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31.01.09 / Wahlkämpfer propagieren ein starkes Israel / Selbst Außenministerin Livni deutet an, sie könne sich den »Transfer« der israelischen Araber vorstellen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-08 vom 31. Januar 2009

Wahlkämpfer propagieren ein starkes Israel
Selbst Außenministerin Livni deutet an, sie könne sich den »Transfer« der israelischen Araber vorstellen

Bei den ersten Umfragen nach dem Ende des dreiwöchigen Gaza-Krieges zur Parlamentswahl am 10. Februar liegt der rechtsgerichtete Likud-Block des Oppositionsführers Benjamin Netanjahu vorn. Als weitere Folge der Militäroperation prognostizieren Demoskopen eine hohe Wahlbeteiligung.

Die Befragungen der israelischen Fernsehsender „Kanal 2“ und „Kanal 10“ zeigen ähnliche Ergebnisse. Für Netanjahu werden rund 30 Sitze (gegenüber jetzt 12) im neuen israelischen Parlament erwartet. Der schärfste Kritiker der Räumung der israelischen Siedlungen im Gaza-Streifen, der deswegen 2005 aus der Regierung ausschied, hat damit beste Aussichten, der nächste Premierminister zu werden. Auch in direkter Wahl läge Netanjahu mit 37 Prozent der Stimmen weit vor Außenministerin Tzipi Livni mit 21 Prozent.

Livnis Kadima-Partei gelang es offenbar auch durch den Gaza-Feldzug nicht, die Gunst der Wähler zurückzuerobern. Ihrer Partei werden 23 bis 26 Sitze prognostiziert, gegenüber 29 bei der letzten Wahl. Ehud Barak, dem Vorsitzenden der Arbeitspartei Awoda und jetzigem Verteidigungsminister, konnte durch die Militäroperation im Gaza-Streifen seine Popularität ebenfalls nicht steigern. In direkter Wahl würden ihn nur 14 Prozent wählen, seiner Partei werden nur 14 Sitze (bisher 19) vorhergesagt.

Der israelische Wahlkampf, der noch im Herbst des letzten Jahres als „langweilig“ galt, gewinnt durch die Auseinandersetzung mit der Hamas im Gaza-Streifen an Schärfe und Fahrt. Außenministerin Livni und das israelische Parlament, die Knesset, sind zu gewagten Manövern bereit. Bei einer Diskussion mit Schülern ließ Livni durchblicken, daß sie zum „Transfer“ von 1,4 Millionen arabischen Israelis bereit sei, falls es zur Gründung eines Palästina-Staates käme. „Ich werde in der Lage sein, die palästinensischen Einwohner Israels, die wir israelische Araber nennen, anzusprechen und ihnen zu sagen, eure nationale Lösung liegt anderswo“, so Livni wörtlich. Daß ausgerechnet die liberale Außenministerin mit Andeutungen in Richtung einer Umsiedlungspolitik Wahlkampf machen würde, hatte niemand erwartet und sorgte dafür, daß diese Nachricht bei arabischen Medien den Spitzenplatz einnahm. Hinzu kam, daß Mitte Januar eine Mehrheit in der Knesset den zwei arabischen Parteien die Teilnahme an der kommenden Parlamentswahl kurzerhand verbot. Ihnen wurde vorgeworfen, sie würden mit den Terroristen von der Hamas kooperieren und das Existenzrecht Israels bestreiten.

Obwohl dieser Vorstoß des israelischen Parlaments vor dem Obersten Gerichtshof kaum Aussicht auf Erfolg eingeräumt wird, wirft diese Aktion ein bezeichnendes Licht auf die Lage Israels. Während die israelisch-jüdische Bevölkerung nahezu einhellig den Gaza-Vorstoß unterstützte, formierte sich die israelisch-arabische Bevölkerung auf den Straßen zu Demonstrationszügen. Das sorgte für einen tiefen Riß im Land. Die Nachfahren der Palästinenser, die nach der Gründung des Staates Israel im Land blieben und heute etwa 1,4 Millionen Menschen ausmachen, werden als Bedrohung des jüdischen Charakters des Landes wahrgenommen. Konservative Politiker haben daher immer wieder laut darüber nachgedacht, daß die arabischen Muslime und Christen in arabische Nachbarländer umgesiedelt werden sollten. Nun schlug mit Tzipi Livni erstmals eine Politikerin aus dem Zentrum des politischen Spektrums ähnliche Töne an.

Daß Livni tatsächlich plant, jeden fünften israelischen Staatsbürger des Landes zu verweisen, ist aber kaum anzunehmen. Da die Politikerin als gewiefte Taktikerin gilt, vermuten politische Beobachter vielmehr, daß die Außenministerin hier ihrer Partei ein schärferes Profil geben will. Da ihre Politik der Verständigung und der Kompromisse bei vielen israelisch-jüdischen Bürgern als Ursache für den Raketenhagel der Hamas gesehen wird, versucht sie nun kurz vor dem Urnengang noch eine Kursänderung. Der Erfolg scheint allerdings zweifelhaft. Die konservativ-nationalen Strömungen in Israel sehen sich derzeit im Aufwind. Viele Bürger fürchten um den Erhalt des Staates Israel, sollte die arabische Bevölkerung weiter wachsen und sich durch islamistische Prediger weiter radikalisieren. So wurden selbst im konservativen Likud-Block Kandidaten des rechten Randes auf aussichtsreiche Listenplätze gewählt.

Für Verblüffung sorgte derweil Benjamin Netanjahu, der als israelischer Falke gilt. Ihm wurde vorgeworfen, er habe die Internetseite der damaligen amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Obama/Biden kopiert. Mit Ausnahme eines wie ein Heiligenschein wirkenden Strahlenkranzes bei den Amerikanern ist die Seite in Aufbau und Farbe bei Netanjahu fast identisch – außer der Schreibweise, die im Hebräischen bekanntlich von rechts nach links geht. Netanjahu, der 2005 massiv davor gewarnt hatte, den Gaza-Streifen zu räumen und so „zu einer Basis des islamistischen Terrorismus zu machen, der den Staat bedroht“, sieht seine Analyse der Lage bestätigt.

Für Spannung vor dem Urnengang ist bei allen Seiten gesorgt. Hieß es noch im Dezember, daß nur 48 Prozent der jungen Wähler zwischen 18 und 25 zur Wahl gehen wollten, so zeigen jüngste Umfragen einen anderen Trend. 76 Prozent der unter 44jährigen wollen nun zur Wahl gehen, insgesamt erwarten die Demoskopen eine Wahlbeteiligung von über 80 Prozent, 17 Prozentpunkte mehr als bei der letzten Wahl.     H. E. Bues


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