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31.01.09 / Der echte Robinson Crusoe / Alexander Selkirk überlebte vier Jahre auf einer einsamen Pazifikinsel – Vorbild für Daniel Defoes Roman

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-08 vom 31. Januar 2009

Der echte Robinson Crusoe
Alexander Selkirk überlebte vier Jahre auf einer einsamen Pazifikinsel – Vorbild für Daniel Defoes Roman

Wohl jeder kennt Robinson Crusoe, die Hauptperson des gleichnamigen weltbekannten Romans des englischen Schriftstellers Daniel Defoe (1660–1731). Weniger bekannt ist, daß Defoe sich bei seiner Figur vom Schicksal eines Zeitgenossen hat inspirieren lassen. Der hieß Alexander Selkirk und kam 1676 in Lower Largo in der schottischen Grafschaft Fife zur Welt. Der Sohn eines Schuhmachers und Gerbereibesitzers zeigte schon in der Jugend eine rebellische Ader. So wurde er 1695 wegen ungebührlichen Verhaltens in der Kirche vor die Kirchenversammlung geladen. Ein sittsames Leben war nicht sein Ding. Vielmehr neigte er zu Alkohol und Schlägereien, und schon früh fand er Freude an der Freibeuterei. Als er wieder einmal mit dem Gesetz in Konflikt geraten war, entzog er sich der Strafverfolgung, indem er auf dem englischen Kaperschiff „St. George“ als Segelmeister anheuerte.

1703 stach die „St. George“ mit Selkirk an Bord in See, um ausgestattet mit einem britischen Kaperbrief vor der Küste Südamerikas Jagd auf französische und spanische Schiffe zu machen. Als die erhoffte Beute ausblieb, geriet Selkirk mit dem Kapitän William Dampier in Streit und wechselte auf die die „St. George“ begleitende „Cinque Ports“. Im Oktober 1704 landeten die Schiffe auf der Isla Ma a Tierra, da ihnen Süßwasser und Nahrungsmittel auszugehen drohten. Die seit 1966 „Isla Róbinson Crusoe“ heißende Insel gehört zum heutigen Juan-Fernández-Archipel, liegt auf der Höhe von Santiago etwa 670 Kilometer vor der chilenischen Küste, mißt 93 Quadratkilometer Fläche und war damals noch unbewohnt. Bei einer Inspektion stellte sich heraus, daß Selkirks Schiff stark durch Bohrmuscheln beschädigt war. Angesichts dieser Beschädigungen hielt Selkirk es für zu gefährlich, mit der „Cinque Ports“ wieder in See zu stechen. Allerdings stand er mit seiner Meinung alleine. Sein Kapitän zwang ihn jedoch nicht, weiter mitzufahren, sondern ließ ihn an Land zurück, zusammen mit einer Muskete mit Schießpulver und Kugeln, Tabak, Feuerstein, einem Kleidersack, einem Beil, einem Messer, Handwerkszeug, einem Kochkessel, einer Bibel sowie Nahrungsmitteln für zwei Mahlzeiten.

Selkirks Widerstand war gut begründet. Wenig später ging die „Cinque Ports“ mit dem größten Teil ihrer Besatzung unter. Selkirk hingegen fand auf der Insel, was er zum Überleben brauchte. Es gab Trinkwasser, Früchte, Gemüse, Fische, Schalentiere und Robben. Später ernährte sich Selkirk auch von den sogenannten Juan-Fernández-Schafen, Nachkommen der Ziegen, die der Seefahrer Juan Fernández 1574 auf die Insel gebracht und dort ausgesetzt hatte. Sie gaben ihm Fleisch, Milch und Leder, aus denen er sich, nachdem seine Kleidung verschlissen war, mit Hilfe eines Nagels neue nähte. Erst erlegte er sie mit der Muskete. Als ihm die Munition ausgegangen war, jagte er ihnen hinterher und fing sie, und schließlich ging er dazu über sie zu züchten. Der von den Seefahrern eingeschleppten Ratten erwehrte er sich, indem er wilde Katzen domistizierte und sich nachts in deren Nähe aufhielt. Pimentbäume dienten ihm zum Hüttenbau. Seelischen Halt fand er in dieser einsamen Zeit in der Bibel.

Auf der Suche nach Rettung erklomm Selkirk täglich einen 565 Meter hohen Grat in den Bergen, von wo aus er einen guten Blick über die gesamte Insel und auf den Pazifik hatte. 1709 war es dann soweit. Am 31. Januar gingen die beiden britischen Kaperschiffe „Duke“ und „Dutchess“ in der Bahía Cumberland vor Anker. Als Besatzungsmitglieder seine Insel betraten, begrüßte Selkirk seine Landsleute und bewirtete sie mit Ziegeneintopf. Am 2. Februar wurde Selkirk auf die „Duke“ gebracht. Deren Kapitän Woodes Rogers hat diesen Vorgang in einem Bericht über seine dreijährige Weltumseglung wie folgt beschrieben: „Unsere Pinasse kehrte unverzüglich vom Ufer zurück und brachte Bach-Krebse im Überfluß mit wie auch einen Mann, der mit Ziegenfellen bekleidet war und wilder anmutete als deren ursprüngliche Besitzer. Er hatte vier Jahre und vier Monate auf der Insel zugebracht.“ An Bord der „Duke“ wurde Selkirk als Maat eingestellt. Am 14. Oktober 1711 liefen „Duke“ und „Dutchess“ nach erfolgreicher Kaperfahrt in den Hafen von Eith, einer Kleinstadt östlich von London ein. Insgesamt war Selkirk acht Jahre, einen Monat und drei Tage unterwegs gewesen.

Nach seiner Rückkehr in die Heimat setzte Selkirk sein unstetes Leben fort. Er brannte mit einem 16jährigen Milchmädchen nach London durch und heiratete in Plymouth eine verwitwete Gastwirtin. Daraufhin wurde er des Heiratsschwindels bezichtigt. Und wieder scheint Selkirk sich daraufhin der Strafverfolgung durch Anheuern auf einem Schiff entzogen zu haben. Auf schwankendem Boden schlug denn auch Selkirk die letzte Stunde. Auf der britischen „Wymouth“ verstarb er am 12. Dezember 1721, vermutlich an Gelbfieber. Sein Seemannsgrab liegt vor der Küste Guineas.

Bereits zu Selkirks Lebzeiten, im Jahre 1712, war ein Bericht über sein Abenteuer in Rogers’ Buch „Cruising Voyage“ erschienen. Im darauffolgenden Jahr folgte zum selben Thema ein Beitrag von Richard Steele in dessen Zeitschrift „The Englishman“. Vermutlich ließ sich Defoe durch diesen Text zu „Robinson Crusoe“ anregen, der mit seinem Erscheinungsjahr 1719 als der erste englische Roman gilt. Angeblich soll Defoe sogar Selkirk persönlich in einem heute noch existierenden Pub in Bristol getroffen haben. Manuel Ruoff


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