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31.01.09 / Bisher nur Mosaiksteinchen / Die Aufklärung des Marienburger Massengrabes geht nur schleppend voran – Grabung bald abgeschlossen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-08 vom 31. Januar 2009

Bisher nur Mosaiksteinchen
Die Aufklärung des Marienburger Massengrabes geht nur schleppend voran – Grabung bald abgeschlossen

Die Exhumierung des Massengrabes in Marienburg wird demnächst abgeschlossen. Über Tathergang, Täter und Opfer sind weitere Informationsfetzen bekanntgeworden. Von einer annähernd schlüssigen Aufklärung ist man noch weit entfernt.

Bodo Rückert, der Heimatkreisvertreter von Marienburg, war vom 20. bis 24. Januar als Gast des regionalen Fernsehens und Begleiter eines ZDF-Teams in seiner Heimatstadt. Dort hatte er Gelegenheit zu einem Gespräch mit dem Marienburger Bürgermeisters Rychlowski, an dem auch der Stadtratvorsitzende und der Stadtsekretär teilnahmen.

Bürgermeister Rychlowski dankte dem Heimatkreis Marienburg für die neutral gefaßte Berichterstattung auf dessen Internetseite und für die Hilfe bei der von beiden Seiten angestrebten Aufklärung. Dabei würdigte er auch die gute Zusammenarbeit mit der Gesellschaft der Deutschen Minderheit in Marienburg.

Die Arbeiten an der Fundstelle würden, so berichtete Rückert anschließend, in den folgenden Wochen abgeschlossen. Nach dem deutsch-polnischen Kriegsgräberabkommen aus dem Jahr 2003 werde die Federführung dann auf den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. (VDK) übergehen. Dessen Präsident habe gegenüber den polnischen Behörden die Bereitschaft zur Übernahme der Opfer angezeigt und zwei Soldatenfriedhöfe benannt, davon einen bei Danzig, der auch seitens der Landsmannschaft Ostpreußen als letzte Ruhestätte dieser Opfer befürwortet wird. Die Vertreter der Stadt Marienburg äußerten dabei viel Respekt für den Wunsch des Heimatkreises, die Toten in Marienburg selbst beizusetzen, allerdings liege die Entscheidung darüber nicht bei ihnen.

Bürgermeister Rychlowski und  Rückert vereinbarten außerdem, einander weiterhin über den neuesten Sachstand zu unterrichten und weiter vertrauensvoll zusammenzuarbeiten. – An dieser Stelle ist ein Fehler in der letzten Ausgabe der PAZ zu korrigieren. Dort hätte die Meldung über den Besuch Rückerts in Marienburg mit dem Satz enden müssen: „Dabei hat Rückert Verantwortliche und Öffentlichkeit eingehend über die Sicht des Heimatkreises informiert.“ Von diesem Satz sind zu unserem Bedauern bei der Übermittlung an die Druckerei die letzten zwei Zeilen verlorengegangen.

Was die historischen Fakten über das Massengrab angeht, so sind nach und nach folgende „Mosaiksteinchen“ bekanntgeworden, die sich aber noch nicht zu einem schlüssigen Gesamtbild fügen:

• Nach Angaben des Herder-Instituts hat der Priester Konrad Will Anfang April 1945 auf dem Marienburger Friedhof rund 700 Personen bestattet, die bei dem russischen Angriff auf die Stadt und den anschließenden Kämpfen (also zwischen Ende Januar und dem 9. März) ums Leben gekommen waren. In seinen umfangreichen Aufzeichnungen erwähnt er mit keinem Wort ein Massengrab im Zentrum der Stadt. Dies spricht gegen die Annahme, daß die Masse der rund 2000 Toten bei Kämpfen ums Leben gekommene Zivilisten gewesen wären. Ganz abgesehen davon, daß eine so hohe Zahl an Toten in den sechswöchigen Kämpfen unwahrscheinlich ist, weil die Stadt weitgehend evakuiert worden war.

