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07.02.09 / Ihrer Allmacht Einhalt gebieten / Nur Meinungen oder Expertenrat: Ratingagenturen in der Kritik – Gefahr von Manipulation besteht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-08 vom 07. Februar 2009

Ihrer Allmacht Einhalt gebieten
Nur Meinungen oder Expertenrat: Ratingagenturen in der Kritik – Gefahr von Manipulation besteht

Die drei großen Ratingagenturen Standard & Poors, Moody’s und Fitch haben mit katastrophal falschen Bonitätseinstufungen nahezu wertloser Papiere wesentlichen Anteil an der Weltfinanzkrise. Jetzt versucht die EU, die Macht der „großen Drei“ zu regulieren.

Sie haben einen Marktanteil von über 90 Prozent und erfreuen sich so fast einer Monopolstellung. Die drei Ratingagenturen Standard & Poors (S&P), Moody’s und Fitch sind zudem in einem Bereich der Wirtschaft tätig, in dem über die Zukunft von Unternehmen entschieden wird. Ihr Urteil ist maßgeblich, wenn Banken oder Investoren jeglicher Art wie beispielsweise Hedge Fonds und private Anleger überlegen, wo sie ihr Geld investieren wollen, denn: Die Ratingagenturen bewerten die Kreditwürdigkeit (Bonität) von Unternehmen und ganzen Ländern. Am Ende der Prüfung werden wie in der Schule Noten vergeben, die hier Rating-codes genannt und in Buchstaben statt in Zahlen ausgedrückt werden. Ein dreifaches A steht für beste Qualität, ein D bedeutet Zahlungsunfähigkeit. Dazwischen gibt es viele Abstufungen. So hat beispielsweise S&P Spanien gerade von AAA auf AA+ herabgestuft, was für das Land bedeutet, daß die US-Ratingagentur die Kreditwürdigkeit des Landes etwas schlechter bewertet als vorher. Spanien muß deswegen jetzt am Kapitalmarkt höhere Zinsen zahlen, da das Ausfallrisiko seiner Staatsanleihen nach Einschätzung von S&P gestiegen ist. Damit kommt der Rating-agentur eine große Macht zu, denn sie beeinflußt maßgeblich, wer zu welchen Konditionen Geld bekommt.

Doch das birgt gleich mehrere Gefahren. Eine davon haben Anleger weltweit in den letzten beiden Jahren schmerzlich erfahren müssen. So vergaben die Ratingagenturen selbst den dubiosesten und undurchschaubarsten Wertpapierkonstrukten sehr oft die Idealnote AAA, diese erwiesen sich oft als nahezu wertlos. Und selbst als der Zusammenbruch der ersten Kreditinstitute wie der Lehmann Bank bereits durch die Nachrichten ging, wurden sie noch von den Rating-agenturen als unbedenklich bezeichnet.

„Die Agenturen haben Ratings vergeben, die sie nicht hätten vergeben dürfen … Das hat wiederum dazu geführt, daß Kredite vergeben wurden, die nicht hätten vergeben werden dürfen. Ohne Ratingagenturen wäre die heutige Situation in diesem Ausmaß niemals möglich gewesen“, wetterte der Bankexperte Ekkehard Wenger bereits 2007. Doch die Agenturen spielen die Auswirkungen ihres Tuns auf die Realwirtschaft herunter. Sie würden lediglich Meinungen veröffentlichen, wird ihre Bedeutung seitens ihrer Mitarbeiter heruntergespielt. „Wir sind nicht dafür verantwortlich, wie andere sich aufgrund der von uns veröffentlichten Informationen verhalten.“

