen und auch vor einer sehr raumgreifenden und pathosgeladenen Haltung der Figur nicht zurückzuschrecken.     gmh/os

Foto: Blick in die Bremer Ausstellung: Vorn „Der geblendete Michael“ von Waldemar Grzimek, hinten rechts die Bronzeplastik „Vergessener“ von Grzimek, hinten links „Mann mit erhobenen Armen“ von Gerhard Marcks


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