24.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
07.02.09 / Kriegsausbruch verhinderte 1939 seine Ehrung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-08 vom 07. Februar 2009

Kriegsausbruch verhinderte 1939 seine Ehrung

Es gibt unkompliziertere Vaterländer als Rumänien, aber kaum anregendere für einen genialen Soziologen wie Dimitrie Gusti (1880–1955). Als 19jähriger kam er aus der heimischen Moldau (Moldawien) nach Deutschland, wo er bei den prominentesten Sozialwissenschaftlern jener Zeit studierte und promovierte. 1934 verlieh ihm die Universität Leipzig den Ehrendoktor, wobei Gusti sich in Dankbarkeit an seine Anfänge erinnerte: „Ich habe Deutschland in den Jahren 1899 bis 1910 erlebt auf seinem Höhepunkt, in einer glücklichen Prosperität und auf dem Triumphweg zur industriellen Vorherrschaft in der Welt, dazu das größte, fleißigste und disziplinierteste Volk in Europa, mit Genies, die die menschliche Zivilisation gekrönt haben.“

Nach deutschen folgten französische Studienjahre, und dieser europäische Rückhalt befähigte Gusti zu einer staunenswert vielseitigen Karriere: Universitätsreformer, Präsident der Rumänischen Rundfunkgesellschaft, Leiter der ersten Volkszählung nach modernen Methoden, Organisator des rumänischen Pavillons bei den Weltausstellungen in Paris 1937 und New York 1939, Minister für „Öffentliche Erziehung, Religion und Kunst“ (1932/33), Begründer eines „Sozialen Dienstes“ für die Jugend 1938 und vieles mehr.

Gusti zu Ehren sollte 1939 der XIV. Weltkongreß für Soziologie in Bukarest stattfinden, was der Kriegsausbruch verhinderte. Eine nach Gustis Lehren geordnete Politik wäre ohne Kriege ausgekommen. Sein Credo „Cunoastere si actiune sociala“ (Erkenntnis und soziale Aktion) war eine Basis für Wissenschaft, sozioökonomische Entwicklung und friedliche Ordnungspolitik. So demonstrierte es seine „Bukarester monographische Schule“, wenn sie Regionen Rumäniens wissenschaftlich durchleuchtete, kulturell reformierte und ökonomisch durchstarten ließ.

Nur wenn Staaten ihre Politik an ethischen Idealen ausrichten, werden sie ökonomisch und kulturell so erfolgreich, daß sie auch Systemumbrüche bewältigen. Solche Postulate Gustis standen Pate, als die UN 1947 das „Social Institute of Nations“ (SIN) schufen, das Gusti als Vizedirektor mit leitete.

In Bukarest war er Präsident der Akademie der Wissenschaften, wurde aber von den regierenden Stalinisten aus allen Funktionen verdrängt, so daß ihm ab 1948 nur noch die Arbeit an seiner Autobiographie blieb, bis er am 1955 verstarb. Für Jahrzehnte kündete von ihm nur noch das Bukarester „Muzeul satului român“ (Rumänisches Dorfmuseum), das Gusti 1936 einrichtete. Erst das postkommunistische Rumänien nutzt die Chance, den Born Gusti’scher Ideen und Anregungen wieder zu erschließen.                Wolf Oschlies


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren