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07.02.09 / Demos für und gegen die Regierung / Putin-Anhänger trafen sich auf dem Hansaplatz – Kommunisten wichen zum Mutter-Rußland-Denkmal aus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-08 vom 07. Februar 2009

Demos für und gegen die Regierung
Putin-Anhänger trafen sich auf dem Hansaplatz – Kommunisten wichen zum Mutter-Rußland-Denkmal aus

Normalerweise ist die politische Aktivität der Menschen in der Königsberger Region im Winter, wenn das Wetter ungemütlich und kalt ist, eher gering. Doch dieses Jahr begann wesentlich aktiver, die Demonstrierfreudigkeit ist groß. Viele Kundgebungen haben bereits stattgefunden. Am 31. Januar fanden in Königsberg gleichzeitig am Hansaplatz und beim Mutter-Rußland-Denkmal Demonstrationen gegen die Krise statt.

Auf dem Hansaplatz trafen sich Anhänger der Partei „Einiges Rußland“, die aus verschiedenen Teilen der Region zusammengekommen waren. Das Treffen stand unter dem Motto „Volk, Medwedew, Putin – wir siegen gemeinsam!“ Die Teilnehmer brachten ihre Unterstützung für die Antikrisenmaßnahmen des russischen Präsidenten, der russischen Regierung und der Regierung des Königsberger Gebiets zum Ausdruck. Der Sekretär des örtlichen Polit­rats von „Einiges Rußland“ und Vorsitzender der Gebietsduma, Sergej Bulytschew, trat als Redner auf, und sagte, daß die Maßnahmen, die der russische Präsident und die Regierung erarbeitet haben, geeignet seien, „die Verluste und Schwierigkeiten, die unser Land im Zuge der Weltfinanzkrise belasten, zu minimieren“. Er sagte auch, daß für das Königsberger Gebiet ein Krisenstab eingerichtet worden sei, den Gouverneur Georgij Boos, Mitglied des Obersten Rates der Partei „Einiges Rußland“, leitet.

Am Ende der Veranstaltung verabschiedeten die Teilnehmer, fast 400 Menschen, eine Resolution zur Unterstützung des Antikrisenprogramms der Regierung, in der sie ihre Überzeugung zum Ausdruck brachten, daß dieses zur Überwindung der Krise tauge. Die Veranstaltung dauerte nur 20 Minuten. Danach stellten sich die Teilnehmer in Gruppen zusammen und machten Erinnerungsfotos. Einige von ihnen waren aus entfernten Teilen des Gebiets gekommen und froh, in Königsberg zu sein.

Zur gleichen Zeit hielten beim Denkmal Mutter Rußland, nur 300 Meter weiter, Anhänger der Kommunistischen Partei und der „Patrioten Rußlands“ eine Protestkundgebung hinter Metallabsperrungen und unter Polizeiüberwachung ab. Ursprünglich wollten die Organisatoren ihr Treffen auf dem Hansaplatz stattfinden lassen, doch das Bürgermeisteramt sagte ihnen unter dem Vorwand ab, dort sei gefährliches Glatteis. Die Kundgebung der Kommunisten und der „Patrioten Rußlands“ fand unter dem Motto „Untätige Politik der Regierung des Königsberger Gebiets im Kampf gegen die Folgen der Weltfinanzkrise“ statt. Ihr Protest richtete sich gegen die Erhöhung der Tarife für kommunale Dienste um 20 Prozent zu Beginn dieses Jahres. Damit sind die kommunalen Dienste im Königsberger Gebiet so teuer wie sonst fast nirgends in der Russischen Föderation, und das, obwohl die Häuser zumeist mit Öl beheizt werden, dessen Preis um zwei Drittel gefallen ist. Die Gebietsregierung beabsichtigt, für kleine Unternehmer die Steuern zu erhöhen, obwohl die Banken ihre Kreditzinsen bereits auf 30 Prozent erhöht hatten.

Vor kurzem beschloß die Königsberger Regierung alle kleinen Verkaufsstände zu verlegen (es sind ungefähr 1500), obwohl sie schon im vergangenen Jahr verlegt wurden. Außerdem will man die Gewerbemieten um das Zehnfache erhöhen, und so das Budget auffüllen, um der Krise trotzen zu können. Diese Maßnahmen könnten jedoch Tausende Arbeitsplätze kosten, weil die hohen Mieten bei sich ständig verringernder Kaufkraft der Menschen kaum zu erwirtschaften sind. Diese Initiativen der Regionalmacht unterscheiden sich deutlich vom Standpunkt des Präsidenten Medwedew und des Premierministers Putin, die in den Medien ständig über Maßnahmen zur Unterstützung der kleinen Unternehmen sprechen und meinen, daß gerade diese das Land aus der Krise herausbringen könnten.

Deshalb riefen die Kommunisten dazu auf, die Regierung der Stadt und der Region zu entlassen. Die Redner griffen einige „schmerzliche“ Fragen auf, zum Beispiel protestierten sie gegen sogenannte „Spielzonen“ im Königsberger Gebiet. Eine Frau erzählte von ihrem Sohn, der spielsüchtig wurde und den sie nun verloren hat. Gegen die Spielzonen hat sich auch immer wieder der Metropolit von Königsberg und Smolensk, Kyrill, ausgesprochen, der vor kurzem zum Patriarchen von Moskau und ganz Rußland gewählt worden ist. Viele Königsberger hoffen, daß die Gebietsregierung nun auf seine Meinung hören wird, daß eine Spielzone eine große Sünde wäre.

Auf einem der Plakate war Karl Marx abgebildet. Konnte man bislang das „Kapital“ und andere seiner Werke nur mit Mühe in verstaubten Regalen der Bibliotheken finden, so sind sie jetzt populär geworden. Auch kann man in letzter Zeit in Buchhandlungen wieder die Frage hören: „Haben Sie auch das ‚Kapital‘ von Marx?“ Anscheinend hoffen die Königsberger bei ihm zu erfahren, wie man die Krise überleben kann.

Die Demonstranten sprachen auch die Gesundheitsversorgung im Gebiet an. Es gab schon 15 Demos gegen die Schließung des Krankenhauses für Seeleute (medizinischer Teil Nr. 1). Es wurde vor kurzem geschlossen, das medizinische Personal wurde entlassen, teure medizinische Ausrüstung wurde zerstört, und Möbel wurden gestohlen. Das Hospital für Veteranen wurde ebenso geschlossen, das gleiche Schicksal könnte noch die Kinderpoliklinik der Stadt ereilen. Beim Denkmal Mutter-Rußland wollten so viele Redner auftreten, daß die Veranstaltung viel später als geplant zu Ende ging.                Jurij Tschernyschew

Foto: Demonstration der Kommunisten: Gegen den Bären der Putin-Partei „Einiges Rußland“ und für Karl Marx


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