• Der Stadtsekretär von Marienburg, Piotr Szwediwski, berichtet über die Zeugenaussage einer damals zehnjährigen Deutschen, die während der Kämpfe um die Stadt mit ihrer Mutter in einem Nachbarort geblieben und kurz danach in die Stadt zurückgekehrt sei. Dort hätten die Toten stellenweise „wie die Heringe“ auf der Straße gelegen. Ihrer Mutter und anderen hätten die Sowjets befohlen, die Toten zu bergen. Auf Pferdewagen seien sie zum Sportplatz in der Nähe des nun gefundenen Massengrabes gekarrt worden. Sollte dies zutreffen, dann wären diese Toten – deren Zahl nicht bekannt ist – offenbar ein Teil der im Massengrab gefundenen.

• Bei diesen Kämpfen wurde die Marienburg selbst und Verwaltungsgebäude in der Stadt, in denen die Rote Armee deutsche Soldaten vermutete, intensiv beschossen. Insgesamt wurde Marienburg aber weniger schwer zerstört als andere umkämpfte Städte der Region, etwa Elbing.

• Marienburg war auch eine „Stadt der Kriegslazarette“, doch wurden die Verstorbenen der Lazarette auf den Friedhöfen Marienburgs bestattet.

• Die ersten polnischen Beamten kamen nach diesen Angaben des Herder-Instituts, die wir nach „polskaweb“ zitieren, bereits ab dem 20. April 1945 in die Stadt.

• Laut „polskaweb“ fand sich im Marienburger Stadtarchiv nun eine Aufzeichung, wonach im Juni 1945 in Stadt und Kreis Marienburg noch 2050 (von einst 37000) Deutschen anwesend waren. Rein zahlenmäßig paßt dies durchaus zur Zahl der im Massengrab gefundenen Toten, doch eine direkte Gleichsetzung verbietet sich, weil dies die weitgehende Auslöschung der im Sommer 1945 noch in Marienburg lebenden Deutschen Monate nach Kriegsende bedeuten würde. Dieses dramatische  Schicksal hat zwar die in Königsberg verbliebenen Deutschen nachweislich getroffen. Es war aber nicht geheimzuhalten und demzufolge seit jeher bekannt. Im polnischen Bereich gibt es für derartig extreme Ereignisse bisher auch keine Hinweise.

• Die verbreitete Darstellung, im Marienburger Grab sei außer den unbekleideten Toten rein garnichts gefunden worden, trifft offenbar so nicht zu. Von polskaweb vebreitete Bilder sprechen jedenfalls eine andere Sprache.

• Unklar ist weiterhin die Zahl der durch Kopfschuß Getöteten. Das polnische Institut des Gedenkens (IPN), das offenbar die Ermittlungen an sich gezogen hat, spricht nur noch von 20 Schädeln mit Einschußlöchern. Die direkt an der Exhumierung Beteiligten sprachen nach der Bergung von etwa 1500 Toten hingegen von zehn bis zwölf Prozent, also bereits bis dahin etwa 160 Fällen. Der polnische Journalist Andrzej Stach wiederum spricht von etwa 100 Schädeln mit Einschußlöchern. Nach seiner Darstellung seien die Einschüsse aber in unterschiedlichem Winkel geschehen, so daß sie auch Folge von Kampfhandlungen sein könnten.

• Polnischen Berichten zufolge wurde das Massengrab bereits Anfang der achtziger Jahre, in der Regierungszeit von Woijciech Jaruselski, beim Bau einer Wasserleitung angeschnitten.

• Seitens der drei deutschen BKA-Ermittler und der Vertreter des VDK gibt es nach Informationen der PAZ noch keine Aussagen über ihre Befunde vor Ort.

Fazit: Bisher sind noch kaum gesicherte Aussagen über Todeszeitpunkt, Täter und Identität der Opfer möglich. Die Berichterstattung soll fortgesetzt werden.          K. B.

Foto: Einige Schädel hatten Einschußlöcher: Wurden die 2000 Verscharrten ermordet?


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