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07.02.09 / Brandenburger oder Pole? / Unbekanntes aus der Frühzeit Brandenburgs: Im Jahre 1157 unterlag Slawen-Fürst Jaczo von Köpenick Albrecht dem Bären

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-08 vom 07. Februar 2009

Brandenburger oder Pole?
Unbekanntes aus der Frühzeit Brandenburgs: Im Jahre 1157 unterlag Slawen-Fürst Jaczo von Köpenick Albrecht dem Bären

Am Ufer des Wannsees im Nordwesten von Berlin steht eine große Steinsäule mit einem Rundkreuz. Es erinnert an einen heidnischen Slawen-Fürsten, der an dieser Stelle die Havel durchschwommen haben soll. Auf dem Rücken seines Schlachtrosses – auf der Flucht vor den Truppen des Markgrafen Albrecht, genannt der Bär. Schildhorn wird diese Stelle später heißen, an der der Ritter das rettende Ufer betrat. Er selbst wird als „Jaczo von Köpenick“ in die Geschichte eingehen.

Man schreibt das Jahr 1157. Und  was den Flüchtling betrifft, so hatte der gerade in der Nähe von Spandau eine vernichtende Niederlage hinnehmen müssen. Allein er soll den deutschen Rittern entkommen können. Bevor sich dieser Jaczo den Schwimmkünsten seines Rosses anvertraute, so will es jedenfalls eine Sage wissen, habe er voller Verzweiflung die Worte ausgestoßen: „Herr hilf! Schaff mich über den Strom, und ich will dir dienen.“ Zum Dank an die wundersame Rettung hängte er seinen Schild an einen Baum … und wird zum Christ. Theodor Fontane erzählt mit einem Anflug von Ironie: „Seinen Schild aber, den der Finger Gottes berührt, ließ er dem Ort, wo das Wunder sich vollzogen hatte. Der Schild des Heidens war ihm zum Glaubensschild geworden.“   

Als erster hat diese Sage wohl ein Berliner Lehrer seinen Schülern erzählt – in den 1820er Jahren. Dann erfuhr Friedrich Wilhelm IV. davon. 1844 zeichnete er gleich mehrere Entwürfe für ein Denkmal am Schildhorn. Den letzten Schliff erhielt das Denkmal allerdings von zwei der bekanntesten preußischen Architekten – von Stüler und Cantian.

Nirgendwo hat man bislang einen schriftlichen Hinweis auf diese legendäre Flucht anno 1157 gefunden. Den Jaczo hat es dagegen gegeben. Bekannt auch als Jaxo oder Jacko. Sogar als Johannes oder Jakob, und es gibt noch mehr Namensvarianten. Gefunden wurden auch Münzen mit der Inschrift „Jacza de copnic“ oder „Jakza Coptnik Cne“. Wahrscheinlich sind sie im heutigen Berliner Stadtbezirk Köpenick geprägt worden, etwa dort, wo sich jetzt auf der Insel das Schloß erhebt. Neben einer mächtigen Burg befand sich eine ziemlich große slawische Siedlung. An dieser Stelle durchquerte auch die einzige nennenswerte Furt die Spree. Von hier aus könnte der wendische Kleinkönig Jaczo über das Volk der Sprewanen geherrscht haben.

Zurück von der Spree an die Havel in die heutige Stadt Brandenburg. Auf einer stark befestigten Burg residierte Slawen-Fürst Meinfried. Er war Herrscher über die Heveller. Offenbar hatte der Hochadlige mit dem deutschen Namen das Christentum bereits angenommen. Es könnte durchaus sein, daß er deshalb 1137 Opfer eines Mordanschlages geworden ist, ähnlich wie im Jahre 929 der böhmische König Wenzel. Muß aber nicht. Auch eine „stinknormale“ Palast-Revolution könnte seinem Leben ein Ende bereitet haben. Als neuer Herrscher folgte ein Verwandter namens Pribislaw. Auch er war schon getauft. Um sein Wohlwollen gegenüber den Deutschen deutlich zu machen, nimmt er den Namen Heinrich an und macht sogar Markgraf Albrecht und dessen Nachfahren zu seinen Erben. Der Fall tritt 1150 ein. Die Brandenburg wird von Albrechts Streitkräften besetzt. Das wiederum provoziert Jaczo von Köpenick, wahrscheinlich ein Neffe von Heinrich-Pribislaw. Auch er erhebt Erbansprüche und erobert seinerseits die Brandenburg. Vom Verrat der Verteidiger schreibt ein Domherr namens Heinrich von Antwerpen, der gut 50 Jahre später über die Ereignisse berichtet.

Sieben Jahre lang kann sich Jaczo in der Burg an der Havel behaupten, dann wird er vertrieben. Es kommt zu der anfangs erwähnten Schlacht und zu der Niederlage. Die Spur des aufmüpfigen Slawenfürsten verliert sich bis ins 19. Jahrhundert im Dunkel der Geschichte. Dann suchen überall in Europa die Menschen nach den Wurzeln ihrer eigenen Nation. In Polen entdeckt man die erwähnte Notiz des brandenburgischen Domherren Heinrich. Und die bezeichnet Jaczo als „principans in Polania“. Der Name ist recht verbreitet, dennoch wird Jaczo von Köpenick kurzerhand gleichgesetzt mit dem polnischen Graf Jaczko von Miechow. Der reiche Mann von hohem Adel gilt als Schwiegersohn von Peter Wlast, dem Begründer einer der polnischen Fürsten-Dystastien. Dagegen wird dem polnischen Jaczo „nachgesagt“, er sei der Stammvater des Fürstenhauses Pommern – des Greifen-Geschlechts.

Doch die „deutsche Wissenschaft“ ließ sich ihren Jaczo nicht nehmen. Bis in die Mitte des vergangenen Jahrhunderts hinein erhitzten sich die Gemüter. Nicht selten war das ein Gelehrtenstreit vor nationalistischem Hintergrund. In den letzten Jahren ist es ruhiger um die Ereignisse von vor über 850 Jahren geworden, obwohl Romane über das Mittelalter Hochkonjunktur haben. Doch was die deutschsprachigen Schriftsteller betrifft, so endet für sie das europäische Mittelalter in der Regel an der Linie Elbe-Saale.       Karel Chemnitz


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