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31.01.09 / Quellen wurden einseitig ausgewertet / »Das Braune Haus – Wie München zur ‚Hauptstadt der Bewegung‘ wurde« weist trotz vieler Informationen Schwächen auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-08 vom 31. Januar 2009

Quellen wurden einseitig ausgewertet
»Das Braune Haus – Wie München zur ‚Hauptstadt der Bewegung‘ wurde« weist trotz vieler Informationen Schwächen auf

In der Einleitung des Buches „Das Braune Haus – Wie München zur ‚Hauptstadt der Bewegung‘ wurde“ stößt der Leser auf den Satz: „Gescholten als ‚Hauptstadt der Verdrängung‘ hat sich die bayerische Landeshauptstadt lange Zeit nur widerstrebend, vielfach zähneknirschend mit der eigenen historischen Schuld und Verantwortung befaßt.“

Mag ja sein, daß Vordringlicheres oder auch ein schlechtes Gewissen die Aufarbeitung der Vergangenheit zurückgedrängt hat, aber weder abendländische Ethik noch abendländisches Recht kennt eine Schuld von Kollektiven, auch nicht eines Volkes, auch nicht einer Stadt. Und wer dem widerspricht, steht, ohne es zu wollen, jenen nahe, die zu wissen vorgaben: Die Juden sind an allem schuld.

„Das Braune Haus“ ist informativ. Insbesondere der Untertitel gibt den Inhalt recht treffend wieder. Das Braune Haus hatte in der NS-Bewegung keine Schlüsselrolle. Als es 1930 erworben wurde, war der erste Höhepunkt schon überschritten. Und nach dem Beginn von Hitlers Kanzlerschaft, drei Jahre später, verlagerte sich das Machtzentrum immer mehr in die Reichshauptstadt. Diese und andere wichtige Abschnitte der Stadtgeschichte werden ansprechend herausgearbeitet.

Dennoch muß dem Autor Andreas Heusler vorgehalten werden, daß seine Arbeit gegen das Gebot einer umfassenden, ausgewogenen Berücksichtigung der Quellen verstößt. Warum bleiben die Bekundungen der Juden, die zwischen 1900 und 1945 in der Stadt lebten, nahezu unberücksichtigt?

Else Behrend darf zwar ihre schlimme Situation als von Deportation Bedrohte schildern: „Mein Leben ist zur Hölle geworden.“ Aber das, was sie bedrückt, sind keine Schicksalsschläge, die irgendwelche Rückschlüsse auf München oder die Münchner zuließen. Ihre zahlreichen wunderbaren Begegnungen mit Menschen der Stadt bleiben gänzlich unerwähnt. Wir finden in „Das Braune Haus“ ein Foto, auf dem zu lesen steht: „An Juden und Polen wird Kuchen nicht abgegeben.“ Schlimm! Wie gut hätten folgende Sätze von Behrend hierher gepaßt: „An jedem Geschäft der Stadt (mit ganz geringen Ausnahmen) prangten große Schilder: ‚Juden ist der Zutritt verboten!‘, von sämtlichen öffentlichen Gebäuden, Cafés und Lokalen gar nicht zu reden … Wenn übrigens durch die Inschriften von der Partei bezweckt worden war, den Juden den Einkauf unmöglich zu machen, sie an den dringendsten Bedürfnissen des täglichen Lebens Not leiden zu lassen, so ist dieser Zweck nicht nur nicht erreicht, sondern beinahe in sein Gegenteil verkehrt worden. Die Nachbarn und Bekannten, ja in vielen Fällen die Inhaber der Geschäfte, die jüdische Familien zu Kunden hatten, beeilten sich, ihnen alles, was sie brauchten, oft in Fülle und Überfülle, in die Wohnungen zu bringen.“

Und dieses Manko ist typisch für „Das Braune Haus“. Alle diese Defizite nachzuweisen, wäre zwar reizvoll, würde aber den vorgegebenen Rahmen sprengen. Doch fühlt sich der Leser auf den Arm genommen, wenn er sich daran erinnert, wie der Autor in der Einleitung „das unaufhaltsame Verstummen der Zeitzeugen“ beklagt und gleichzeitig deren vorhandene Bekundungen unterschlägt.

Das Vorwort stammt von dem früheren Oberbürgermeister Jochen Vogel. Als solcher ist er dafür bestens qualifiziert. Wenn er aber Vorwürfe erhebt: „Warum schwiegen so viele, als sie gerade auch ihr christlicher Glaube dazu hätte bringen müssen, zu protestieren“, so kommt dem Kundigen das Sprichwort in den Sinn: „Wer selbst im Glashaus sitzt …“

Wie nach dem Gesagten nicht anders zu erwarten, fehlen in dem Buch auch jüdische Zeugnisse, die das Verhalten der Kirchen und der Christen den Juden gegenüber betreffen, so Karl Sterns Feststellung: „Die Christen in München, die in der Nacht der Vernichtung für uns und mit uns gelitten hatten ... – sie scheinen mir zu winken, ich solle sie nicht verraten. In jenem Erlebnis lag eine Verpflichtung. Ich wußte, daß Pfarrer und Priester in Konzentrationslagern waren. Ich wußte, daß, trotz feiger Brutalität ringsum, kostbare Opfer gebracht wurden.“ Und Carl Oestreich, ein jüdischer Amtswalter, schwärmte vom „immer hilfsbereiten katholischen Ordinariat München“.

Zu Beginn des Buches wird Lion Feuchtwangers Häme auf seine Vaterstadt München zitiert: Anziehungspunkt für „alles, was faul und schlecht war“. Gänzlich unerwähnt bleibt allerdings, daß derselbe von Stalins Sowjetreich geschwärmt hat. Verdient es das Urteil eines solchen Irrlichts wirklich, den Leser gegen München voreingenommen zu stimmen?        Konrad Löw

Andreas Heusler: „Das Braune Haus – Wie München zur ‚Hauptstadt der Bewegung‘ wurde“, DVA, München 2008, 384 Seiten, 22,95 Euro


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