Allerdings steht Wenger mit seiner Meinung nicht allein. Auch in Europa blickt man skeptisch auf die drei US-Giganten, die den auf sechs Milliarden Euro bezifferten „Expertise“-Markt unter sich aufteilen. Da in den USA seit 1975 jedes Unternehmen, das am Kapitalmarkt agieren möchte, sich von mindestens zwei zugelassenen Ratingagenturen bewerten lassen muß, in den USA aber nur die genannten drei zugelassen sind, haben diese faktisch eine Monopolstellung. Diese nutzen sie auch aus. Ihre Ratings berechnen sie mit mathematischen Formeln, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. Welche Kriterien in diesen Algorithmen berücksichtigt werden, ist Geheimsache. Das wiederum führt dazu, daß Gerüchten über Manipulation Tür und Tor offenstehen. Da die Unternehmen die Agenturen für ihre Einstufung bezahlen, ist es möglich, daß, wer gut bezahlt, auch gut bewertet wird. Trotzdem blicken Banken und Investoren vor ihren Anlageentscheidungen weltweit auf die Ratings. Auch ist fraglich, inwieweit die Ratingagenturen ihren Einfluß nutzen, um US-Interessen zu vertreten. Werden Spanien, Griechenland und andere Euro-Länder womöglich zur Zeit nur deswegen schlechter bewertet, damit der Euro instabiler wird, der Dollar also im Umkehrschluß wieder attraktiver dasteht?

Solchen Manipulationen will die EU einen Riegel vorschieben, doch wie genau der aussehen soll, wird noch diskutiert. Internationale Mindeststandards, mehr Transparenz und Wettbewerbsgleichheit sollen geschaffen werden. So sollen Modelle, Methoden und zu Grunde liegende Annahmen für Ratings veröffentlich werden. Auch von einem jährlichen Transparenzbericht ist die Rede. Außerdem sollen Ratingagenturen keine zusätzlichen Beratungsdienste für ihre bewerteten Kunden anbieten dürfen, um ihre Objektivität nicht weiter zu gefährden. Auch sollen nur noch in der EU registrierte Agenturen Ratings abgeben dürfen. Die Registrierung ausländischer Ra-tingagenturen wiederum hängt davon ab, ob diese in ihren Heimatländern Regulierungen unterliegen. Da die USA derartiges allerdings anstreben, dürften S&P, Moody’s und Fitch auch in Zukunft den europäischen Expertisen-Markt dominieren. Allerdings zeichnet sich ab, daß die EU in einem Punkt zurückweichen könnte: Um objektive Ratings zu ermöglichen, sieht die jetzige Gesetzesvorlage vor, daß die Ratingagenturen in bestimmten Zeitabständen ihre Manager austauschen. Dagegen wehren sich die drei Großen jedoch, da durch den erzwungen Wechsel Fachwissen verloren ginge.

Bis zur Abstimmung im Wirtschaftsausschuß Ende März werden noch viele Ansichten in den Gesetzgebungsprozeß einfließen. Als unabhängiges Gremium auf EU-Ebene wird die Europäische Zentralbank favorisiert. „Da sie für die Geldmarktpolitik in der EU letzten Endes verantwortlich ist, wäre sie aus meiner Sicht die geeignete Institution für diese Tätigkeit“, so der Vorsitzende der Unions-Gruppe im EU-Parlament, Werner Langen.

„Um die Qualität von Ratings dauerhaft sicherzustellen und um Interessenskonflikte zu vermeiden, fordert die FDP im Europäischen Parlament mehr Transparenz im Bereich der Rating-agenturen. Dabei darf die EU ihre Kompetenzen nicht überschreiten: Politiker sind nicht die besseren Unternehmer. Es muß aber in der Branche einerseits mehr Wettbewerb geben, andererseits müssen Unternehmen eigene Entscheidungen treffen dürfen. Deswegen fordern wir: weniger Bürokratie, weniger Verordnungen, weniger Protektionismus“, so die FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin.

Carsten-Patrick Meier vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel hält die Gesetzesfindung hingegen für unnötig. „Die EU braucht die Ra-tingagenturen nicht zu regulieren, da keine Bank nach den jetzigen Erfahrungen mehr ein Geschäft mit Wertpapieren machen kann, die nicht transparent sind. Außerdem haben die Ratingagenturen ein lebendiges Eigeninteresse daran, ihren angeschlagenen Ruf durch mehr Transparenz bei ihren Bewertungen wieder zu verbessern.“                 Rebecca Bellano


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