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24.01.09 / Bei der Großmutter / Das besondere Verhältnis zu den Enkeln

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-09 vom 24. Januar 2009

Bei der Großmutter
Das besondere Verhältnis zu den Enkeln

In größeren Zeitabständen lädt Erika Kromat ihre drei Töchter mit deren Angetrauten gern zu einem echt ostpreußischen Mittagessen ein, von dem sie vorher nicht verrät, was es gibt. Und alle müssen dabei sein: „Wenn, dann alle!“ ist ihre Devise, ohne Rück­sicht darauf, daß alle relativ weit von einander entfernt leben.

Sie weiß aber, daß alle gern kommen und es ihnen bei ihr immer schmeckt. Was bei den Töchtern nicht verwunderlich ist. Sie kennen die Rezepte der Gerichte, nach denen schon ihre Großmütter und Urgroßmütter kochten. Doch auch den Schwiegersöhnen, die aus verschiedenen Regionen stammen, schmeckte es.

Man fand sich also wieder einmal zu einem ostpreußischen Mittagessen bei der Mutter ein. Und an diesem Tag erlebte Erika Kromat, auch eine freudige Überraschung, denn nach langer Zeit waren zu diesem Mittagessen auch zwei ihrer Enkeltöchter mitgekommen. Die Großmutter mußte sich eingestehen, daß die beiden in dem halben Jahr, in dem sie die Mädchen nicht gesehen hatte, in Art und Garderobe um einiges erwachsener geworden waren – jedenfalls äußerlich.

Dennoch kreisten sie um die Omi, wie zu allen Zeiten. Was diese von Herzen freute, auch wenn sie, absolut nicht wollte, daß man in der Küche herumkregelte, wenn sie die Soße machte. Und auf die Soße kam es heute an; denn es gab Kartoffelkeilchen mit Schmandsoße.

„Damit, Muttchen, hätten wir alle nicht gerechnet! Keiner von uns wäre darauf gekommen!“ sagte die Zweitälteste voller Vorfreude auf den Gaumenschmaus. Sie, die ihre Barockröllchen um die Taille voll Würde trug, wie die jüngere Schwester manchmal lästerte.

Aber forsche Frauen waren sie alle drei, wie ihr Vater immer voll Stolz gesagt hatte. Frauen, die aussahen wie Hungerhaken – so seine Formulierung – waren nicht nach seinem Geschmack.

Das Mittagessen jedenfalls sprach für sich und für guten Appetit. Nur die beiden Backfische begnügten sich mit einer wirklich kleinen Portion. Da half auch kein wiederholtes Nötigen der Großmutter. Es war, als wollte eine der anderen beweisen, wie wenig sie aß.

Später aber, lange nachdem der Tisch abgeräumt war, fand die Großmutter als sie zufällig in die Küche kam, die ältere Enkelin mit einem Löffel über die Schüssel mit der restlichen Schmandsoße gebeugt. Sie lächelte, als die Großmutter neben ihr stehen blieb. Die aber sagte nur: „Schmeckt’s?“ Ein glückliches Nicken war die Antwort.

Na also! dachte Erika Kromat, drehte sich um und ging zurück zu den anderen.

Hannelore Patzelt-Hennig


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